„Die Erinnerung ist der beste Lehrer“

St Wendel · Der „Verein zur Förderung demokratischer Traditionen“ ehrte nun im Adolf-Bender-Zentrum St. Wendel Doris Deutsch, Helmut Becker und Horst Bernard. Als Dank erhielten sie Urkunden und Blumensträuße.

 Bei der Mitgliederversammlung im Adolf-Bender-Zentrum ehrten der Geschäftsführer des „Vereins zur Förderung demokratischer Traditionen“, Willi Portz (Vierter von links) sowie der Vorsitzende Armin Lang (Dritter von rechts) Horst Bernard, Doris Deutsch und Helmut Becker. Fotos: Eva Backes

Bei der Mitgliederversammlung im Adolf-Bender-Zentrum ehrten der Geschäftsführer des „Vereins zur Förderung demokratischer Traditionen“, Willi Portz (Vierter von links) sowie der Vorsitzende Armin Lang (Dritter von rechts) Horst Bernard, Doris Deutsch und Helmut Becker. Fotos: Eva Backes

 Stefanie Hennrich (hinten) vom „Verein zur Förderung demokratischer Traditionen“ singt mit ihrer Mutter Marianne Becker (vorne am Klavier) „Die Moorsoldaten“.

Stefanie Hennrich (hinten) vom „Verein zur Förderung demokratischer Traditionen“ singt mit ihrer Mutter Marianne Becker (vorne am Klavier) „Die Moorsoldaten“.

"Die Erinnerung ist der beste Lehrer . Danke, dass ihr uns seit Jahren tatkräftig unterstützt und mit euren Erzählungen die Geschichte wach haltet. Es ist wichtig, dass so etwas wie in den Zeiten des Nationalsozialismus nie wieder passiert", lobt der Vorsitzende des "Vereins zur Förderung demokratischer Traditionen", Armin Lang, die Arbeit der drei Ehrengäste Doris Deutsch, Helmut Becker und Horst Bernard. In der außerordentlichen Mitgliederversammlung im Adolf-Bender-Zentrum St. Wendel überreicht er ihnen Urkunden und Blumensträuße. Alle drei haben teilweise selbst, teilweise durch Ehepartner oder Eltern die schlimmen Begebenheiten des Nationalsozialismus miterlebt oder mitgefühlt und berichten in Zeitzeugenveranstaltungen und in Schulen darüber.

Doris Deutsch, 1937 geboren, ist die Ehefrau Alex Deutschs. Alex Deutsch, 1913 geboren, war ein Gefangener im KZ Auschwitz und Aufklärer gegen den Nationalsozialismus. 1986 erhielt er das Verdienstkreuz am Bande, 2002 den Saarländische Verdienstorden, 2007 das Verdienstkreuz erster Klasse. In Begleitung seiner Frau erzählte er in Schulen von seinen Erlebnissen. Kurz vor seinem Tod 2011 bat er seine Frau darum, seine Geschichten weiterzutragen und dafür zu sorgen, dass die Abscheulichkeiten des Zweiten Weltkriegs nie in Vergessenheit geraten. "Ich mache es gerne und würde mir sogar wünschen, dass es noch mehr Veranstaltungen werden", fordert Doris Deutsch. Es habe sie immer berührt, dass auch die Jugend noch sehr betroffen ist. "Selbst nachdem Alex fertig gesprochen hat, haben sie noch sehr viel nachgefragt", so Deutsch. "Viele können sich einfach nicht vorstellen, welche Grausamkeiten es damals gegeben hat", berichtet die 77-Jährige.

"Auch anhand der Geschichte Helmut Beckers lässt sich die Perversion und Barbarei des Nationalsozialismus verdeutlichen", leitet Armin Lang über. Helmut Becker, 1926 geboren, war in seiner Jugend gelernter Goldschmied und gleichzeitig begabter Skispringer. Daher war er zu einer Meisterschaft nach Oberstaufen eingeladen. Weil er seinen Urlaub zur Teilnahme an dieser Sportmeisterschaft jedoch überzogen hatte, wurde er von der Gestapo gesucht und in das Jugend-KZ Moringen gebracht. Er leistete dort in verschiedenen Kommandos Zwangsarbeit. Nach seiner Entlassung kam er in ein Strafbatallion. Er geriet in Gefangenschaft und verbrachte mehrere Jahre in Kriegsgefangenenlagern in England und den USA. "Er ist jemand, der hautnah miterlebt hat, was es heißt, nicht mehr in der Volksgemeinschaft zu sein", so Willi Portz, Geschäftsführer des "Vereins zur Förderung demokratischer Traditionen". Nach seiner Gefangenschaft in den USA war er schließlich einer der wenigen die einen "Kurs zur demokratischen Umschulung" besuchten. "Wir waren ja damals alle in der Hitlerjugend und wussten noch nicht einmal, was Demokratie ist. In dem Kurs erklärte man uns erst einmal alles, was damit zu tun hat", erzählt Becker.

Nach all den Berichten aus der Kriegszeit herrscht Schweigen im Saal des Adolf-Bender-Zentrums. Die rund 25 Besucher wirken betroffen. Auch Filmbeiträge, die die Arbeit von Doris Deutsch und Helmut Becker dokumentieren und musikalische Beiträge von Stefanie Hennrich und Marianne Becker wie beispielsweise "Die Moorsoldaten" stimmen nachdenklich.

"Wir wollen mit Zeitzeugenveranstaltungen bewirken, dass die Menschen nicht nur mit dem Kopf wahrnehmen, sondern auch mit dem Bauch. Dass sie die Betroffenheit merken", erklärt Armin Lang. Dem stimmt auch Horst Bernard zu. Er ist Landesvorsitzender der "Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes - Bund der Antifaschisten Saar" und will Menschen mit Führungen im ehemaligen KZ Natzweiler-Struthof und dem ehemaligen Gestapo-Lager Neue Bremm in Saarbrücken wachrütteln. Er selbst, 1932 geboren, erlebte als Kleinkind den Zweiten Weltkrieg. Seine Eltern mussten nach der Saarabstimmung im Januar 1935 nach Südfrankreich flüchten. Dort erlebte er die Entbehrungen in der Zeit der Flucht. Nach dem Krieg kehrte die Familie nach Saarbrücken zurück.

"Ich habe mich oft gefragt, was ich in Sachen Erinnerungen bieten kann im Vergleich zu jemandem, der den Krieg selbst viel mehr mitbekommen hat als ich. Aber ich weiß auch einiges aus den Schilderungen meiner Eltern. Und es ist einfach wichtig, dass so etwas nie wieder passieren darf", fasst Bernard die Ehrungsveranstaltung zusammen.

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