Hilfe für schwerkranke Menschen

Otzenhausen · Die Einbindung der Palliativpflege in den Alltag der Seniorenheime stand im Zentrum der Fachtagung. Empathie, Kreativität und Bildung spielen bei der Versorgung von schwerkranken Menschen eine wichtige Rolle.

 David Fitzpatrick hielt einen Vortrag in Otzenhausen. Fotos: Stefan Bohlander

David Fitzpatrick hielt einen Vortrag in Otzenhausen. Fotos: Stefan Bohlander

 Heimleiterin Steffi Gebel und Projektleiter David Fitzpatrick.

Heimleiterin Steffi Gebel und Projektleiter David Fitzpatrick.

Wie der Hospizgedanke am besten in die stationäre Altenpflege einfließen kann, geht das Caritas-Seniorenzentrum Haus am See in Neunkirchen/Nahe konsequent auf den Grund. Seit 2006 geht es den Mitarbeitern dort darum, Palliative Care bei der Versorgung von hochbetagten und schwerkranken Menschen umzusetzen. Bei einem Vortrag anlässlich der ersten Saarländischen Fachtagung für Palliative Geriatrie in der Europäischen Akademie Otzenhausen (EAO) Anfang Oktober erklärten Heimleiterin Steffi Gebel und Projektleiter David Fitzpatrick das Konzept, das dahinter steckt.

"Im Mittelpunkt stand ganz klar die Nachhaltigkeit in der Verbesserung der Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen", erklärte Steffi Gebel. Dies sei gar nicht so einfach gewesen, wie sie erläuterte. Immerhin gäbe es ja zwei Seiten, die sich Gedanken über die neue Umgebung machen würden. Bewohner konfrontieren sich mit Fragen wie "Jetzt bin ich im Heim, wie wird das?". Auf das Personal kommen Zweifel durch die neue Situation hinzu, etwa "Können wir das überhaupt?" oder "Sind wir überhaupt kompetent dafür?".

"Schließlich", fügte Projektleiter und Koordinator für Palliative Care, David Fitzpatrick, hinzu, "wussten wir ja nicht: Welche Bewohner und welche Bedingungen kommen auf uns zu?". Eine andere Art der Sachlichkeit musste eingeführt werden. Denn Sterbebegleitung umfasse zu 50 Prozent vor allem psychosoziale und spirituelle Begleitung. So beschäftige die Bewohner unter anderem der Verlust der Menschlichkeit und die Angst vor dem Verlust der Möglichkeiten zur Kommunikation. Da dadurch auch den Angehörigen Kommunikation erschwert wird, folge so etwas wie der soziale Tod. Dieser gehe dem Kommunikations-Tod voraus, dem der klinische Tod folgt. Bei diesem "dreifachen Sterben" gelte es, die ersten beiden Aspekte so weit wie möglich nach hinten zu schieben.

"Empathie, Kreativität und Bildung" seien die wichtigsten Punkte, wenn es um Sterbebegleitung gehe, so Gebel. Dies koste keine Zeit, sondern eine innere Haltung, wie sie ausführte. Das "Mensch sein" werde allzu oft in den Hintergrund gerückt, Kreativität ist vor allem dann gefragt, wenn es um "die alltägliche Suche nach nicht alltäglichen Lösungen geht". Hier erzählte sie von einem Beispiel: Als die Mitarbeiter des Senioren-Zentrums einer Bewohnerin ein Bad einließen, nach dem sie sich so gesehnt hatte, den Wunsch selbst aber nicht mehr äußern konnte. Hier sei es weniger um das Saubermachen als Solches gegangen, sondern darum, ein gutes Körpergefühl zu haben. Zwei Monate später sei die Bewohnerin gestorben, "aber mit einer positiven Lebenserfahrung".

Fitzpatrick verglich die Arbeit mit einem Drahtseilakt, bei dem das Pflegepersonal den Balancierstab darstelle. Sterbende treibe vielfach spirituelle Bedürfnisse um. "Darf ich hadern mit Gott und meinem Glauben?", sei eine oft im Raum stehende Frage. "Seelsorge ist nicht der Mann mit dem schwarzen Hemd und dem weißen Kragen", so der Projektleiter , "Seelsorge ist das, was jeder Einzelne tun kann". Wobei Seelsorge auch für das Personal betrieben werden müsse. Denn wenn von 88 Bewohnern 53 sterben, sei dies auch für die Bediensteten eine Belastung.

Mit der ergreifenden Geschichte von "Frau S." schloss David Fitzpatrick den Vortrag. Mit teils tränenerstickter Stimme erzählte er von der Bewohnerin, für die man das Pflegebad in eine Art Wellness-Oase verwandelte. Durch immense Schmerzen und immer lauteres Schreien geschwächt, wog sie am Ende nur noch 37 Kilogramm. In einem ihrer letzten Momente hatte man die Wahl, sie auf ihr Bett oder in eine Kuschelecke zu legen. Spontan habe man sich für Letzteres entschieden. "Dort zeigte sie, wo sie gehalten und berührt werden wollte", so David Fitzpatrick. Mit fünf Personen gleichzeitig hatte man sich um Frau S. gekümmert und kommuniziert, ohne zu sprechen. "Wir haben als Team funktioniert", so der Projektleiter . Irgendwann kam der Sohn der Bewohnerin und setzte sich hinzu. Gemeinsam mit ihm sei Frau S. in der Kuschelecke gestorben.

haus-am-see.de

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