Von „Hassverkäufern“ und „Mitläufern“

Saarbrücken · Interessante Gäste, ein spannendes Thema: Zur Diskussion über Rechtsextremismus hatte am Dienstag die Landeszentrale für politische Bildung in die Räume der Arbeiterwohlfahrt nach Saarbrücken geladen. Leider ging im Eifer des engagierten Gesprächs bisweilen der rote Faden verloren.

Ulrich Chaussy hatte es schon mal gesagt, jetzt formulierte er es noch direkter: "Ich verstehe nicht, warum man am V-Mann-System festhält, es macht Menschen kaputt und nutzt nichts." Es war eine von mehreren Hartnäckigkeiten, die sich Chaussy bei der Saarbrücker Podiumsdiskussion zum Rechtsextremismus am Dienstag erlaubte.

Der Reporter, der seit über 30 Jahren unermüdlich zu den Hintergründen des Oktoberfest-Attentats von 1980 recherchiert, weiß wovon er spricht. Dass Neonazis gegen staatliche Bezahlung weiter in ihren Strukturen verbleiben, weil die V-Mann-Führer um keinen Preis ihre Quellen offenbaren wollen, ist für ihn unfassbar. Doch auch Chaussys zweiter Anlauf an diesem Abend, einen Aspekt zu vertiefen, führte nicht zum Erfolg. Zwar gelang es dem Leiter der Abteilung Staatsschutz im saarländischen Landespolizeipräsidium, Michael Klein, kurz die Bemerkung unterzubringen, V-Männer würden weniger im rechtsextremen Milieu als eher in "anderen Bereichen" gebraucht. In welchen, erfuhr man dann aber schon nicht mehr. Da war die Runde längst beim nächsten Thema.

Manchmal ist genau dies die Krux hochkarätig besetzter Diskussionsrunden: Geht es allzu munter und eloquent hin- und her, kann der rote Gesprächsfaden schnell mal auf der Strecke bleiben. Ein wenig litt auch die von Jürgen Albers moderierte Veranstaltung unter dem Problem. Was umso bedauerlicher war, da alle Gäste - neben Klein und Chaussy der NPD-Experte Robert Ackermann und Filmemacherin Mo Asumang - eine Menge zu berichten hatten. Asumang etwa von den Dreharbeiten zu ihrem Film "Die Arier", in deren Verlauf sie gelernt habe zu unterscheiden zwischen "Hassverkäufern" und Mitläufern. Mit letzteren, so Asumang, könne und müsse man im Gespräch bleiben. Das unterstrich Robert Ackermann, der darauf verwies, dass rechtsextreme Parteien in bestimmten Regionen gezielt das Fehlen sogenannter "intermediärer Systeme" wie Vereine ausnutzten, um in diese Lücke mit ihren Ideologien zu stoßen.

Zu dem Phänomen im Saarland legte Staatsschützer Klein eine aktuelle Straftaten-Statistik vor: Rund 70 000 Straftaten zähle man insgesamt pro Jahr, von denen 130-140 rechtsextrem motiviert seien - was nichts über die Dunkelziffer aussage. Welche Aussagekraft eine Statistik habe, wenn die offensichtlich rechtsextreme Motivation vieler Taten im juristischen Sinne nicht nachweisbar ist, fragte Chaussy. Auch diese Frage verhallte - leider.

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