Die Nazi-Zeit im St. Wendeler Land

St Wendel · Das, was während der Nazi-Zeit im St. Wendeler Land passiert ist, erforschen drei Schülergruppen von drei verschiedenen Schulen aus dem St. Wendeler Land. Aber auch, was Kriege allgemein anrichten ist Thema.

 Schüler der Gemeinschaftsschule Türkismühle während der Gedenkveranstaltung 2016. Fotos: B&K

Schüler der Gemeinschaftsschule Türkismühle während der Gedenkveranstaltung 2016. Fotos: B&K

Margot Gisch war 18 Jahre, als sie flüchten musste. Aufgewachsen ist sie in Danzig, war dort Kindermädchen, bis 1945 in einer Fabrik beschäftigt. Als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, mussten sie, wie viele Deutsche, die nun polnisch gewordene Stadt verlassen. Gisch kam zunächst in die Nähe von Leipzig, dann, 1948, nach Hirstein. Hier starb sie 2014. Ihre Enkelin Michelle Müller hat den Lebensweg ihrer Oma nachgezeichnet: "Mich hat interessiert, den Nationalsozialismus aus einer anderen Perspektive als im Geschichtsunterricht zu bearbeiten." Möglich ist dies im Seminarfach "Spuren von Krieg und Faschismus im St. Wendeler Land" am Cusanus-Gymnasium, das die 18-Jährige besucht. "Die Idee ist es, Grundlagenarbeit als Form der persönlichen Auseinandersetzung mit Geschichte zu machen, dabei die schrecklichen Auswirkungen von Kriegen aufzuzeigen", erläutert Matthias Hans, der das Fach leitet.

Dazu erfassen die Schüler unter anderem Kriegsspuren im Landkreis; versuchen, Schicksalen von Soldaten und Zivilisten nachzuspüren. Wie jenes von Margot Gisch. Auf ein Einzelschicksal ist auch die Projektgruppe "Wendalinum wider das Vergessen" gestoßen - und zwar auf jenes von Fritz Berl. Der 16-Jährige wurde 1938 von ihrer Schule verwiesen, floh nach Palästina. Weil er Jude war. "Unsere Arbeit soll zeigen, dass es auch heute noch wichtig ist, die Erinnerung an die oftmals zu Nummern degradierten Opfern der NS-Zeit wachzuhalten und ihnen wieder einen Namen sowie ein Gesicht zu geben", sagt Rafael Groß, Lehrer am Wendalinum, der aus der Projektgruppe ein Seminarfach machte. Seine Schüler nahmen Kontakt zu Nachkommen Fritz Berls auf, reisten nach Israel. Und beschäftigen sich intensiv mit dem, was während der Nazi-Zeit im St. Wendeler Land passiert ist.

"Das, was damals geschehen ist, ist so schrecklich, dass man es sich gar nicht mehr vorstellen kann. Sowas darf nie wieder vorkommen. Daher müssen gerade Jugendliche, die für die Zukunft verantwortlich sind, daran erinnert werden", sagt Wendalinum-Schüler Jacob Brill. "Ich denke, dass es notwendig ist, zu zeigen, zu was Hass, Ausgrenzung und Gewalt führen können. Meist sind es Vorurteile, die dazu führen, dass man andere Menschen ausgrenzt. Das ist heute noch genauso", betont die 18-jährige Sandy Scherer. Sie besucht die Gemeinschaftsschule in Türkismühle und ist in der Stolperstein-AG aktiv. Die AG beschäftigt sich mit verschiedenen Kulturen und Religionen, erforscht Spuren des jüdischen Lebens in der Gemeinde Nohfelden. Daraus ist unter anderem eine Ausstellung entstanden, zudem eine eigene Internetseite. Jörg Friedrich, Lehrer in Türkismühle und AG-Leiter: "Durch die Erinnerung an das dunkelste Kapitel unserer Geschichte wollen wir zeigen, zu was Rechtsextremismus und Antisemitismus führen können, und gleichzeitig die Bedeutung demokratischer Werte für unser Zusammenleben betonen."

Die Geschichte aufarbeiten, daraus Lehren ziehen. Dies eint die Schüler dreier Schulen. Sich mit Schicksalen aus der Region auseinandersetzen, persönliche Bezüge herstellen. Damit es nicht vergessen wird, damit Derartiges nie wieder geschehe. Und: persönlich Lehren ziehen. Marvin Hoffmann, Schüler am Cusanus-Gymnasium: "Das Meiste, was man vom Nationalsozialismus kannte, war weit weg. Heute weiß ich, dass es vor Ort genauso schlimm war."

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 Schüler des Wendalinums bei der Gedenkveranstaltung 2015.

Schüler des Wendalinums bei der Gedenkveranstaltung 2015.

Auf einen Blick Zentrale Gedenkveranstaltung des Landkreises St. Wendel zum internationalen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus am Freitag, 27. Januar, 19 Uhr, Cusanus-Gymnasium in St. Wendel . Programm: Gerhard Koepke "Das Dritte Reich und die evangelische Kirche - regionale Perspektive"; Vorstellung der Arbeit des Seminarfachs "Spuren von Krieg und Faschismus im St. Wendeler Land"; Musik: Schüler und Chor des Cusanus-Gymnasiums. Moderation: Bernhard W. Planz. Der Eintritt ist frei. red

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