Ein halbes Jahrhundert Erfolgsgeschichte

St. Wendel · Vor fast 50 Jahren begann in einem alten Bauernhaus die Geschichte von Barclay James Harvest. Heute ist Mitgründer John Lees noch immer mit der Band unterwegs. Von den harten Anfängen und Veränderungen im Musikgeschäft erzählt Lees im Gespräch mit SZ-Redaktionsmitglied Patricia Heine.

 Das Ende seiner Karriere ist nicht in Sicht: Noch immer bringt John Lees mit seiner Band Barclay James Harvest die Bühnen zum Beben. Fotos: Tim Simpson

Das Ende seiner Karriere ist nicht in Sicht: Noch immer bringt John Lees mit seiner Band Barclay James Harvest die Bühnen zum Beben. Fotos: Tim Simpson

 Er spielte im Jahr 1980 vor 100 000 Fans in Berlin: John Lees.

Er spielte im Jahr 1980 vor 100 000 Fans in Berlin: John Lees.

In euren Anfangszeiten habt ihr als Band ein halbes Jahr in einem alten, leer stehenden Bauernhaus gelebt, Lieder geschrieben und viel geprobt. War die Zeit dort der Grundstein zum Erfolg?

Lees: Nicht wirklich. Es war ein Weg, die Band zu gründen. Einem Typen aus dem Dorf gehörte die Farm. Er diente als Wachmann für uns - er achtete darauf, dass wir uns auf das konzentrierten, wofür wir da waren. Es war ein Experiment, das wir gestartet hatten, und es hat uns dazu gebracht, live aufzutreten und unsere eigenen Sachen zu machen, vor allem Songs zu schreiben. Insgesamt glaube ich aber nicht, dass uns diese Zeit zum Durchbruch verholfen hat. Das erforderte sehr viel harte Arbeit.

Hat das spartanische, einfache Leben, das ihr in dieser Zeit geführt habt, eure Musik und eure Lieder beeinflusst?

Lees: Es war eine Zeit, in der wir angefangen haben, mit verschiedenen Instrumenten und der Musik zu experimentieren. Ich glaube, es hat uns beeinflusst, da wir alle aus armen Verhältnissen kommen. Die Leute aus unserem Dorf suchten Auswege aus ihrem Leben. Ein Weg war es, Rockstar zu werden, Lieder zu schreiben und Musik zu machen.

Sie sind jetzt seit knapp 50 Jahren in der Musikbranche. Was hat sich in all den Jahren in der Branche am meisten verändert?

Lees: Die größte Veränderung ist der Weg, wie die Leute an Musik gelangen. Es ist kein Vergleich mehr zu dem, was es einmal war. Musik war damals extrem wichtig. Früher haben die Leute Musik gesammelt. Sie haben sich ein Album mit schönem Cover gekauft und sogar noch einiges an Text zum Lesen dazubekommen. Heute ist die Musik durch das Internet und Plattformen wie iTunes und Spotify so schnell erreichbar. Heute wird ein Lied innerhalb von Sekunden aus dem Internet heruntergeladen. Da sammelt fast keiner mehr Platten oder CDs.

Vermissen Sie die alten Zeiten?

Lees: Nein, weil wir uns bewegen und weiterziehen, mit der Zeit gehen müssen. Ich bin aber froh, ein Teil davon gewesen zu sein, weil ich glaube, dass Musiker heute nicht mehr so erfüllt sind. Auch die Möglichkeiten waren damals ganz andere als heute. Es war viel härter, den Durchbruch zu schaffen. Heute kann man ein Lied schreiben, es auf Plattformen wie Youtube setzen, und dann kann Erfolg schon bedeuten, dass 500 Leute das Lied herunterladen. Heute gibt es mehr Möglichkeiten, aber viel geringere Chancen, den Jackpot zu knacken. Um trotzdem groß rauszukommen, braucht man die richtigen Leute im Rücken und das nötige Geld.

