Beim Kaffee ins Gespräch kommen

St Wendel · Seit gut zwei Jahren kommen verstärkt Kriegsflüchtlinge aus Syrien im Landkreis St. Wendel an. Aber auch Menschen aus Ländern wie Afghanistan oder Eritrea verlassen ihre Heimat und wollen hier ein neues Leben beginnen. Dazu braucht es einige Voraussetzungen: Die deutsche Sprache muss erlernt, sich mit der Kultur auseinandergesetzt werden. In einer Serie will die Saarbrücker Zeitung einen Einblick geben, wie es hier in Sachen Integration läuft. Heute: Zum Besuch im neuen St. Wendeler Café Miteinander.

 Café Miteinander: Leiterin Ghedem Tesfaghergish (links) und Yohsalem Amanuel (rechts) schenken den frisch gebrühten Kaffee an die Gäste aus. Foto: Bonenberger & Klos

Café Miteinander: Leiterin Ghedem Tesfaghergish (links) und Yohsalem Amanuel (rechts) schenken den frisch gebrühten Kaffee an die Gäste aus. Foto: Bonenberger & Klos

Foto: Bonenberger & Klos

Ein fröhliches Gewirr aus Stimmen schwebt durch den Raum. Einzelne Worte, Sprachen sind nicht auszumachen. Die Menschen sitzen zusammen, essen, trinken. Dann richten sich ihre Blicke auf zwei niedrige kleine Tische , die vor einer Theke aufgebaut sind. Auf dem einen stehen Espresso-Tässchen und eine Kanne aus braunem Ton, die Fläche des anderen wird komplett von einer Gasplatte abgedeckt. Alles ist für die Kaffeezeremonie im Café Miteinander vorbereitet.

Seit mehr als einem Monat dient der helle Raum in der Josefstraße 12 als Ort der Begegnung. Flüchtlinge und Einheimische sollen hier ins Gespräch kommen, voneinander lernen. Ghedem Tesfaghergish vom Caritasverband Schaumberg-Blies leitet den Treff. Sie wirft sich eine Strähne ihres geflochtenen, langen schwarzen Haares über die Schulter und greift zum Mikrofon. "Sie sehen jetzt die typische Art, wie in Eritrea Kaffee geröstet wird." Yohsalem Amanuel im festlichen Kleid und goldenem Kopfschmuck, der leicht in die Stirn fällt, setzt sich hinter die kleinen Tische . In einem silberfarbenen Topf sind grüne Kaffeebohnen, die nun gemächlich über der Gasflamme geröstet werden. "Der Kaffee kommt anschließend in einen Pott mit Wasser", erklärt Tesfaghergish. Dann ginge die Kanne reihum an die Gäste. Ist sie leer, wird noch einmal Wasser nachgegossen. Vier Gänge seien so möglich.

Rauch steigt aus der Pfanne auf, und Röstaromen dringen durch den Raum. Etwas später werden die ersten Tässchen an die Gäste verteilt. Doch Kaffee ist nicht alles, was geboten wird. Kuchen und eritreische Speisen stehen bereit. Da gibt es Deho Keyh Sebhie (Hähnchen mit scharfer roter Soße) oder Selat (Salat) und Fil (Bohnen). Am wichtigsten, so verrät die Café-Leiterin, sei der Injena (der Teig). Dieser verbindet die einzelnen Zutaten, und traditionell wird er mit den Händen gegessen. Der Einfachheit halber hat das Café-Team aber auch Besteck vorbereitet.

Mit Tellern in der Hand balancieren Flüchtlinge und Einheimische an vollbesetzten Tischen mit Stühlen und Stehtischen vorbei. Der ein oder andere Gast schnappt draußen frische Luft oder nimmt an einem der beiden PC-Tische Platz. Mal eben schnell die Mails checken. "Wir haben heute etwas umstellen müssen", erklärt Irene Zerfaß, Leitung soziale Dienste bei der Caritas . Sie deutet auf eine Sitzecke mit Sessel und rotem Sofa. Diese sei normalerweise durch zwei Regale abgetrennt, die als Raumteiler fungieren. Dorthin könnten sich die Gäste zurückziehen, könnten die Ehrenamtler in Ruhe mit den Flüchtlingen reden.

