Nach Patt-Situation Los verhilft der SPD im Groniger Ortsrat zur Mehrheit

Oberthal · Besser hätte sich die Dramaturgie nicht erfinden lassen. Nach Gleichstand bei den Stimmen für die Christdemokraten und die Sozialdemokraten entschied das Glück über die Sitzverteilung.

 Wahlleiter Stephan Rausch greift im Beisein von Vertretern der CDU und SPD in den Lostopf. Welche Partei wird er ziehen? Die Spannung im Bürgersaal des Oberthaler Rathauses war groß.

Wahlleiter Stephan Rausch greift im Beisein von Vertretern der CDU und SPD in den Lostopf. Welche Partei wird er ziehen? Die Spannung im Bürgersaal des Oberthaler Rathauses war groß.

Foto: Dirk Schäfer

Manchmal ist es eine einzige Stimme, die entscheidet. Manchmal ist es diese eine Stimme, die Geschichte schreibt. So geschehen in der Gemeinde Oberthal. Sonntagabend wurden in Gronig – wie in allen anderen Wahllokalen auch – fleißig Stimmzettel ausgezählt. Für die Europawahl, für den Kreistag, für den Gemeinderat und schließlich für den Ortsrat. Bei letzterem fiel das Ergebnis denkbar knapp aus: 394 Stimmen für die CDU, 393 für die SPD. Sonst war keine Partei angetreten. Die Helfer vor Ort wollten alles richtig machen. Zählten nochmal nach. Wieder kamen sie auf das gleiche Ergebnis.

Montagmorgen wurden die versiegelten Wahlscheine ins Oberthaler Rathaus gebracht. Denn am Abend war die Sitzung des Wahlausschusses angesetzt, der die Aufgabe hat, alles noch einmal zu kontrollieren. Das knappe Ergebnis in Gronig hat Bürgermeister Stephan Rausch (CDU), der das Amt des Wahlleiters inne hatte, dazu bewogen, nochmal durchzählen zu lassen. Und siehe da. Ein Wahlschein war ungültig. „Darauf war bei beiden Parteien je ein Kreuzchen gesetzt“, erklärt Rausch. Zugeordnet war jener Schein fälschlicherweise der CDU. Somit lautete das neue Ergebnis: 393 zu 393 Stimmen – Patt-Situation in Gronig. Vier Sitze im Ortsrat gehen an die CDU, vier an die SPD. Aber welche Partei bekommt den neunten Platz?

Darüber sollte das Los entscheiden. Und so kam es, dass ein Routinetreffen des Wahlausschusses plötzlich zu einer spannenden Angelegenheit wurde. „Es war an Dramatik nicht zu überbieten“, sagt Uwe Schäfer, der aktuelle Fraktionssprecher der SPD im Gemeinderat.

Zwei Stimmzettel, wie sie auch die Wähler am Sonntag bekamen, wurden ausgedruckt und an die beiden Fraktionen weitergereicht. Sie selbst, so erläutert Rausch, sollten das Kreuzchen setzen. Anschließend wurden die Zettel gefaltet, in Umschläge gesteckt und in eine leere Kiste gelegt. Dann wurde es ernst. Wahlleiter Rausch schlüpfte in die Rolle der Glücksfee. Die Kiste wurde noch einmal gut durchgeschüttelt. Mit abgewendetem Blick griff er hinein und... zog den Stimmzettel der SPD.

In diesem kurzen Moment wurde Geschichte in der kleinen Gemeinde Oberthal geschrieben. Denn Gronig war quasi CDU-Land. „Noch nie gab es dort einen SPD-Ortsvorsteher“, sagt Rausch. Das wird sich nun ändern.

„Das war Glück“, sagt Uwe Schäfer, der am Dienstag noch nicht ganz realisiert hatte, was sich da am Abend zuvor im Bürgersaal des Rathauses zugetragen hatte. Er erinnert sich daran, dass seine Partei schon mal beim Losen das Nachsehen hatte. Als es um die Ausschüsse ging, wurde vier Mal gelost. Vier Mal zog die damalige Glücksfee, die ebenfalls Rausch hieß, die CDU. „Wir haben also noch drei Mal zugute“, scherzt Schäfer. Die fünfte Person aus der SPD, die jetzt in den Groniger Ortsrat einzieht, ist übrigens er selbst. Ortsvorsteher soll Björn Gebauer werden. Am Dienstagabend trafen sich die Sozialdemokraten im Gasthaus Andler in Gronig, um die dramatische Ortsratswahl nochmal Revue passieren zu lassen.

Analysieren will auch die CDU das Geschehene. Wie Oberthals CDU-Gemeindeverbandsvorsitzender Dennis Meiserberger berichtet, treffen sich seine Parteikollegen und er am kommenden Montag. „Es gibt Gründe, warum es zu der Patt-Situation in Gronig kam“, sagt Meisberger. „Wir haben das nicht am Montag verloren.“ Der Gemeindeverbandsvorsitzende macht deutlich, dass jetzt Selbstkritik gefragt sei. „Wir wollen die gesamte Wahl aufarbeiten.“ Wobei es – abgesehen von Gronig – viele Gründe gebe, um zufrieden zu sein.

Meisberger war live dabei, als Rausch den Stimmzettel der SPD zog. Eine nichtalltägliche Situation, wie er sagt, die er nicht verpassen wollte. Dass die CDU kein Losglück hatte, damit wolle er nicht hadern. Der Gesetzgeber sieht dieses Verfahren nunmal vor. Die Chance liegt bei 50 zu 50. „Es ist wie beim Elfermeterschießen, entweder geht der Ball rein oder nicht.“ Jedenfalls sei die CDU jetzt angespornt, das Ergebnis in Gronig in fünf Jahren nochmal zu ihren Gunsten zu drehen. Und um in der Fußballsprache zu bleiben: In Sachen Ortsvorsteher steht es in der Gemeinde Oberthal künftig zwei zu zwei.

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