Plakative Archäologie

Otzenhausen · Von authentisch bis historisch und schlimmstenfalls rein dem Reich der Fantasie entlehnt: Wie lassen sich wissenschaftliche Fakten mit kulturhistorischen Notwendigkeiten vereinbaren? Dieser Frage geht die Ausstellung „Archäologie plakativ: historische Fakten vermarkten – Illusion der Wirklichkeit“ in der Europäischen Akademie Otzenhausen nach.

 Realismus ist bei Plakaten nicht immer an der Tagesordnung. Vielmehr haben sie die Aufgabe, neugierig zu machen. Fotos: Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle/Laurianne Kieffer, Musée de la Cour d'Or, Metz Métropole

Realismus ist bei Plakaten nicht immer an der Tagesordnung. Vielmehr haben sie die Aufgabe, neugierig zu machen. Fotos: Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle/Laurianne Kieffer, Musée de la Cour d'Or, Metz Métropole

Die diesjährigen Archäologietage in der Europäischen Akademie Otzenhausen (EAO) sind mit einer Kunstausstellung eröffnet worden. Zwölf Institutionen aus drei Ländern waren einem Aufruf der EAO gefolgt und haben insgesamt 87 Poster und Plakate eingereicht. Ausgestellt sind Beiträge und Collagen zum Thema "Archäologie plakativ: historische Fakten vermarkten - Illusion der Wirklichkeit". Dazu sagt Archälogie-Projektleiter Michael Koch: "Ich meine, dass Plakate nach wie vor eine eigenständige Kunstgattung darstellen, sie treffen eine Aussage zur Zeitgeschichte."

Die ausgestellten Plakate und Poster sind zudem ein Wortspiel der Sinne, von einladend, neugierig machend und vielleicht einen Tick marktschreierisch. "Im 19. Jahrhundert gehörte das Sammeln von Antikem zum guten Ton wohlhabender und abenteuerlustiger Bürger", sagt Koch. Das Ölgemälde "Weinfest im alten Rom" von Sir Lawrence Alma-Tadema zeigt eine Vermischung von altgriechischen Fundstücken mit römischen Funden. Die Art und Weise, wie Personen und Gegenstände aus der Antike unrealistisch dargestellt worden sind, bemerkt Koch ironisch, sei in sogenannten "Sandalenfilmen" bis weit ins 20. Jahrhundert verbreitet. "Seit etwa zwei Jahrzehnten ist die Filmindustrie bemüht, von diesem verklärenden Bild abzurücken", ergänzt er.

Archäologisches Kulturgut zeigt eine Sonderpostwertzeichen-Serie aus dem Jahr 1976/77. Diese Briefmarken sind teilweise Millionen Mal gedruckt worden. Bemerkenswert dabei ist die Darstellung der sogenannten Goldschale von Schwarzenbach, die als rekonstruiertes Fundobjekt abgebildet ist. Ein Plakat aus dem musealen Betrieb stellt arische Germanen aus den 1930er-Jahren als Synonym für die Nazi-Besetzung des Elsass dar und dient der Aufarbeitung dieser Zeit. Der Neandertaler in der Pose des Denkers vermittelt den Wandel des Menschenbildes durch neue Funde. "Diese Darstellung des nachdenkenden Vormenschen bricht ganz bewusst mit dem Bild des äffischen Vorfahren, wie es noch vor wenigen Jahrzehnten gelehrt wurde", sagt Koch. Eines der ausgestellten Poster zeigt einen Schamanen, welcher ohne Worte dem Betrachter etwas mitzuteilen scheint. Im nahezu magisch anmutenden Bild verschmelzen Ethnografie, Archäologie und Theatralik. "Wenn man tiefer darüber nachdenkt, wird man bemerken, dass eigentlich jede Mitteilung wie ein Plakat ist. Besonders in Zeiten von Facebook und Co. trifft dies nach viel mehr zu", stellt Koch fest. Denn der Mensch sei ein Augenwesen und brauche das Bild. "Das soll so authentisch wie möglich sein und muss dabei nicht wissenschaftlich einwandfrei sein", erklärt Bettina Birkenhagen. Die Projektleiterin des Archäologieparks Römische Villa Borg berichtet anschließend über den Spannungsbogen Archäologie und Rekonstruktionsmittel am Beispiel der Villa.

In Absprache mit der EAO kann die Ausstellung bis Dienstag, 31. Mai, besichtigt werden.

 Insgesamt 87 Poster und Plakate sind in der Ausstellung in Otzenhausen zu sehen. Foto: Faber

Insgesamt 87 Poster und Plakate sind in der Ausstellung in Otzenhausen zu sehen. Foto: Faber

Foto: Faber

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Auf einen BlickDie dritten Archäologietage fanden vom 14. bis 17. April in der Europäischen Akademie Otzenhausen statt. 120 Teilnehmer - Wissenschaftler, Heimatforscher und Laien - besuchten die Veranstaltung. Neben Vorträgen wurden auch Exkursionen zu Ausgrabungsstätten angeboten. Generell zielt das Projekt Archäologie in der Großregion darauf ab, unterschiedlichen Zielgruppen von Wissenschaftlern bis zu Laien geschichtliche Entwicklungen nahezubringen. Der Schwerpunkt des Projekts liegt zwar auf der Archäologie , bezieht jedoch auch andere Wissenschaften, wie Geschichte oder Altertumswissenschaften, mit ein. Es verweist auf das historische Erbe in der Großregion. frf

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