An diesem Tag ist es ein Kommen und Gehen. Etwa 50 Deutsche schauen vorbei sowie zwischen 120 und 150 Flüchtlingen, schätzt Tesfaghergish. Von Beginn an sei das Café gut angenommen worden. Schon am ersten Tag kamen 22 Gäste, darunter sechs Einheimische. Drei Mal in der Woche sind Ehrenamtler vor Ort. "Es kommen unterschiedlich viele Besucher", sagt Tesfaghergish. "Eritreer und Syrer, Frauen und Kinder." Ihr Deutsch ist perfekt. In der nächsten Sekunde wendet sie sich einem syrischen Flüchtling zu, spricht Arabisch.

Es ist wohl ihre eigene Lebensgeschichte, die sie zur perfekten Vertrauensperson für die aus ihrer Heimat Vertriebenen macht. In Eritrea geboren, wuchs sie im Sudan auf. Im Teenageralter kam sie nach Deutschland. "Das war sehr schwer für mich", erinnert sie sich noch gut an ihren Start in dem damals fremden Land. "Die Flüchtlinge können mit mir reden. Sie wissen, dass ich sie verstehe", sagt Tesfaghergish und meint damit nicht nur die Sprache .

Veranstaltungen wie diese Kaffeezeremonie sollen das Café bekannter machen. Denn es lebt von Ehrenamtlern und von Spenden. Ghedem Tesfaghergish deutet auf ein Bild an der Wand. Darauf strahlt eine Sonne in hellem Gelb, Sonnenblumen ranken hinein. "Das ist beim Kindertag entstanden." Damals zählte sie 42 kleine Besucher und 72 Erwachsene.

Ähnlich viele Besucher sind es an diesem Nachmittag, und es funktioniert: das Miteinander von Nationen und Menschen verschiedener Religionen. Was ist wichtig, damit Integration gelingt? "Das Wollen ist das A und O", sagt Ghedem Tesfaghergish. "Die Menschen müssen sich aufeinander einlassen. Die Flüchtlinge sind darauf angewiesen, dass die Einheimischen sich öffnen." Es wird langsam etwas ruhiger. Lael, Ghedem Tesfaghergishs Tochter, setzt sich für einem Moment zu ihr auf den Schoß. Kurz darauf zieht es die Sechsjährige wieder nach draußen zu den anderen Kindern. Und als das Wettlaufen zu langweilig wird, plaudert sie mit den Erwachsenen - ganz gleich, wo diese herkommen.

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Hintergrund Seit 20. Juni gibt es das Café Miteinander in der Josefstraße 12 in St. Wendel . Der Begegnungstreff für Flüchtlinge und Einheimische ist ein Angebot des Caritasverbands Schaumberg-Blies in Zusammenarbeit mit dem Dekanat St. Wendel . Die Finanzierung übernehmen: Landkreis St. Wendel , Stadt St. Wendel und Caritasverband Schaumberg-Blies. Leiterin des Cafés ist Ghedem Tesfaghergish. Sie betont, dass der Treff, wie der Name schon sagt, vom Miteinander lebe und auch von Spenden. Ganz gleich, ob Geld-oder beispielsweise Kuchenspenden. Letztere sollten aber vorher abgesprochen werden. Momentan ist drei Mal in der Woche geöffnet. Tesfaghergish würde sich über weitere Ehrenamtler freuen, die gerne Zeit mit den Flüchtlingen verbringen möchten. Auch Deutschlehrer, die ehrenamtlich unterrichten wollen, sind willkommen. Öffnungszeiten für Besucher: Montag und Dienstag, 10 bis 14 Uhr, Donnerstag, 13 bis 16.30 Uhr. Kontakt: Ghedem Tesfaghergish, Tel. (0 68 51) 93 56 25, E-Mail: g.tesfaghergish@caritas-wnd.de. evy

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