Personenennahverkehr Ärger über teure Schulbus-Linien

Wadern/Otzenhausen · Eltern aus Otzenhausen, Nonnweiler oder Primstal müssen tief in die Tasche greifen, lassen sie ihre Kinder in Wadern beschulen.

 Gerade Schüler sind auf den ÖPNV angewiesen. Den bestellen die Landkreise. Auftragnehmer im Kreis St. Wendel ist Saar-Mobil. 

Gerade Schüler sind auf den ÖPNV angewiesen. Den bestellen die Landkreise. Auftragnehmer im Kreis St. Wendel ist Saar-Mobil. 

Foto: Bonenberger & Klos/B&K

Endlich Ferien im Saarland und die Schule ist weit weg – im übertragenen Sinn. Denn auch wenn die Schulhäuser derzeit geschlossen sind, verändert sich ja die Entfernung vom Wohnort zur Schule nicht. So liegen beispielsweise zwischen Otzenhausen und dem Schulstandort St. Wendel rund 30 Kilometer.

Nicht ganz 15 sind es indes bis nach Wadern. Dort wird in der Graf-Anton-Schule sowie im Hochwaldgymnasium (HWG) jungen Menschen das Rüstzeug für ihr späteres Leben vermittelt. Man mag es fast schon als logisch bezeichnen, dass sich viele Eltern aus dem zum Hochwald zählenden Teil des Landkreises St. Wendel dafür entscheiden, ihre Kinder nach Wadern zur Schule zu schicken – obwohl im benachbarten Landkreis Merzig-Wadern gelegen.

Was ja auch kein Problem ist – sollte man meinen. Ist es aber doch, wie ein Hilferuf an die Saarbrücker Zeitung nahelegt. Um Hilfe gebeten haben Eltern, deren Kinder nach Wadern zur Schule gehen. Sie sind verärgert über die Ticketpreise im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).

Die Kartenpreise im ÖPNV basieren auf dem sogenannten Waben-System. Das funktioniert so: Das Land ist in viele kleine Waben aufgeteilt. Der jeweilige Fahrpreis richtet sich danach, wie viele Waben auf dem Weg von A nach B durchfahren werden. Aufgrund dieser vom saarländischen Verkehrsverbund SaarVV erdachten Waben-Struktur gibt es etwa von Otzenhausen nach Wadern drei mögliche Streckenführungen. Die günstigste Variante führt über Nonnweiler, Sitzerath und Wadrill nach Wadern. Die Wabenstruktur des SaarVV zugrunde gelegt, würde eine Monatskarte für Schüler hier 63,80 Euro kosten (vier Waben). Nur: Diese Strecke werde morgens und abends, wenn die Kinder in die Schule oder nach Hause wollen, nicht bedient, berichtet Petra Görgen, eine der betroffenen Mütter.

Theoretisch fünf Waben würden durchfahren, wenn die Strecke über Nonnweiler und das Löstertal nach Wadern führen würde. Diese Monatskarte würde 76,60 Euro kosten — wenn es sie denn gäbe. Denn auf dieser Strecke findet kein Linienverkehr statt, wie die Gesellschaft für Infrastruktur und Beschäftigung des Landkreises Merzig-Wadern der Elternschaft per E-Mail mitgeteilt hat. Darum dürfe dieser Preis auch nicht als Vergleichsgröße herangezogen werden.

Bleibt also nur die Strecke Otzenhausen, Nonnweiler, Primstal, Wadern. Dabei werden sechs Waben durchfahren. Was den Preis für eine Monatskarte auf 85,80 Euro verteuert – also um mehr als 20 Euro gegenüber der günstigsten Variante. Familien mit zwei Kindern müssen so monatlich mehr als 170 Euro für die Fahrt zur Schule ausgeben, rechnet Sandra Buchheit aus Primstal vor.

Buchheits Sohn besuche das Gymnasium in Wadern. Für dessen Monatskarte, die zur Fahrt auf der Acht-Kilometer-Strecke nach Wadern berechtigt, zahle sie 76 Euro. „Ich finde, dass dies eine unzumutbare Belastung für Familien darstellt. Da wir im ländlichen Raum auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, wäre es dringend angeraten, dort Verbesserungen zu erzielen.“ Beispielsweise müsse die Waben-Struktur dringend überarbeitet werden. „Darüber hinaus müssen die Landkreise stärker zusammenarbeiten. Landkreis-
tickets (die günstiger sind, Anm. der Red) könnten zum Beispiel auch über Landkreisgrenzen hinaus gelten.“ Dann wären diejenigen, „die am Rande eines Landkreises leben, nicht weiter benachteiligt“.

