Aus glühendem Eisen werden Nägel

Sitzerath · Der letzte Sitzerather Nagelschmied legte im Jahre 1935 den Hammer aus der Hand. Am Samstag hat ihn der Hobbynagelschmied Albert Paulus wieder zur Hand genommen. Er zeigte den Besuchern, wie Vierkant- und Zwei- und Ein-Spitz-Nägel hergestellt werden.

Sitzerath. "Der Nagelschmied schmiedet aus entsprechend dünnen, an den Spitzen glühend gemachten Eisenstreifen die Stifte der Nägel und schlägt sie dann ab, indem er das nöthige Eisen zum Kopfe daran läßt, der nachher mittels einer besonderen Vorrichtung durch einige Hammerschläge gebildet wird. Gepreßt werden die Nägel mittels Maschinen."So steht es in einem Nachschlagewerk aus dem Jahre 1839. Es war die Zeit, als das Nagelschmiedehandwerk im Hochwald noch in voller Blüte stand. Entstanden war es, weil in dieser Gegend reichlich Rohstoff vorhanden und die Eisenverhüttung ein wichtiger Industriezweig war. Wer am Samstag beim Sitzerather Nagelschmiedefest dem Hobbynagelschmied Albert Paulus über die Schulter schaute, war mit einem Mal wieder in diese Zeit zurückversetzt.

In der Esse loderte wie einst das Feuer. Darin lagen mehrere Rundstäbe mit einem Durchmesser von sechs Millimetern und nahmen allmählich ihre glühendrote Farbe an, die sie zur Bearbeitung brauchten. "Es darf nur reines Schmiedeeisen sein", erklärte der Nagelschmied, "und vor allem: es darf keinen Kohlenstoff enthalten, sonst lässt es sich nicht schmieden." Ohne Handschuh nahm der Handwerker den Eisenstab aus dem Feuer und bearbeitete ihn mit dem Hammer, bis eine Spitze entstanden war. Das kleine von dem Eisenstab abgebrochene Werkstück erhielt am Ende durch einen mechanischen Hammer seine Form. In kurzen Abständen sauste das schwere Gerät auf das Nageleisen und prägte dem Nagel den entsprechenden Kopf ein.

Freilich, ganz ohne die Moderne kam auch Albert Paulus in der historischen Dorfschmiede nicht aus. Zwar hatte er neben sich das Rad stehen, in dem früher ein Hund lief. Durch eine Kurbel wurde der Blasebalg bewegt und sorgte für Luft in der Esse. Der Stoffhund ist in Sitzerath jedoch nur noch Dekoration.

Die Esse erhält die nötige Luft von einem Elektromotor. Auf einem Schaubild waren die vielen Sorten an Nägeln abgebildet, die die früher Nagelschmiede herstellten. "In den Hauptorten Sitzerath, Bierfeld, Gusenburg und Hermeskeil wurden fast nur Sechskant-, Vierkant- und Zwei-Spitz-Nägel gemacht", erzählte Albert Paulus. "Die meisten kamen auf die Schuhsohlen und an die Schuhränder, damit die Schuhe länger getragen werden konnten."

Heimatkundler haben festgestellt, dass es in Sitzerath einst etwa 20 Nagelschmiede gab. "Die ganze Familie musste mithelfen, sogar die Kinder. 3000 einspitzige Nägel waren damals eine Tagesleistung. Dafür gab es, umgerechnet auf die heutige Kaufkraft, etwa 1,20 Euro." Und mit einem Schmunzeln im Gesicht verriet Albert Paulus: "Fünf bis sechs Nägel in der Minute schaffe ich heute auch noch." In der Geschichte ist überliefert, dass mehrere Sitzerather Nagelschmiede wegen ihres unterbezahlten Handwerks ausgewandert sind.

Passend zu dem alten Handwerk gab es abends Musik aus dem Mittelalter. Dieter Lang-Zörner alias Theoderich Nemmersatt und seine Partnerin aus der Pfalz hatten nicht nur eine Laute und eine Cister, das ist eine Art Zither, mitgebracht.

Ungewohnte Klänge wurden auch seiner Drehleier entlockt, einem Streichinstrument, bei dem die Saiten mit einem angebauten Rad gestrichen werden, das von dem Spieler mit einer Kurbel angetrieben wird.

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