„Diskussionen tun der Gruppe gut“

St Wendel · Seit gut zwei Jahren kommen verstärkt Kriegsflüchtlinge aus Syrien im Landkreis St. Wendel an. Aber auch Menschen aus Ländern wie Afghanistan oder Eritrea verlassen ihre Heimat und wollen hier ein neues Leben beginnen. Dazu braucht es einige Voraussetzungen: Die deutsche Sprache muss erlernt werden. Die Neuankömmlinge sollen sich mit der Kultur auseinandersetzen. In einer Serie will die Saarbrücker Zeitung einen Einblick geben, wie es bei uns in Sachen Integration läuft. Heute geht es um den Vorbereitungskurs in St. Wendel, der die Flüchtlinge sprachlich fit machen soll.

 Lehrerin Lisa Holz beginnt neue Kurse zunächst mit einer allgemeinen Vorstellungsrunde. Foto: B&K

Lehrerin Lisa Holz beginnt neue Kurse zunächst mit einer allgemeinen Vorstellungsrunde. Foto: B&K

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"Ledig" - das Wort hat es den Männern und Frauen angetan. An diesem Nachmittag sitzen sie in einem schlichten Raum im Unternehmer- und Technologiezentrum (UTZ) und drücken die Schulbank. Lehrerin ist Lisa Holz . Die 28-Jährige arbeitet für den IBBV (Berufliche Integration, Beratung, Bildung, Vermittlung), den Träger dieses Vorbereitungskurses. Ihre Schüler sind Flüchltinge, die für den Integrationskurs fit gemacht werden sollen. Zwar läuft dieser Vorbereitungskurs zu diesem Zeitpunkt bereits seit zehn Tagen, aber es sind wieder einige Neulinge dabei.

Lisa Holz startet also zunächst eine Vorstellungsrunde. Die Erfahrenen legen los, verraten, wie sie heißen, woher sie kommen, ihr Alter, ihren Wohnort, Beruf und Familienstand. Und genau da wird gekichert, nachgefragt. Immer wieder wollen Teilnehmer wissen, wie dieses Wort heißt. "Ledig" eben.

Ledig sind nur einige Teilnehmer, die in St. Wendel , Marpingen, Tholey und Winterbach wohnen. Das macht die Vorstellungsrunde deutlich. Die meisten sind verheiratet, haben Kinder. Ein Syrer sorgt mit seiner Aussage für ein Raunen im Raum - er hat neun Kinder. Das Vorstellen klappt gut. So gut, dass die Lehrerin den Erfahrenen den Auftrag gibt, den Neuen zu helfen, sich vorzustellen. "Ich war sehr überrascht, wie gut das klappt", sagt Holz . Und meint damit nicht nur die Vorstellungsrunde, sondern den ganzen Kurs. Es gehe sehr schnell voran. Das Vorstellen stehe erst einmal im Vordergrund. "Das ist es doch, wofür wir uns interessieren", spricht die Lehrerin aus Bous den Alltag an. Vokabeln lernen und mit jedem Tag etwas mehr von sich preisgeben - das sei das Ziel. Vielleicht hört Holz in den nächsten Tagen etwas über die Liebslingsessen der 20 Teilnehmer oder über die Geschwister.

"Ich nehme die Geschichten mit nach Hause", erzählt die 28-Jährige. Die Schicksale lassen sie nicht los. Aber auch die andere Mentalität. So habe ein Teilnehmer von seinen zwei Frauen erzählt. Und das sei völlig normal. Aber nicht bei jedem der Syrer im Kurs. Holz : "An der Reaktion im Raum hab ich gemerkt, dass das nicht überall so üblich ist."

Holz findet es toll, eine relativ gemischte Gruppe zu haben. Zwar kommen alle Teilnehmer aus Syrien. Aber die Altersstruktur ist gemischt. Außerdem sind einige Frauen dabei, an diesem Tag in den Ferien haben sie sogar ihre Kinder mitgebracht. Da komme es auch mal zu Konflikten, zu Diskussionen. Das tue der Gruppe gut. Bei den Frauen habe sie bemerkt, dass diese oft schüchterner seien, leise reden und auch immer mal wieder die Männer etwas in ihrer Muttersprache fragen.

Im Kurs wird Englisch gesprochen. Und Deutsch. Holz spricht weder Arabisch noch Kurdisch. Bei Bedarf helfen die fortgeschrittenen Teilnehmer aus. Sie übersetzen aus dem Englischen. "Einige sprechen sehr gut Englisch", sagt Holz . Kennt aber auch den gegenteiligen Fall: "Es gibt Teilnehmer, die können in Arabisch nicht schreiben." Da sei das Lernen schwierig. Die Teilnehmer sagten sich die Worte immer und immer wieder selbst vor, oder sie malen sie auf. Aber: "Bei Verben ist das schwierig."

Über dreieinhalb Monate erstreckt sich dieser Vorbereitungskurs. Von Montag bis Donnerstag stehen fünf Stunden Sprach-Training täglich auf dem Programm. "Das ist unglaublich lang", sagt Holz . Dennoch sei der Eifer ungebrochen, hat Holz bemerkt. Im Buch "Deutsch im Alltag", das jeder Teilnehmer bekommen hat, können sie zu Hause üben. Und ihre Vokabeln lernen. Holz merkt am nächsten Tag schnell, wer zu Hause viel gemacht hat. Frauen mit Kindern hätten es dabei schwer. Schließlich haben sie am Abend den Haushalt zu schmeißen und den Nachwuchs zu versorgen. Deutlich besser haben es da die Ledigen.

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