Verbunden mit Unicef Mit einem Wintermantel hat damals alles angefangen

Oberthal · Seit 15 Jahren engagiert sich Barbara Thimm-Maldener in der St. Wendeler Unicef-Arbeitsgruppe. Zu dem Hilfswerk der Vereinten Nationen hat sie eine ganz besondere Bindung.

 Barbara Thimm-Maldener auf dem Sprung. Seit 15 Jahren engagiert sie sich in der Unicef-Gruppe St. Wendel.

Barbara Thimm-Maldener auf dem Sprung. Seit 15 Jahren engagiert sie sich in der Unicef-Gruppe St. Wendel.

Foto: Evelyn Schneider

Schutz vor Gewalt, soziale Sicherheit und das Recht auf Bildung – das sind nur drei von vielen Rechten, die Kinder haben. Festgeschrieben sind sie in der UN-Kinderrechtskonvention, die vor 30 Jahren von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Fast die komplette Welt hat sich auf diese Rechte verständigt. Und doch flimmern sie fast täglich über den Bildschirm – Aufnahmen von Kindern in Flüchtlingslagern: abgemagert, allein, keine Chance auf einen behüteten Alltag oder Schulbildung. Ihre Situation zu verbessern, hat sich das 1946 gegründete Kinderhilfswerk Unicef zur Aufgabe gemacht. So gibt es beispielswiese das Projekt „Schule in der Kiste“, das mit entsprechenden Materialien improvisierten Unterricht für 40 Kinder ermöglicht. Dafür wirbt auch Barbara Thimm-Maldener aus Oberthal. Die 80-Jährige engagiert sich seit 15 Jahren in der St. Wendeler Unicef-Arbeitsgruppe. Aber verbunden ist sie dem Kinderhilfswerk schon viel länger. Denn sie selbst war einmal ein Flüchtlingskind, dem geholfen wurde. „Ich bekam von Unicef einen Wintermantel“, sagt Thimm-Maldener und lächelt. Das war Anfang 1949 in Fulda. Der Mantel sei ihr ganzer Stolz gewesen, sie habe ihn bis zur Schulentlassung getragen.

Was es bedeutet in Kriegszeiten aufzuwachsen, das weiß die 1938 Geborene nur zu gut. „Ich habe das mit sechs Jahren verhältnismäßig bewusst erlebt.“ Noch heute erinnert sie sich genau an die Signale, die vor Fliegerangriffen warnten. „Mitten in der Nacht ging es in den Keller. Ich habe noch diesen muffigen Geruch in der Nase, vermischt mit Schweiß und Urin.“ Sie sei immer unglücklich gewesen – in diesem Keller. Vor allem, wenn ihre Mutter nicht bei ihr war. Der Vater war in Russland im Krieg, während seine Frau eingezogen wurde, um Schutzgräben auszuheben. „Es wurden Kinderfrauen zur Betreuung des Nachwuchses gestellt“, erzählt Barbara Thimm-Maldener. Auf sie und ihren fünfjährigen Bruder gab Frau Kuhn acht.

Im Februar 1945 flohen die Kinder mit ihrer Mutter und den Großeltern aus Danzig. Nach wochenlanger Reise kam die Familie schließlich in ein Lager nach Oksbol auf Jütland (Dänemark). 36 000 Menschen lebten dort in langen Baracken und hinter Stacheldraht. Als wäre diese Situation nicht schon schlimm genug, verlor die damals Sechsjährige ihre Mutter. Die Großeltern kümmerten sich fortan um die Geschwister. Zu viert lebten sie auf einer Fläche von 1,50 mal zwei Metern. Das war der Platz zwischen den zwei dreistöckigen Betten, die ihnen zugeteilt waren. Eine Apfelsinenkiste diente als Tisch. Und unter Tränen nähte die Großmutter aus den Kleidern ihrer verstorbenen Tochter Kleidung für die Kinder. Vier Jahre verbrachte Barbara Thimm-Maldener in diesem Lager, in dem auch Theater gespielt wurde. Es gab eine Bibliothek und die Kinder wurden unterrichtet. „Wir waren trotz Kriegswirren behütet“, sagt die 80-Jährige.

Ganz anders erginge es den Flüchtlingskindern heute. „Das Schicksal von diesen Kindern dreht mir den Magen rum.“ Sie lebten mehr schlecht als recht in Lagern. Hätten Grausames erlebt, teils mitansehen müssen, wie ihre Eltern erschossen wurden. „Hier versucht Unicef zu helfen.“

Getreu dem Motto Großes entsteht im Kleinen macht sich auch die St. Wendeler Gruppe für das weltweit agierende Kinderhilfswerk stark. Dazu gehören Besuche an Schulen. In Zusammenarbeit mit diesen gibt es Aktionen wie „Lesen für Uncief“ oder Schülerläufe. Bei letzteren suchen sich die Jugendlichen Sponsoren, die einen bestimmten Betrag für jede erlaufene Runde zahlen. Bei dem Schülerlauf in Ottweiler kamen im vergangenen Jahr mehr als 16 000 Euro zusammen. Das sei eine Rekordsumme. 50 Prozent davon gingen an die Schule, die andere Hälfte an Unicef.

Zwölf Mitglieder zählt die St. Wendeler Arbeitsgruppe aktuell, ein Quintett bildet den aktiven Stamm. Zu den Aktivitäten zählt unter anderem die jährliche Teilnahme an einen Basar in der Alten Mühle in Marpingen sowie an einer Hobbyausstellung in der Namborner Liebenburghalle. Letzteres sei wohl aber personell nicht mehr zu stemmen. Daher würde sich Barbara Thimm-Maldener über weitere  Mitstreiter freuen.

Vielleicht finden sich diese bei einer besonderen Unicef-Aktion, die am Samstag, 11. Mai, 12.19 Uhr, deutschlandweit startet. Neben Großstädten wie Berlin, Düsseldorf  oder München soll auch St. Wendel ein Teil von „Theater der 10 000“ sein. 100 Teilnehmer können sich für die spontane Performance auf dem Schlossplatz anmelden. „Das wird eine große Überraschung“, kündigt Barbara Thimm-Maldener an. Sie selbst war bei einer Regionalkonferenz, bei der die Idee getestet wurde. Alle Teilnehmer müssen ihr Smartphone samt Kopfhörer mitbringen. Sie erhalten einen Code, mit dem sie sich in ein Programm einloggen können. Und schon hören sie die Anweisungen, denen sie folgen müssen. „Das wird eine Art Pantomime“, verrät die 80-Jährige.

Seit sie in Rente ist, ist Barbara Thimm-Maldener fast das komplette Jahr über mit Unicef beschäftigt. Sie näht viel für die Basare, hat das Amt der Schriftführerin in der Gruppe übernommen und begleitet Mitstreiterinnen zu Schulbesuchen. „Die Kinder sind immer fasziniert, wenn sie meine Geschichte hören.“ Vom Unicef-Wintermantel, der unvergessen bleibt.

Die St. Wendeler Unicef-Arbeitsgruppe trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat, jeweils um 18 Uhr im Adolf-Bender-Zentrum in St. Wendel. Infos: Tel. (0 68 51) 48 98.

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