Dichterwettstreit in der Mott Ein neues Genre erobert St. Wendel

St. Wendel · Erster St. Wendeler Poetry Slam lockte in der Vor-Corona-Zeit 60 Besucher in die Stadt- und Kreisbibliothek.

 Vor den Veranstaltungsstopp wegen Corona: Das Publikum beim Peotry Slam-Wettbewerb ging ordentlich mit.

Vor den Veranstaltungsstopp wegen Corona: Das Publikum beim Peotry Slam-Wettbewerb ging ordentlich mit.

Foto: Bonenberger/Stadt St. Wendel

Der 43-jährige Zweibrücker Autor Mark Heydrich, der seit 1999 in Saarbrücken lebt und die 17-jährige Schülerin Anna Luca Ames aus Schwalbach gehörten zum Teilnehmerfeld des ersten St. Wendeler Poetry Slams. Dieser fand Anfang März im Mia-Münster-Haus vor etwa 60 Zuschauern statt. Den literarischen Dichterwettsterit organisiert hatte Saarlandmeister Johannes Warnke, unterstützt wurde er von der Stadt- und Kreisbibliothek. Unter den acht Slammern, die in der Mott am Start waren, belegte Mark Heydrich den zweiten Platz, Anna Luca Ames ging gar als Siegerin aus dem Wettbewerb mit selbst verfassten Texten hervor. Der SZ standen die beiden telefonisch Rede und Antwort.

Wie sind Sie zum Poetry Slam gekommen?

Heydrich: Ich bin durchs Musikmachen zum Schreiben gekommen, 1998 gab es erste Lesungen zusammen mit einem Freund, seit 2001 mache ich Poetry Slam. Damals fand im Café „Ubu Roi“ in Saarbrücken der erste saarländische Poetry Slam statt. Da habe ich teilgenommen, als einer von etwa 15 Leuten und gleich gewonnen. Das war für mich der Initialzünder, danach habe ich regelmäßig an Slams teilgenommen. Vorher habe ich eigene Texte geschrieben, hatte da einen Text, der mir für eine solche Veranstaltung passend schien.

Ames: Ich habe durch Zufall von einem Poetry Slam erfahren, weil das gerade eine stark wachsende Community ist. Allerdings habe ich schon immer geschrieben, bin eine sehr kreative Person, das gehört einfach zu meinem Leben. Ich habe mich dann vor einem Jahr spontan in Trier zu einem Wettbewerb angemeldet, mit gerade einmal 16 Jahren. Dann habe ich dort als Feature, so nennt man das, wenn man außerhalb des Wettbewerbes mitmacht, einen Text vorgetragen und sehr viel positive Rückmeldung bekommen und gemerkt, das ist etwas, was ich gerne beibehalten will. Ich habe in Heidelberg an meinem ersten Poetry Slam teilgenommen und war beeindruckt von der Stimmung sowohl Backstage als auch auf der Bühne. Zu meiner Überraschung konnte ich den Slam sogar gewinnen.

Was begeistert sie gerade an diesem Genre?

Ames: Es gibt ganz viele unterschiedliche Menschen beim Poetry Slam sowohl im Publikum als auch unter den Künstlern und alle finden die Verbindung im Wort. Natürlich habe ich schon viel Erfahrung im Schreiben von Texten, aber es wird auch jeder willkommen geheißen. Es ist genau das, was mir liegt und auch gefällt. Ich genieße vor allem die Freiheit dieser Kunstform. Bei der Themenwahl gibt es keinerlei Einschränkungen. Ich versuche den Zuhörern die gleiche

Freiheit, die ich im Poetry Slam empfinde, weiterzugeben. Man kann sich wunderbar über die verschiedenen Kunstarten und Performances austauschen und ist Teil einer Community. Poetry Slam ist für mich, auf einer Bühne, vor einem völlig fremden Publikum stehen und das Gefühl haben, wir kennen uns alle beim Nachhausegehen.

Heydrich: Es ist sehr unmittelbar. Man schreibt einen Text, geht auf die Bühne, performt den und hat sofort eine Reaktion vom Publikum. Das hält mich als Schreiber in Produktion, im Prozess, da ich bei jedem Slam was Neues bringen will.

Wie hat sich die Szene im Saarland entwickelt?

