Ein Ende wurde zum Neuanfang

St Wendel · Vor 70 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Heimatforscher im Kreis wollen die Erinnerung an die Zeit des Schreckens wach halten. Denn viele Generationen wissen nicht mehr, was Krieg bedeutet. Auch in St. Wendel marschierten gegen Kriegsende die Amerikaner ein.

 Zehnte Panzerdivision des US-Militärs auf dem Weg nach Gronig. Fotos: National Archives, Collegepark, Maryland

Zehnte Panzerdivision des US-Militärs auf dem Weg nach Gronig. Fotos: National Archives, Collegepark, Maryland

Vor genau 70 Jahren, am 8. Mai 1945, wurde die bedingungslose Kapitulation des Dritten Reichs unterzeichnet. Der von Deutschland entfachte Krieg war beendet. Für die Menschen im St. Wendeler Land begann die neue Zeitrechnung knapp zwei Monate davor - mit dem Einmarsch amerikanischer Soldaten . Es war das Ende, das zu einem neuen Anfang wurde.

Generationen wissen heute nicht mehr, was Krieg bedeutet. Damit die Erinnerungen an damals nicht verblassen, beschäftigten sich Heimatforscher im Kreis mit dem Dritten Reich. "Es war das Ende, das ein Anfang war". So lautet der Titel des dritten Bands der Winterbacher Hefte, 1995 herausgegebenen von den Heimatfreunden Winterbach. Er dokumentiert die politische und gesellschaftliche Entwicklung des Orts vor und während des Krieges. Wie sich die Nazis etablierten und wie Bewohner den Einmarsch der amerikanischen Truppen am 18. März 1945 erlebten. Alban Braun (damals 17 Jahre) berichtet in dem Buch: "Vor dem Hintergrund vieler dramatischer Ereignisse des Zweiten Weltkrieges erscheint die Besetzung unseres Dorfes durch amerikanische Truppen nur wie eine Momentaufnahme aus dem routinemäßigen Vordringen der Alliierten im nördlichen Saarland." Von offizieller Seite seien die Winterbacher nicht über das Herannahen der Front unterrichtet worden. "In den Abendstunden des 17. März (1945) war jenseits des Schaumbergs das kurze, trockene Knallen von Panzergeschützen zu hören." Bei der Frühmesse am darauffolgenden Morgen musste Pater Willems seine Predigt unterbrechen, als die Geschosshülsen eines angreifenden Jagdbombers - damals Jabo genannt - auf das Kirchendach prasselten.

Am 18. März 1945 drangen Teile der 80. amerikanischen Infanteriedivision sowie der zehnten Panzerdivision in den heutigen Landkreis St. Wendel vor. Auf dem Weg von Bliesen nach St. Wendel wurden sie von deutscher Artillerie, die sich auf der Kuppe bei Rassiers Mühle verschanzten, angegriffen und erlitten Verluste, wie Regionalhistoriker Roland Geiger berichtet. Eigentliches Ziel war der Rhein. General George Smith Patton gab den Befehl, schnellstmöglich in Richtung Kaiserslautern vorzustoßen.

Die zehnte Panzerdivision umging St. Wendel über Namborn, während sich die Infanteristen auf den Einmarsch in die heutige Kreisstadt am 19. März vorbereiteten. Geiger: "Die Amerikaner erwarteten größeren Widerstand in St. Wendel ." Sie beschossen die Stadt mit Haubitzen . "Die Granaten schlugen willkürlich in der Stadt ein. Dabei starben im damaligen Schuhhaus Wagner in der Luisenstraße zwei Frauen, die sich während des Angriffs im Treppenhaus aufhielten." Ein weiteres ziviles Opfer starb Tags zuvor in Bliesen bei einem Unfall. Das Mädchen versteckte sich im Keller. Durch das Milchglasfenster konnte ein patrouillierender Soldat nur dessen Umrisse erkennen und schoss los.

