St. Wendeler Wirtschaftstag „Sind Sie schon mal probegestorben?“
St. Wendel · Beim 27. St. Wendeler Wirtschaftstag darf nach sieben Jahren wieder eine Frau referieren. Unternehmensberaterin Birgit Felden spricht zum Thema „Generationenmanagement und Nachfolge“.
Seit 26 Jahren organisieren der Landkreis und die Kreissparkasse den St. Wendeler Wirtschaftstag. Jedes Jahr gibt es einen Hauptredner, 1992 zum Auftakt sind es sogar zwei. Die Liste der Redner ist lang. Lothar Späth steht drauf, auch Paul Kirchhof, und ebenso Joachim Gauck. Frauen dagegen sind für die Referenten-Rolle lange nicht vorgesehen. Sie dürfen lediglich im Publikum sitzen, zuhören und applaudieren. Erst 2011 ändert sich das, bei der 20. Auflage; zu Gast ist da Anne M. Schüller. Anschließend dürfen Frauen wieder lange warten. Bis 2018 Birgit Felden eine Einladung erhält.
Felden ist Wirtschaftswissenschaftlerin und Unternehmensberaterin. Sie ist viel unterwegs, arbeitet in Köln und Berlin. Vor ihrem Auftritt am Montagabend im Saalbau war sie in New York. In St. Wendel sei sie noch nie gewesen, gesteht sie zu Beginn und verweist dann auf einen anderen Saarland-Bezug: „Mein Freundeskreis besteht aus vielen Saarländern.“
Felden spricht vor rund 370 Zuhörern. Ihr Thema lautet „Generationenmanagement und Nachfolge“. Es geht darum, heute schon an morgen zu denken, vorzusorgen und den Übergang von einer Generation zur nächsten zu schaffen. Und zwar nicht nur in Unternehmen, sondern auch privat. Das sei eine Herausforderung für jede Familie, sagt Felden. Das Thema sei unangenehm, denn: „Es hat mit Älterwerden zu tun, mit Loslassen, mit Machtverlust.“ Nur die wenigsten könnten damit umgehen.
Das lässt sich auch im Kreis St. Wendel beobachten. „Wir haben viele kleine und mittelständische Unternehmen“, sagt Landrat Udo Recktenwald (CDU). Das sei einerseits gut, weil solche Betriebe krisenfester seien. Die Schwierigkeit bestehe aber darin, dass viele dieser Unternehmen noch Nachfolger finden müssten. Und dies gelingt in der Region längst nicht allen, wie Klaus-Dieter Schmitt in seiner täglichen Arbeit als Vorstand der Kreissparkasse St. Wendel beobachtet. Seine eigene Nachfolge ist derweil bereits geregelt: Wenn Schmitt zum 1. Juli dieses Jahres in den Ruhestand geht, übernimmt für ihn Dirk Hoffmann (die SZ berichtete).
Felden macht in ihrem Vortrag deutlich: Oft werden aus Kleinigkeiten große Probleme. Etwa dann, wenn nur einer den Schlüssel zum Betrieb hat. Oder nur einer ein wichtiges Passwort kennt. Oder das wichtige Rezept nur im Kopf des Chefs ist. Solche „Geheimnisse“ sollten, sagt Felden, rechtzeitig weitergegeben werden.
„Sind Sie schon mal probegestorben?“, fragt die Professorin in ihrem Vortrag. Viele im Auditorium sind überrascht, manche irritiert, kurzzeitig erschrocken. Sie weiß um die Wirkung dieser Frage. Ihre Zuhörer sollen darüber nachdenken, wie es liefe, wenn sie in ihrem Unternehmen mal zwei Monate fehlten – oder im privaten Umfeld. „Sie werden positive und negative Erfahrungen machen“, prognostiziert Felden.
Eines ihrer Anliegen ist: Aufzeigen, dass ihr Thema viele Bereiche betrifft. „Auch der Politik täte die Beschäftigung mit Generationenmanagement gut“, sagt sie mit Blick auf die vielen Politiker, die zu lange an ihren Posten kleben.
Unternehmern rät Felden, sich gut auf die Übergabe vorzubereiten und sich zum Beispiel zu fragen, wer am besten für die Nachfolge geeignet sei: Wirklich der Sohn, wie die meisten zunächst denken? Oder eher die Tochter? Oder gar ein Mitarbeiter? Und: Wichtig sei auch, sich frühzeitig mit der Übergabe auseinanderzusetzen – und nicht erst kurz vor dem 65. Geburtstag. Drei bis fünf Jahre benötige man in der Regel für einen guten Übergang.
Felden versucht, ihr Publikum nicht mit zu viel Unternehmensberatersprech („Vermögensmanagement“) zu irritieren, sondern lieber praktische Tipps zu geben. Beispielsweise rät sie, sich über Patientenverfügungen zu informieren. Oder sich einen Notfall-Ordner mit wichtigen Unterlagen anzulegen, um diese immer griffbereit zu haben.
An einigen Stellen des Vortrages wird allerdings deutlich: Wer wenig oder überhaupt nichts besitzt, dem wird auch ein gutes „Generationenmanagement“ kaum helfen. Etwa, wenn es um das Thema Erben geht. Oder um Altersvorsorge. Oder um „steuerliche Optimierung des Gesamtvermögens“.
Und dass sich vor allem im privaten Umfeld längst nicht alles regeln, planen und managen lässt, zeigen auch Feldens Beispiele. Oft kommt einem nämlich das Leben dazwischen. In einem Fall wollte jemand seine Zukunft „managen“, aber zunächst noch schnell in den Urlaub fahren. Er kam nicht mehr zurück.