Ihr habt euren Stil verändert, Mitgründer Wolly Wolstenholme hat die Band verlassen und ihr habt trotzdem weitergemacht. Musstet ihr eure Musikrichtung ändern, um erfolgreich zu bleiben, oder was hat euch dazu gebracht, etwas zu verändern?

Lees: Die Art, wie Lieder geschrieben werden, hat sich nicht verändert. Die Leute, mit denen wir die Lieder aufnehmen, sind andere, und die Art, wie wir die Lieder einspielen, ist anders geworden. Ich schreibe meine Lieder aber immer noch wie früher. Sie könnten sich ein altes Lied von vor einigen Jahren, wie zum Beispiel "Child of the Universe" anhören und ein Lied vom neuen Album "North" und dann würden Sie merken, dass es immer noch eine Verbindung zwischen den Liedern gibt. Sie würden merken, dass die gleiche Person die Lieder geschrieben hat, nur angepasst an die heutige Zeit.

Das heißt, euer Musikstil hat sich nicht wirklich geändert?

Lees: Er hat sich nicht großartig verändert. Ich bin nur erwachsener geworden und meine Musik mit. Die politischen und sozialen Themen sind gleich geblieben. Ich mache noch immer das, was ich schon vor 50 Jahren gemacht habe: immer ein bisschen etwas anderes als die anderen.

Können Sie sich daran erinnern, wie es sich angefühlt hat, 1980 in Berlin vorm Reichstag vor 100 000 Fans zu spielen?

Lees: Wir hatten mehr Angst, als alles andere (lacht). Es war eine Riesenaufgabe. Ich glaube nicht, dass wir wussten, wie groß dieses Konzert werden würde, als wir rausgegangen sind auf die Bühne. Wir haben Lieder gespielt, die wir extra für diesen Auftritt geschrieben hatten. Lieder wie "In Memory of the Martyrs" (Im Gedenken an die Märtyrer) hatten wir für diesen Ort, den Krieg und vieles weitere geschrieben.

Um was geht es denn in dem Lied?

Lees: Das Lied handelt im Grunde davon, welche Auswirkungen die Berliner Mauer auf die Menschen hatte. Es geht um die Ungerechtigkeit der Mauer.

Könnte ein Auftritt wie damals 2016 noch einmal möglich sein?

Lees: Ich habe keine Ahnung. Nicht von uns auf jeden Fall. Es war ein Moment der Zeit. Seitdem ist so viel passiert. Die Tour damals war unsere erfolgreichste in Deutschland. Aber heute bin ich froh, dass es keine Mauer mehr gibt.

An welcher Stelle steht dieses Konzert in Ihrer Liste der schönsten Momente als Musiker ?

Lees: Wir haben eine Serie von Konzerten in Deutschland gespielt, und es war jedes Mal unglaublich schön. Es war einer der schönsten Momente. Es war ein Moment, der aus dem Nichts kam. Ich werde immer daran denken, wie plötzlich Tausende von Menschen da waren und angefangen haben zu singen. Sogar auf den Bäumen saßen Leute, die mitgesungen haben.

Ihr zweites Album ohne die Band heißt "North". Es wird sehr positiv bewertet. Viele Kritiker nennen es sogar das beste, das sie in all den Jahren veröffentlicht haben. Teilen Sie diese Meinung?

Lees: Ja, diese Meinung teile ich auf jeden Fall. Ich habe eine gute Truppe an meiner Seite. Als wir damals mit Barclay James Harvest begonnen haben, war es genau das Gegenteil. Am Anfang war es noch egal, wer wie viel für die Band geleistet hat, wir teilten alles, und jedes Bandmitglied bekam den gleichen Anteil. Je erfolgreicher wir wurden, desto eigensinniger wurde es. Und ich wusste immer, dass das der Anfang vom Ende war. Es wurde eine Art Wettbewerb. Es ging nicht mehr um Qualität, sondern um Geld. Einer der ersten Schritte, die ich mit der neuen Band eingeleitet hatte, war, zu diesem Teilen zurückzukehren. Es ist egal, ob du Lieder für das neue Album geschrieben hast oder nicht. Du bist ein Teil der Band und erhältst genau so viel, wie der andere. Daher sind die neuen Alben, wie "North" eher ein gemeinsames Projekt, und das macht sie besser.

