Flüchtlinge hungern aus Solidarität

Oberthal · Einige minderjährige Flüchtlinge in einer Unterkunft in Oberthal boykottieren seit Montag das gemeinsame Mittagessen. Der Grund des Hunger-Protests: Der Koch ihrer Unterkunft wurde entlassen.

 Eine Gruppe junger Flüchtlinge steht vor dem Haupthaus des Max-Braun-Zentrums. Eigentlich sollten sie dort zu Mittag essen. Einige boykottieren das Mahl – aus Protest. Foto: Zimmermann

Eine Gruppe junger Flüchtlinge steht vor dem Haupthaus des Max-Braun-Zentrums. Eigentlich sollten sie dort zu Mittag essen. Einige boykottieren das Mahl – aus Protest. Foto: Zimmermann

Foto: Zimmermann

Hungerstreik im Max-Braun-Zentrum im Oberthaler Ortsteil Steinberg-Deckenhardt: Diese Nachricht hat jetzt die Saarbrücker Zeitung erreicht. In dem Jugendzentrum, das von dem Verein Zeltlagerplatz Steinberg betrieben wird, sind zurzeit 54 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge untergebracht. Seit Montag wollen sie nicht mehr essen. Der Grund: Koch Thomas Etringer ist am gleichen Tag entlassen worden. "Ich bin ihre Bezugsperson. Ich war immer da, wenn es den Jugendlichen schlecht ging", sagt Etringer. Von der Geste seiner Schützlinge ist er gerührt. Dennoch predigt er ihnen: "Hört auf und geht essen."

Gestern gegen 13.30 Uhr ist der Speisesaal des Max-Braun-Zentrums verwaist. Eigentlich sollte um diese Zeit gemeinsam gegessen werden. Aus der Küche sind Stimmen und das Geklapper von Geschirr zu hören. Der neue Koch steht am Herd, fünf Flüchtlinge helfen bei den Vorbereitungen. Wie viele das zubereitete Mahl später genießen, ist ungewiss. Jörg Bernarding, Vorsitzender des Vereins Zeltlagerplatz, spricht von zirka 15 Jugendlichen, die zurzeit das gemeinsame Mittagessen verweigern. Grund zur Sorge bestehe aber nicht. Denn die jungen Flüchtlinge sind zu je acht in Ferienhäusern untergebracht. Dort gibt es nicht nur drei Schlafzimmer und einen Gemeinschaftsraum, sondern auch eine Kochnische. Dort bereiten sie in Wohngruppen Frühstück und Abendessen zu. Auch Etringer denkt, dass "seine Kids" in den Häusern Essen zu sich nehmen.

Der Hungerstreik ist also Ausdruck von Protest und ihrer Solidarität mit dem Ex-Koch. "Die Kinder wollen ihn zurück. Sie können nicht verstehen, was passiert ist", sagt Bernarding.

Und was war der Auslöser für die Entlassung? Es gebe verschiedene Dinge, die zusammengekommen sind, so Bernarding. Als Beispiel nennt er Etringers Gewohnheit, mit den Jugendlichen zu rauchen. Im Max-Braun-Zentrum gelte striktes Rauchverbot. "Der Vormund schüttelt den Kopf, wenn Jugendliche und Betreuer zusammensitzen und rauchen." Zu den gemeinsamen Raucher-Pausen steht Etringer. "Es ist doch scheinheilig, wenn ich als Raucher mich hinstelle und den Kids sage: Rauchen ist ungesund." Die hätten ganz andere Probleme zu bewältigen, wären traumatisiert. Shisha-Rauchen sei ein Stück Heimat.

Der ehemalige Koch hadert nicht mit seiner Entlassung. Er hätte täglich zwischen 16 und 18 Stunden gearbeitet, sei ausgebrannt. Ihm gehe es um die Jugendlichen. Er spricht von Missständen im Zentrum. "Ich möchte, dass Profis mit den Kindern arbeiten", sagt Etringer. Doch es gebe nur einen ausgebildeten Sozialarbeiter . Er spricht von sechs Festangestellten und sechs Mitarbeitern, die auf Stundenbasis arbeiten. Bernarding listet 14 Festangestellte im SZ-Gespräch auf. Zudem seien fünf Ehrenamtler in dem Zentrum engagiert. Er habe ein Konzept entwickelt, das neben Deutschunterricht für die Jugendlichen auch Praktika unter anderem in der Küche vorsieht.

Gibt es einen Mangel an Betreuung oder reicht ein Sozialarbeiter ? Als Notlösung hatte St. Wendels Landrat Udo Recktenwald (CDU ) die Unterkunft schon beim Einzug der Jugendlichen bewertet. Der Auftrag zur Betreuung der Flüchtlinge kam vom Jugendamt Saarlouis. Sozialarbeiter Joachim Volz schätzt die Infrastruktur des Lagers als schlecht ein. Aber er sagt auch: "Ich glaube, es geht den einzelnen Jugendlichen nicht katastrophal schlecht." Zehn Prozent der Gruppe seien stark traumatisiert.

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