Gottesdienst wider Nazi-Grauen Dialogpredigt gegen das Vergessen

St. Wendel · In der evangelischen Stadtkirche und in Niederlinxweiler stehen Veranstaltungen an.

 Auch in St. Wendel stand eine Synagoge. Das Foto zeigt eine Zeichnung des Malers F. W. Leismann, der das einstige jüdische Gotteshaus auf Papier verewigt hat. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge von SA- und SS-Männern geplündert und angezündet. Einige Tage nach der Reichskristallnacht rissen städtische Arbeiter die Brandruine ab. Die Stadt St. Wendel kaufte am 1. Oktober 1942 von der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland das Grundstück, wobei die Abbruchkosten vom Kaufpreis abgezogen wurden, berichten Aufzeichnungen.

Auch in St. Wendel stand eine Synagoge. Das Foto zeigt eine Zeichnung des Malers F. W. Leismann, der das einstige jüdische Gotteshaus auf Papier verewigt hat. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge von SA- und SS-Männern geplündert und angezündet. Einige Tage nach der Reichskristallnacht rissen städtische Arbeiter die Brandruine ab. Die Stadt St. Wendel kaufte am 1. Oktober 1942 von der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland das Grundstück, wobei die Abbruchkosten vom Kaufpreis abgezogen wurden, berichten Aufzeichnungen.

Foto: F. W. Leismann

„Wir leben in Zeiten, in denen jüdische Mitbürger sich nicht mehr trauen, mit ihrer Kippa auf die Straße zu gehen – hier in Deutschland“, kritisiert Hartmut König. „Das darf doch einfach nicht sein. Wissen die Leute nicht mehr, was hier einmal geschehen ist? Es darf nicht vergessen werden! Wir müssen uns erinnern, damit es nicht noch mal so weit kommen kann!“ Es, damit ist die Nazi-Zeit mit all ihrem Grauen gemeint. Und damit die nicht wiederaufersteht, laden er, Hartmut König, und Pfarrer Gabriel Schäfer die Bevölkerung zur Dialogpredigt. Deren Leitspruch lautet: „Vergiss nicht, was du gesehen und gehört hast!“ Ort des Geschehens ist am Sonntag, 12. Januar, die evangelische Stadtkirche in St. Wendel. Beginn der Dialogpredigt ist um 10 Uhr. Tags zuvor, also am Samstag, 11. Januar, wird in der evangelischen Kirche in Niederlinxweiler ebenfalls zu einer Dilaogpredigt geladen. Hier geht es um 18 Uhr los.

Mitorganisator Hartmut König ist praktisch selbst betroffen, denn sein Großvater sei Jude gewesen. Er selbst ist es demnach zu einem Viertel. „Auf dieses Viertel bin ich sehr stolz“, betont er. König wuchs nach eigenen Angaben mit christlichen und jüdischen Werten, Feiertagen und Festen auf. Sein Großvater habe die Nazi-Zeit und den Zweiten Weltkrieg nur knapp überlebt. In Holland habe er in einem Haus Unterschlupf gefunden, in dessen Nachbarschaft sich Anne Frank mit ihrer Familie versteckte.

Königs Großvater sei sein Vorbild gewesen, ein stolzer, bedachter Mann, der ihn vieles gelehrt habe, was er noch heute sehr schätze. König erzählt, dass es ihn schmerze, dass antisemitisemitisches Denken und Rechtsextremismus zunehme und in manchen Kreisen wieder hoffähig werde. Der Anschlag von Halle im Oktober 2019 zeige, wie groß die Gefahr ist, die von gewaltbereiten Antisemiten und Rechtsextremisten ausgeht. König will nicht mehr nur zuschauen und bedauern, was geschieht. Er will reden, erklären, berichten. „Wir müssen uns vor Augen halten, wie schrecklich es einmal war. Das kann doch keiner mehr wollen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Fremdenhass und Rechtsextremismus weiter zunehmen!“

Die Dialogpredigt gegen das Vergessen wird laut Gabi Koepke von der evangelischen Gesamtkirchengemeinde St. Wendel von Pfarrer Schäfer und seiner Konfirmandengruppe vorbereitet. Die Konfirmanden werden den Gottesdienst demnach mit ihren Gedanken zum Thema „Angst um den Frieden“ eröffnen. Später wird Hartmut König über seine persönlichen Erfahrungen und die seines Großvaters berichten. Für den 77-jährigen evangelischen Diakon im Ruhestand steht das gesamte Jahr 2020 unter dem Grundsatz des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus – dieses Jahr jährt sich die Befreiung der Gefangenen aus dem Konzentrationslager Auschwitz zum 75. Mal. „Der Nationalsozialismus und der durch ihn ausgelöste Zweite Weltkrieg mit seinen Gräueltaten wird für alle Zeit der Schandfleck in der deutschen Geschichte sein.“

Die Zeitzeugen werden weniger, aber König appelliert an alle, die dabei waren, alle, die die Geschichten gehört und gelesen haben, alle, die ihm zuhören werden: „Vergiss nicht, was du gesehen und gehört hast!“

Die gesamte Bevölkerung ist geladen, einen der beiden Gottesdienste zu besuchen und an den Gedanken von Pfarrer Schäfer, seiner Konfirmandengruppe und Hartmut König teilzuhaben.

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