Woher nehmen Sie nach so vielen Liedern und Alben noch die Inspiration für neue Musik?

Lees: Leben! Jeder neue Tag inspiriert mich. Alles, was mir passiert ist, und alles, was den Leuten passiert ist, mit denen ich die Lieder schreibe, führt mich zu meinen Texten.

Um was geht es in dem neuen Album?

Lees: Das Hauptthema des Albums ist der Norden von England, unsere Heimat, dort sind wir aufgewachsen. Es geht um das schlechte Wetter, die Armut - all das in Nordengland, was uns traurig gemacht hat.

Ihr hattet Schulden und mehrfach Streit in der Band. Haben Sie nicht oft darüber nachgedacht, alles hinzuschmeißen? Wie haben Sie es geschafft, trotz aller Hindernisse als Band zusammenzubleiben?

Lees: Ich glaube, wir sind für eine sehr lange Zeit zusammengeblieben, weil der Name Barclay James Harvest einfach größer war als wir Musiker . Die Leute erinnern sich immer an den Namen Barclay James Harvest . Von daher glaube ich, dass wir solange weitergemacht haben wie nur möglich. Wir hatten musikalische und private Differenzen. Und irgendwann waren es einfach zu viele. Weil aber der Name so groß war, haben wir ihn in unseren neuen Projekten beibehalten. Auch jetzt in John Lees Barclay James Harvest . Die Leute, die zu unseren Konzerten kommen, wissen, dass sie die Musik und ein Ur-Mitglied von Barclay James Harvest sehen und hören werden, und sie wissen, dass ich alle Lieder selbst geschrieben habe.

Sie sind 69 Jahre alt. Haben Sie schon darüber nachgedacht, sich in den Ruhestand zu verabschieden?

Lees: 69 ist wirklich alt, oder? Ich weiß es nicht (lacht). Ich mache für die jüngeren Leute um mich herum weiter. Ich weiß nicht, wie lange ich noch auftreten kann. Ich genieße es auf jeden Fall noch, und solange ich fit genug bin und die Gesundheit es zulässt, werde ich weitermachen, denn es ist eine Freude, die Lieder mit dem Publikum zu teilen. Aber ich bin alt!

Planen Sie ein neues Album?

Lees: Ja, wir haben einige Lieder auf Reserve. Wir machen die Musik im Moment nicht als Vollzeit-Job. Aber wir schreiben noch Songs . Gut möglich, dass bald noch etwas erscheint.

Welchen Rat geben Sie jungen Musikern mit auf den Weg?

Lees: Ich glaube der beste Rat, den ich einem Musiker mit auf den Weg geben kann, ist der, sich sein eigenes Publikum aufzubauen. Damit meine ich, dass man etwas Individuelles erschaffen sollte und daran so fest glaubt, dass man weiterhin auftritt, auch wenn nur eine Hand voll Leute zuguckt. Vor allem durch das Internet, ist die Mundpropaganda für Musik sehr wichtig geworden. Wenn du daran glaubst, was du machst, und wenn du etwas Wichtiges zu sagen hast, dann werden die Leute darüber reden. Und je mehr Leute über dich reden, je mehr kommen zu den Konzerten. Hingabe zur Musik ist das Wichtigste. Ich spüre diese Hingabe noch immer und arbeite immer weiter.

Barclay James Harvest tritt am Sonntag, 17. April, ab 20 Uhr im St. Wendeler Saalbau auf. Karten gibt's im Vorverkauf ab 35 Euro inklusive aller Gebühren (erhöhte Abendkassenpreise) in allen Servicezentren von Wochenspiegel/DieWoch und der Saarbrücker Zeitung sowie bei bekannten Vorverkaufsstellen, unter der Ticket-Hotline (06 51) 9 79 07 70 und im Internet unter www.kultopolis.com .

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