Musik liegt in der Luft Schüler singen nun hinter Plexiglas

St. Wendel · In der St. Wendeler Fun Music School läuft der Unterricht wieder. Aber unter verschärften Bedingungen.

 Gesangslehrer Jens Usner im Unterricht mit Schülerin Ines Moreira.

Gesangslehrer Jens Usner im Unterricht mit Schülerin Ines Moreira.

Foto: Martin Gabriel

Schon früh war Ralph Schäfer-Lösch klar, was die Corona-Krise in China auch für Deutschland bedeuten würde. Der China-Kenner zählte eins und eins zusammen: „Wer die Regierung in China kennt, der weiß, dass die Zahlen untertrieben sind“, sagt der Leiter der Fun Music School (FMS) in St. Wendel. Hinzu seien zunächst die fehlenden Kontrollen bei der Einreise aus China sowie die lange Reaktionszeit in Deutschland gekommen. „Die Menschen sind munter aus China ausgereist“, kritisiert Schäfer-Lösch.

Aber der Musiker sorgte vor. Bereits ehe die Bundesregierung von einem Lockdown sprach, hatte er Masken und Desinfektionsmittel sowie Papierhandtücher besorgt. „Wir hatten bereits am 16. März genügend Desinfektionsmittel, um alle Türen und andere Griffe zu reinigen.“ Denn wenn man eine Institution leite, so Schäfer-Lösch, sei es wichtig, gut vorbereitet zu sein. „Hier zeigen sich die Organisationen, die proaktiv zu denken gelernt haben.“

Die Zwangsschließung seiner Schule traf ihn also nicht unvorbereitet. Und er tat alles, um so schnell wie möglich wieder öffnen zu können. Er erstellte ein Hygieneprotokoll und schickte dies ans saarländische Gesundheitsministerium. Mit der Bitte, Ende April wieder starten zu dürfen. Es dauerte dann bis 2. Mai, bis klar war: Musikschulen dürfen weiter machen. „Viel zu spät“, denkt Schäfer-Lösch.

Schäfer-Lösch und sein Team waren jedenfalls bereit. Schon in den Osterferien hatte er Geld in die Hand genommen und investiert: Damit Online-Unterricht auf hohem Niveau möglich war. „Am 27. April ist die Schule online gegangen“, erzählt Schäfer-Lösch. Etwa 60 Prozent der Schüler seien auf diese Weise unterrichtet worden. „Einige wollten diese Möglichkeit nicht wahrnehmen, andere konnten nicht, weil sie nicht das entsprechnede Equipment hatten.“ Bei den Sängern sei der Unterricht am schwierigsten gewesen, gesteht Schäfer-Lösch. Wegen der technischen Verzögerung habe das Begleiten am Klavier nicht so geklappt, wie sich alle Beteiligten das vorgestellt hatten. Doch ansonsten funktionierte es gut, nachdem ein paar technische Probleme gelöst waren. „Lehrer, die zu Hause nicht so gut ausgestattet waren, kamen in die Schule; dort standen Mischpulte, Kameras und Mikrofone zur Verfügung“, beschreibt der FMS-Leiter die Situation. Die Lehrer stimmten mit ihren jeweiligen Schülern die Unterrichtspläne ab.

Seit Mai läuft nun auch wieder der Präsenzunterricht. Derzeit dürfen maximal zwei Schüler mit ihrem Lehrer in einem Kurs sein. Das sei aber kein Problem, betont Schäfer-Lösch: „Wir haben sowieso überwiegend Einzel- oder Tandemunterricht.“ Im Unterricht selbst hätten sich mittlerweile die Plexiglaswände bewährt, die die Schule ebenfalls angeschafft hat. Allerdings ruhten derzeit die Gruppen-Kurse: der Ukulele-Kurs und die Musikalische Früherziehung. In beiden Fällen hat sich Schäfer-Lösch aber eine Online-Plattform als Ersatz einfallen lassen. Diese Video-Produktionen will er auch nach Corona weiter beibehalten. „Ich könnte mir eine Hybrid-Musikschule in der Zukunft vorstellen“, sagt er. Online- und Präsenzunterricht, das sei die neue Realität.

Derzeit ist das FMS-Team dabei, einen Nachholplan sowie entsprechende Gutscheine für die ausgefallenen Stunden zu erstellen. „Wir holen jede Stunde nach“, verspricht der Chef. Damit wolle er auch das Vertrauen, das seine Schüler und deren Eltern in die Schule setzten, rechtfertigen. Denn „es gab nahezu keine Kündigungen“, freut sich Schäfer-Lösch. Das Problem sei jetzt aber die „nicht nachkommende Schülerschaft“. Gerade Anfang bis Mitte März gebe es zu normalen Zeiten viele Anmeldungen; diese seien nun alle ausgeblieben. „15- bis 20 000 Euro gehen uns wohl verloren.“

Noch schlimmer trifft es da übrigens die neue Freie Kunstschule, zu deren Initiatoren Schäfer-Lösch ebenfalls gehört. Diese habe gerade mal den ersten Kurs überhaupt absolviert, dann musste sie auch schon wieder schließen. Ob sie überhaupt wieder öffne, das entscheide sich nach den Sommerferien.

Trotz allem zieht Schäfer-Lösch auch etwas Positives aus der Krise. „Jetzt sind wir wach.“ Und vorbereitet. „Wir wissen jetzt, dass in jeden Haushalt Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel gehören“, so Schäfer-Lösch. Wir sollten keine Angst haben, aber gerüstet sein. Er hofft, dass diese Pandemie, die die Gesellschaft „traumatisiert“ habe, das soziale Miteinander fördere. Und damit doch auch einen Zweck erfülle.

 Geigenschülerin Norina. Foto: Martin Gabriel

Geigenschülerin Norina. Foto: Martin Gabriel

Foto: Martin Gabriel
 Kursstunden sind wieder möglich, unser Foto zeigt Gitarrenlehrer Jürgen Hermann (rechts) mit Jonas Bier.

Kursstunden sind wieder möglich, unser Foto zeigt Gitarrenlehrer Jürgen Hermann (rechts) mit Jonas Bier.

Foto: Martin Gabriel
 Geigenlehrerin Monika Bagdonaite und Schülerin Norina bei ungewohnten Proben.

Geigenlehrerin Monika Bagdonaite und Schülerin Norina bei ungewohnten Proben.

Foto: Martin Gabriel
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