Seltener Fund in der Steinbachtalsperre Forscher finden vom Aussterben bedrohten Krebs nahe Saarland-Grenze

Idar-Oberstein · Einen ganz besonderen Fund haben Forscher vom Umwelt-Campus Birkenfeld unweit der saarländischen Grenze am Steinbach gemacht: Hier lebt eine fast ausgestorbene Krebsart. Die Experten erklären, warum die Tiere bedroht sind – und warum sie am Steinbach trotzdem überleben.

Vom Aussterben bedroht: Seltener Kebs bei Idar-Oberstein nahe Saarland entdeckt
Foto: Umwelt-Campus Birkenfeld/Wolfram Remmers

So edel sieht der Edelkrebs gar nicht aus. Aber selten ist er allemal. Umso erstaunlicher, dass Biologen vom Umwelt-Campus Birkenfeld ihn unweit der saarländischen Grenze, in der Steinbachtalsperre bei Idar-Oberstein, entdecken konnten.

„Erste genetische Untersuchungen legen nahe, dass es sich um einen Restbestand dieser vorher in der Region weit verbreiteten und heute fast vollkommen verschwundenen Art handelt, die in der Talsperre ein Refugium gefunden hat“, erklärt Stefan Stoll, Professor für Interdisziplinären Umweltschutz.

Die Edelkrebse werden in ganz Europa immer seltener; in Deutschland sind sie vom Aussterben bedroht. Ein Grund: die sogenannte Krebspest. Diese ist ein Pilz, der die Tiere befällt. „Wenn die Krebse sich einmal infiziert haben, dann sterben sie in 100 Prozent der Fälle auch an der Krankheit“, sagt Gewässerbiologe Wolfram Remmers vom Umwelt-Campus Birkenfeld auf SZ-Anfrage. Remmers ist Assistent in Stolls Forschungsteam und promoviert an der Universität Koblenz-Landau, wo er zur Verbreitung des invasiven Höckerflohkrebses forscht. Und genau da liegt der Krebs begraben: Eingeführte invasive Krebsarten wie der Signalkrebs oder der Kamberkrebs breiten sich schnell in europäischen Gewässern und bringen die Pest aus ihrer amerikanischen Heimat mit – sie selbst sind aber immun. Trotzdem übertragen sie den Erreger auf die ungewappneten einheimischen Krebse. Die Krankheit bedroht auch die in Deutschland sogar noch selteneren Steinkrebse und Dohlenkrebse. Neben der Krebspest ist der Edelkrebs auch von Gewässerverschmutzung und der Zerstörung seiner natürlichen Lebensräume bedroht. Wie so oft ist es also der Mensch, der das Tier aus Unachtsamkeit ausrottet.

Vom Aussterben bedroht: Seltener Kebs bei Idar-Oberstein nahe Saarland entdeckt
Foto: Umwelt-Campus Birkenfeld/Wolfgang Remmers

Was kann man also tun? Die eingeführten amerikanischen Flusskrebse sind kaum wegzukriegen. „Sobald die im Gewässer sind, ist es fast unmöglich, sie da wieder raus zu holen“ sagt Remmers.Es ist ein enormer Aufwand, ein Gewässer von den Tieren zu befreien, und dann muss man damit rechnen, dass sie einfach wiederkommen.“ Aber es könnte Möglichkeiten geben, zumindest die bestehenden einheimischen Populationen zu bewahren: „Dass wir die Tiere gefunden haben, ist auf jeden Fall ein gutes Argument für Natur- und Artenschutz.“ Für Schutz, Erhalt und Förderung des Bestandes soll die Habitatqualität in der Steinbachtalsperre verbessert werden, heißt es vonseiten des Umwelt-Campus.

Aber wenn die Edelkrebse so massiv von den anderen Arten verdrängt werden, wie konnten sie dann im Steinbach überleben? „Wir gehen momentan davon aus, dass die eingewanderten Arten die Staumauer nicht überwinden können“, sagt Remmers. Die Edelkrebse kommen also gar nicht mit den anderen Tieren in Kontakt – also auch nicht mit ihren Krankheiten. Anscheinend reicht der vermutlich recht kleinen Edelkrebs-Population die Talsperre und der einfließende Steinbach als Lebensraum aus. Hier leben die Tiere von abgestorbenen Pflanzen, Aas, Kleintieren und kranken oder verletzten Fischen. Als Allesfresser helfen sie dabei, das Wasser sauber zu halten und sind selbst Nahrung für Fische wie Barsche und Forellen. Die Forscher vermuten, dass der Krebs schon lange in der Steinbachtalsperre ansässig ist und nicht künstlich angesiedelt wurde.

Insgesamt haben die Wissenschaftler bisher sechs Exemplare des Edelkrebses gefunden. Ihre Forschung steht erst am Anfang. Remmers: „Wir haben die Tiere noch nicht systematisch untersucht; das steht im kommenden Jahr an.“ Dann sollen Größe der Population, Altersstruktur, Nachwuchs, Ansiedlungsorte und vieles mehr genau erforscht werden. Die gesammelten Informationen wollen die Forscher im kommenden Jahr im WasserWissensWerk bereitstellen. „Und wer im Frühjahr zu einer Gewässerexkursionen kommt, kann mich dann auch persönlich auf das Thema ansprechen“, sagt Remmers.

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