Ein Stück Biografie unserer Heimat

Otzenhausen · Die Reformation im St. Wendeler Land war jetzt Thema eines Vortrags in der Europäischen Akademie Otzenhausen. Der Historiker Bernhard W. Planz nahm dabei den Einfluss von Martin Luther auf die Region unter die Lupe.

 Der Historiker Bernhard W. Planz bei der Auftaktveranstaltung zur Vortragsreihe in der Europäischen Akademie Otzenhausen. Foto: Eva Henn

Der Historiker Bernhard W. Planz bei der Auftaktveranstaltung zur Vortragsreihe in der Europäischen Akademie Otzenhausen. Foto: Eva Henn

Foto: Eva Henn

Geschichte ist die Biografie der Menschheit. Diese Worte des deutschen Journalisten Ludwig Börne (1786-1837) zitierend, ergänzte Landrat Udo Recktenwald in der Europäischen Akademie Otzenhausen (EAO): "Regionalgeschichte ist somit die Biografie unserer Heimat, unserer Menschen." Etwas, was das Projekt "Lokale Erzählungen St. Wendeler Land 5x100" erreichen möchte: einen ersten, verständlichen Zugang zu dem, was in der Region in der Neuzeit, also den vergangenen 500 Jahren, geschehen ist, bieten, wie Werner Feldkamp von der Kulturlandschafts-Initiative erläuterte. Dazu werden Flyer in allen Kreisgemeinden erstellt, dazu gibt es eine Vortragsreihe. Schließlich haben insbesondere die komplexen neuzeitlichen Entwicklungen, Umbrüche, Revolutionen bis heute spürbare Auswirkungen. Etwa die Reformation. Diese und ihre Folgen für das St. Wendeler Land standen im Fokus der Auftaktveranstaltung der Vortragsreihe.

"Das reformatorische Gedankengut ist in unserm Raum wohl schon zu Beginn der 20er Jahre des 16. Jahrhunderts bekannt geworden", eröffnete der Historiker Bernhard W. Planz seinen Vortrag. Dieses Gedankengut ist vor allem mit einem Namen verbunden: Martin Luther. Er, der Mönch und Rebell, wetterte vor 500 Jahren gegen Fehlentwicklungen innerhalb der Kirche und was schließlich - ungewollt - zu einer weiteren Spaltung der europäischen Christenheit führte; nachdem es bereits im Hochmittelalter zur Trennung von West- und Ostkirche gekommen war. Katholisch oder protestantisch - dies war nun nicht nur eine Glaubensfrage, sondern auch eine politische.

Denn es kam zu militärischen Auseinandersetzungen. Um den Glauben, um die Macht. So durch Franz von Sickingen, der gegen das katholische Trier zog, um es sich einzuverleiben, auf seinem Wege dorthin 1522 die Stadt St. Wendel besetzte. Der Augsburger Religions- und Landesfrieden von 1555 sollte dem blutigen Treiben ein Ende setzen. Römisch-katholisch und evangelisch-lutherisch waren nun gleichberechtigt. Doch welcher Konfession der "einfache Mann" angehörte, das entschieden die Machthaber. Planz: "Häufig wird diese Regelung in der später geprägten Wendung ,Cuius regio, eius religio' - der Landesherr bestimmt die Konfession seiner Untertanen - zusammengefasst, ohne dass dies jemals reichsrechtlich so festgelegt worden wäre."

Das Gebiet des heutigen Landkreises St. Wendel teilten sich damals vier Landesherren: der Erzbischof und Kurfürst von Trier, die Herzöge von Lothringen und Pfalz-Zweibrücken sowie der Graf von Nassau-Saarbrücken.

Entschieden gegen reformatorische Bestrebungen waren Trier und Lothringen. Sie blieben katholisch und somit auch das Amt St. Wendel, das Schaumberg-Gebiet und Ortschaften im Norden des heutigen Landkreises.

Anders sah es bei Pfalz-Zweibrücken und Nassau-Saarbrücken aus. Hier wurde die Reformation eingeführt. Und somit auch im Amt Nohfelden, im mittleren Ostertal, in Berschweiler, Urexweiler, Remmesweiler, in Ober- und Niederlinxweiler, Werschweiler, Dörrenbach. Doch es wurde noch komplizierter, schließlich gab es noch die reformierte Konfession, die auf den Gedanken der Reformatoren Ulrich Zwingli und Johannes Calvin beruhte und in einzelnen theologischen Aspekten weiterging als Luther. Um 1600 die pfalz-zweibrückischen Kirchengemeinden Niederkirchen und Wolfersweiler dieser Konfession an.

Verwirrend, vor allem für die einfache Bevölkerung. Ein Johannes Schmidt aus Marth gab damals etwa an, er sei in seinem Leben bereits katholisch, lutherisch und reformiert gewesen - nun würde er gerne wissen wollen, welche Glaubensrichtung die wahre sei. Auch lebten alte, also katholische Traditionen in lutherischen und reformierten Gebieten der Region weiter.

"500 Jahre trennen uns vom Beginn der Reformationszeit. Betrachten wir diese Zeit unter regionaler Perspektive, dann kann nicht überraschen, dass sich deutliche Spuren der herrschaftlichen Vorgaben von damals noch in der Gegenwart finden lassen", schloss Planz seinen Vortrag. Orte wie Dörrenbach und Werschweiler seien weiterhin eher protestantisch, Winterbach oder Alsweiler stärker katholisch geprägt. Weil die Landesherren sich damals entweder für das eine oder das andere entschieden haben.

Und eigentlich begann alles mit Martin Luther. Vor genau 500 Jahren. Daran erinnert die evangelische Kirche 2017. Daher sprach auch Gerhard Koepke, Superintendent des Kirchenkreises Saar-Ost, vor den 50 Gästen der Auftaktveranstaltung. Er verwies auf die schwierige Persönlichkeit Luthers, auf das, was mit ihm anfing, wie es weiterging, was bis heute fortwirkt. Die Reformation - ein komplexer Vorgang. Koepke: "Aber auch spannend und chaotisch - eben evangelisch."

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