Für den ÖPNV im Saarland zuständig sind die jeweiligen Landkreise. In diesem Fall also St. Wendel und Merzig-Wadern. Zumindest an die Verantwortlichen in Merzig-Wadern hatten sich die Eltern der betroffenen Schüler – die Rede ist von mehr als 60 – in ihrer Not gewandt. Dort hat man ihnen mitgeteilt: „Die Linien im Landkreis Merzig-Wadern werden von den Verkehrsunternehmen eigenwirtschaftlich gefahren. Folglich wird der Fahrplan von den Verkehrsunternehmen so gestaltet, dass es sich rechnet und die Kapazität ausreicht.“ Auf Nachfrage der SZ heißt es bei der Merziger Kreisverwaltung, dass dem Landkreis die Aufgabe obliege, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln eine ausreichende Verkehrsversorgung im Kreis zu gewährleisten. „Er hat auf die weitere Ausgestaltung, wie Streckenplan, Waben- und Tarifsystem keine Einflussmöglichkeiten.“ Weiter heißt es: „Im Landkreis Merzig-Wadern laufen – im Gegensatz zum Landkreis St. Wendel – noch alte Konzessionen direkt an Verkehrsunternehmer, die in eigener unternehmerischer Verantwortung fahren. Deshalb kann der Landkreis den Unternehmen nicht vorschreiben, wie die Linien gefahren werden sollen.“ Insgesamt wird die Situation im Bereich Wadern „durch die Waben- und Tarifstruktur des SaarVV sowie die Lage an der Landkreisgrenze“ als „schwierig“ bezeichnet. Auch wegen der Vorgabe, „dass sich die Preise für die Fahrkarten nicht an der direkten Strecke zwischen Start und Ziel orientieren, sondern an der tatsächlich gefahrenen Strecke“.

Der Landkreis versuche aber Einfluss zu nehmen. „Beispielsweise durch Änderungsvorschläge an den Workshop des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr, der sich mit dem Thema Waben-Struktur beschäftigt. Dort laufen Planungen, den Waben-Plan zu verändern.“ Generell sei der Landkreis Merzig-Wadern „in engem Kontakt mit dem Landkreis St. Wendel. Es laufen bereits Gespräche mit den Verantwortlichen zu diesem Thema“.

Im Landratsamt St. Wendel wird das bestätigt: „Zwischen den beiden Landkreisen finden Gespräche zur Optimierung des Busverkehrs statt.“ Allerdings sei hierbei zu erwähnen, „dass der Landkreis St. Wendel nicht Schulträger der Schulen in Wadern ist“. Weiter heißt es, „dass der Landkreis St. Wendel einen hohen Kostenanteil zur Beförderung von Schülern aus Rheinland-Pfalz, die die Schulen in Türkismühle und Freisen besuchen“, leiste. Abgesehen davon habe ein Landkreis keinen Einfluss auf das Tarif- und Wabensystem. Auch müssten bei der Planung Anschlüsse an bestehende Linien beachtet werden.

Zwar würden die Hoheitsrechte nicht abgegeben. „Eventuelle Streckenänderungen machen jedoch unter anderem Liniengenehmigungen erforderlich, und ein Mehr-
einsatz von Bussen würde auch zusätzliche Kosten verursachen. Zudem wäre ein Eingreifen in das Bedienungsgebiet der ORN (ehemals Saar-Pfalz-Bus), die für den Landkreis Merzig-Wadern tätig ist, schwierig, weil dadurch Betreiberkonflikte abzusehen sind.“

Im Landkreis St. Wendel werden die Linien von Saar-Mobil bedient. Dass es Eltern aus dem Kreis gibt, die Probleme mit der teuren Anbindung an den Schulstandort Wadern haben, war Saar-Mobil-Geschäftsführer Hans Gassert nach eigenen Angaben nicht bekannt – bis jetzt die SZ nachgehakt hat.

Gassert erklärt, keinen Einfluss auf die zu bedienenden Linien zu haben: „Der Landkreis gibt uns ganz minutiös vor, welche Linien wie und wann bedient werden sollen. Wir kriegen genau vorgegeben, was wir zu fahren haben, auf die Minute genau – jede einzelne Linie.“ Gassert würde wie er sagt gerne für die Planung verantwortlich zeichnen, „aber wir kriegen diesen Hut nicht aufgesetzt“ im Landkreis St. Wendel.

In anderen Kreisen laufe das zum Teil anders. Etwa im Saar-Pfalz-Kreis. Dort komme der Verantwortliche bei Problemen schon mal auf Gassert zu und frage: „Wie könnten wir das jetzt machen, wie können wir da eine Lösung finden?“ In St. Wendel passiere das nicht. Es liege jedenfalls nicht an Saar-Mobil, dass es die oben angesprochenen Linien so gefahren werden, wie sie gefahren werden. Im Gegenteil. „Wir sind auf gar keinen Fall abgeneigt, die günstigere Variante zu bedienen. Wir sind ein Verkehrsunternehmen und leben ja davon, dass wir bessere Verkehre anbieten. Wir sind da immer interessiert.“ Saar-Mobil mache den ÖPNV ja nicht, damit er gemacht werde. „Sondern der ÖPNV ist für den Kunden da. Das haben aber viele Aufgabenträger noch nicht so richtig verstanden“, sagt Gassert. Und: „Wir bieten da gerne unsere Hilfe an. Wir haben auch Verkehrsplaner bei uns beschäftigt.“

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