Heydrich: Sehr positiv, es gibt jetzt ein paar feste Größen, die das Ganze regelmäßig betreiben. Es gibt Poetry Slams außerhalb Saarbrückens, in Wadern, Blieskastel oder auch St. Wendel oder solche, die speziell für unter 20Jährige angeboten werden. Die Szene wächst, was ich sehr schön finde. Wir haben jetzt auch einige lokale Schriftsteller, die das Genre ernsthaft betreiben.

Ames: Innerhalb des Jahres, in dem ich jetzt dabei bin, hat sich viel getan. Da wäre vor allem der Dichterdschungel (ein Zusammenschluss von Künstlern in Saarbrücken), der ganz viele Poetry Slams organisiert. Ich bin sehr stolz, Teil des Dichterdschungels und damit der „Slamily“ zu sein.

Wie hat Ihnen der erste St.Wendeler Poetry Slam im Mia-Münster-Haus gefallen?

Ames: Das St. Wendeler Publikum und die Veranstalter haben mich sehr begeistert, ess war ein sehr schöner Slam. Die Zuschauer haben mir meine bisher beste Wertung gegeben. Und zusätzlich gab es einen Buchgutschein, den man natürlich sehr gut gebrauchen kann. Und zu gewinnen ist immer etwas Besonderes, zumal ich bisher auf jedem Slam die Jüngste war.

Heydrich: Die Veranstaltung hat mir gut gefallen, sehr aufmerksames Publikum, hervorragende Stimmung. Es war ein sehr schöner Slam in einer Gegend, in die ich nicht so häufig komme.

Worum geht es in Ihren Texten?

Heydrich: Das ist ganz unterschiedlich, es geht um alltägliche Sachen, um Liebe, Beziehung, zwischenmenschliche Probleme oder Begebenheiten. Im Moment nähere ich mich gerne verschiedenen Gegenständen an, einer Rolle Panzerband oder auch Moos. Ich schnappe mir etwas und nähere mich dem poetisch an. Vor zehn Jahren habe ich noch kleine Kurzgeschichten mit Dialogen vorgetragen, das mache ich heute gar nicht mehr.

Ames: Mein Alleinstellungsmerkmal ist, dass ich den Zuhörern ganz viel Platz für Eigeninterpretation lasse, ich arbeite viel mit Metaphern, male offene Bilder. Es macht mir Spaß, das Publikum für gesellschaftlich wichtige Themen zu sensibilisieren. Mein Text „Schokokuss“ handelt beispielsweise von einer Liebesgeschichte eines Autisten. Ich spreche jeden an, beziehe aber die Randgruppen mit ein.

Wie gehen Sie mit der derzeitigen Situation um, wo alle Veranstaltungen aufgrund der Corona-Krise abgesagt wurden?

Ames: Das ist natürlich schade, aber man kann die Zeit auch gut nutzen, um neue Texte zu schreiben.

Heydrich: Das ist eine sehr schwierige Situation, allerdings für unsere ganze Gesellschaft.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Ames: Ich möchte auf jeden Fall dabei bleiben, aber ich habe auch neue Projekte, mache Musik, bin Singer-Songwriterin. Seit meinem vierten Lebensjahr spiele ich Klavier und begleite meine Songs derzeit auch auf der Ukulele. Meine Liebe zum geschriebenen Wort kann ich sowohl für Poetry Slams als auch für die Musik nutzen. Auf jeden Fall will ich mich weiterhin auf unterschiedlichste Art in der Künstlerszene bewegen.

Heydrich: Ich werde weiterhin Texte schreiben und bei Poetry Slams mitmachen. Eigentlich war noch ein neues Buch geplant. Ob das - wo wir uns gerade mitten in einer Krise befinden - dieses Jahr erscheinen wird, ist allerdings fraglich.

 Mark Heydrich sicherte sich den zweiten Platz beim Wettbewerb im Mia-Münster-Haus.

Mark Heydrich sicherte sich den zweiten Platz beim Wettbewerb im Mia-Münster-Haus.

Foto: Bonenberger/Stadt St. Wendel
 Wortgewandt: Anna Luca Ames entschied den ersten St. Wendeler Poetry Slam für sich.

Wortgewandt: Anna Luca Ames entschied den ersten St. Wendeler Poetry Slam für sich.

Foto: Bonenberger/Stadt St. Wendel
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