Rückkehr in die Vergangenheit

Sitzerath. Die neue Nagelschmiede ist vor sieben Jahren in Sitzerath eröffnet worden. Der Obst- und Gartenbauverein hat in seinem Haus einen geeigneten Raum zur Verfügung gestellt. Hier kann das Handwerk der Vorfahren in die Praxis umgesetzt werden. Platz für Schriften, Bilder und Urkunden aus dem einstigen Berufsleben ist auch genug da

Sitzerath. Die neue Nagelschmiede ist vor sieben Jahren in Sitzerath eröffnet worden. Der Obst- und Gartenbauverein hat in seinem Haus einen geeigneten Raum zur Verfügung gestellt. Hier kann das Handwerk der Vorfahren in die Praxis umgesetzt werden. Platz für Schriften, Bilder und Urkunden aus dem einstigen Berufsleben ist auch genug da. Der Buchautor Helmut Weiler aus Türkismühle, der die Spuren der Nagelschmieden des Hochwaldes intensiv erforscht hat, macht auch diesmal seine Aufwartung in Sitzerath. An seiner Seite der Vorsitzende des Vereins für Heimatkunde, Edgar Schwer aus Otzenhausen. Von draußen dringt der Gesang des Bänkel- und Minnesängers Ferdinand Ledwig, begleitet mit diesem und jenen Instrument aus ferner Zeit, in den Schmiederaum. Ferdinand der Sänger, so sein Künstlername, hat 1979 als Straßenmusikant und Troubadour in Europa, USA und Kanada sein singendes und klingendes Metier begonnen. Bekannte und selbst komponierte Lieder aus der Ritterzeit dominieren sein Repertoire. Die Besucher aus nah und fern singen eifrig mit.Mühevolles ArbeitslebenGuter Kontrast den zu lodernden Flammen drinnen. Dort präsentiert der Hobby-Nagelschmied Albert Paulus ein vielfältiges Fertigungs-Programm. Beispiele: Mehrere Arten von Schuhnägeln, einspitzige Nägel, viereckige Absatznägel, zweispitzige Nägel für Sohlenränder, die Toggenburger für Gebirgsschuhe, Schlossnägel. Und, und, und. Ein gutes Stück Heimatgeschichte für die junge Generation. Sie interessiert sich besonders für das mühevolle Arbeitsleben der Vorfahren. Albert Paulus kennt jeden Handgriff, der zum fertigen Nagel führt. Neugierige Kinder sollen sich kundig machen, aber zum feurigen Tisch und seinen springenden Funken auf Distanz bleiben. Für Schulkinder ist das Fest auch eine gute Lektion im Fach Heimatkunde.Minnegesang lockt Besucher Der Besuch ist vom Mittag bis zum Abend draußen und drinnen zahlreich. "Ferdinand der Sänger" ist ein Meister seines Faches. Mit Minnegesang und eigenen in Landgegenden bestens bekannten Melodien lockt er auch die Stimmen der im Schmiede-Vorfeld harrenden Besucher hervor. Glühende Nägel drin, guter Gesang draußen. Irgendwann in der Dämmerstunde macht er sich mit dem Auto auf den Weg zum Moselweinort Longuich; Auftritt beim dortigen Burgfest. "Ich habe Sitzerath in mein Herz geschlossen", hinterlässt er einen Liebesgruß zum Abschied. Er sei nicht das erste, und nicht das letzte Mal hier gewesen, bekundet er seine Verbundenheit zum schmucken Hochwalddorf. Das Feuer lodert weiter in der Nagelschmiede. Neugierige gehen immer noch ein und aus. Das Fest 2010 hat den Traditionswert der alten Innung weiter gefestigt. Albert Paulus soll auch in Zukunft auf den handwerklichen Spuren der Vorväter wandeln. Neben dem vorhandenen Vereinsleben entwickelt sich die historische Nagelproduktion immer mehr zu einer stabilen Säule im Dorfleben. Zu den Nagel-Befürwortern zählt auch der Ortsvorsteher Alfred Schmitt: "Die Nagelschmiede und das alte Sitzerather Handwerk überhaupt soll über die Grenzen der Gemeinde Nonnweiler hinaus bekannt gemacht werden. Vor allem die Jugend soll noch mehr interessiert werden." Viele ihrer Vorfahren hätten mit der Nagelproduktion "ihr täglich Brot verdient". Sicher auch Stoff für "Ferdinand den Sänger", dessen Lieder inhaltlich tief in der regionalen Vergangenheit rühren. Beinahe 1800 Stunden an Eigenleistung hätten die Mitglieder der Garten- und Naturfreunde und andere Mitbürger bisher zum schönen Nagel-Museum beigesteuert, lobt Ortsvorsteher Alfred Schmitt und würdigt auch die Leistungen vom Nagel-Experten Robert Hoffmann aus Bierfeld in der Frühzeit der heutigen Schmiede.

Auf einen Blick Die Eisenverhüttung und -verarbeitung im Hochwald entstand gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Ihre Stationen: Sitzerath, Bierfeld mit der Hubertushütte im Löstertal, Nonnweiler, Mariahütte, Züscher Hammer, Hermeskeil, Abentheuer, Gusenburg und andere. Die Tagesleistung ist mit "bis zu 3000 Stück einspitziger, und 1500 bis 2000 zweispitziger Nägel" notiert. 1000 einspitzige Nägel wurden in der Anfangszeit für eine bis 1,20 Mark angeboten, zweispitzige für 1,80 bis 2,20 Reichsmark abgegeben. Hausierer und ständige Lieferanten für Geschäftsleute erhielten für 1000 zweispitzige Nägel 2,50 bis 2,70 Reichsmark. Die Hersteller waren auch die Händler, die mit ihren Produkten mühsam zu den fernen Absatzorten wanderten. Eine Verkaufstour führte nach Idar-Oberstein, Morbach, Bernkastel und Mehring-Mosel und zurück. Ziele einer zweiten Verkaufsroute waren Irsch, Saarburg und Merzig. Nagelschmiede-Genossenschaften wurden 1891 in Hermeskeil, und 1897 in Nonnweiler gegründet. Hersteller mit wenig Zeit schalteten Zwischenhändler ein. wb

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