Vom Durchmarsch der Amerikaner bis kurz vor St. Wendel existiert ein Film-Dokument. Es zeigt, wie die 80. Infanteriedivision am 18. März 1945 von Wadern über Primstal nach Bliesen vordrang. Es ist zu sehen, wie US-Truppen die deutsche Bevölkerung anweisen, Panzersperren zu räumen und endet mit einem Blick auf deutsche Kriegsgefangene, die abgeführt werden. Geiger hat das Zeitdokument über die Internetseite des National-Archivs in Collegepark im US-Bundesstaat Maryland (National Archives II) aufgespürt, sich zusenden und aufarbeiten lassen.

Der Saaler Heimatforscher Klaus Zimmer berichtet in seinem Artikel "Als es auf den Bahnhof Bomben regnete" (erschienen in "Die Nazis aus der Nähe", 2014, Seite 362 bis 376): "Im Gebiet um St. Wendel fanden nur einzelne Rückzugsgefechte statt, die das schnelle Vordringen der Amerikaner kaum beeinträchtigten. Der Volkssturm (ein propagandistischer Aufruf an alle waffenfähigen Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren, den Heimatboden zu verteidigen) sei nirgends in Erscheinung getreten. Laut Zimmer sei es im Gebiet des heutigen Landkreises, an den drei Tagen zwischen dem 17. und 19. März 1945, jedoch noch zu Kämpfen mit der Wehrmacht gekommen, die zirka 200 Todesopfer forderten. Die heftigsten Gefechte gab es in Kastel (34 gefallene Soldaten , ein Zivilist), Winterbach (22 gefallene Soldaten , sechs Zivilisten) und Dörrenbach (zehn gefallene Soldaten ).

Die amerikanische Militärverwaltung etablierte in den Kreisstädten je eine Militärverwaltung und ersetzte die Bürgermeister durch Personen ohne nationalsozialistische Vergangenheit. So folgte Josef Bruch am 24. März als kommissarischer Bürgermeister von St. Wendel auf Alfons Tholey. Beide gehörten, laut Zimmer, am 19. März zu einer Delegation von Bürgern der Stadt, die den Amerikanern im Ford V8 des Malermeisters Eduard Angel mit gehisster weißer Flagge an den Kasernen Richtung Winterbach entgegenfuhren.

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HintergrundRegionalhistoriker Roland Geiger hat in Gedenken an die Geschehnisse das Buch "Kriegszeiten - Sonderausgabe zum 70. Jahrestag des Einmarschs der Amerikaner ins St. Wendeler Land" herausgegeben. Es beinhaltet auf 172 Seiten 19 Texte von Historikern und Zeitzeugen. Darunter das Kriegstagebuch des amerikanischen Stadtkommandanten von St. Wendel , Captain Stanley R. Jacobs, vom April 1945 und Berichte aus britischer Gefangenschaft von Hans Colling. Das Buch kostet zwölf Euro und ist in der Buchhandlung Klein, dem Brunnenlädchen sowie bei Roland Geiger erhältlich. Klaus Zimmer arbeitet die Kriegsgeschehnisse im St. Wendeler Land in seinem Text "Als es auf den Bahnhof Bomben regnete" auf. Er ist in dem Buch "Die Nazis aus der Nähe - Im Mikrokosmos der Hitler-Diktatur, Spurensuche im St. Wendelener Land" erschienen. Der 2014 von Edition Schaumberg verlegte Band umfasst insgesamt 478 Seiten. Darin widmen sich Historiker in 37 Texten der Aufarbeitung der NS-Zeit vor allem auf der örtlichen und regionalen Ebene. Es ist im Buchhandel für 39,90 Euro erhältlich. "Die Amis kommen!" lautet der Titel einer 1995 herausgegebenen Dokumentation. Nach Ortschaften gegliedert liefern 65 Autoren Schilderungen zum Kriegsende in unserer Heimat. Das Buch wurde vom Landkreis St. Wendel herausgegeben und ist mittlerweile schon vergriffen. ame

 Zehnte Panzerdivision der Amerikaner hat den St. Wendeler Schlossplatz erobert.

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auf einen Blick Wer hat Erinnerungen an das Kriegsende und den Einmarsch der Amerikaner? Wir suchen Menschen, die aus ihrer Sicht von den Ereignissen berichten. Kontakt: St. Wendeler Redaktion: Tel. (0 68 51) 9 39 69 50, E-Mail: redwnd@sz-sb.de.

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