Verständnis statt Vorurteile

Neunkirchen. Es war wie Weihnachten in der Kirche. Kein Koran ging mehr zwischen Neben-, Vorder- und Hintermann, so voll war die Yunus-Emre-Moschee. Nach dem Gebet beglückwünschte man sich gegenseitig zum "Kurban Bayrami", wie das Opferfest auf türkisch heißt. Dann ging alles zügig

Neunkirchen. Es war wie Weihnachten in der Kirche. Kein Koran ging mehr zwischen Neben-, Vorder- und Hintermann, so voll war die Yunus-Emre-Moschee. Nach dem Gebet beglückwünschte man sich gegenseitig zum "Kurban Bayrami", wie das Opferfest auf türkisch heißt. Dann ging alles zügig. Schuhe überstreifen, ein paar Worte wechseln, ein oder zwei Süßigkeiten aus den großen Behältern angeln - schon verschwanden die meisten der über 400 Gläubigen in alle Himmelsrichtungen."Man soll so schnell schlachten wie möglich", entschuldigte Ahmet Kilic, Vorsitzender des Türkisch-Islamischen Kulturvereins, die davon Eilenden. Damit eröffnete er den gemütlichen, interkulturellen Teil.

Die Initiative dazu war vom Redaktionsteam der Stadtteilzeitung "Gugg emol do" ausgegangen. "Uns war die Titelstory zur Dezemberausgabe weggebrochen", erklärte Stadtteilmanager Wolfgang Hrasky. Zum Glück erinnerte man sich des kleinen Weihnachtsgrußes des Hocas (Vorbeters) im letzten Jahr, der alle nicht muslimischen Menschen zum Opferfest einlud. "Diesmal füllt das Thema die ganze Titelseite."

Geduldig erläuterte Ahmet Kilic den wissensdurstigen Gästen, darunter der evangelische Pfarrer Uwe Schmidt und sein katholischer Kollege Michael Wilhelm, den Ursprung des Festes, das vier Tage am Stück gefeiert wird. "Es kommt vom Propheten Abraham her, der bei uns Ibrahim heißt."

Dieser war bereit, seinen Sohn Ismael (Isaak) Allah zu opfern. Als Allah seine Bereitschaft sah, gebot er ihm Einhalt. Statt des Sohnes opferte Ibrahim daraufhin einen Widder. Das wiederholen alle Muslime jährlich am Zehnten des islamischen Monats Dhu l-hiddscha. Opfern muss übrigens nur, wer dazu finanziell in der Lage ist, betonte Kilic.

Geschlachtet werden meist Schafe. Nicht irgendwie in irgendeiner Garage, sondern gemäß deutschen Hygienevorschriften in Metzgereien nach örtlicher Betäubung. "Ein Drittel des Fleisches geht an arme Leute", egal, ob Muslime oder nicht. "Ein Drittel wird mit Freunden gemeinsam verzehrt, ein Drittel bleibt der Familie."

Pfarrer Schmidt sprach für den 17. Januar eine Gegeneinladung für das Gemeindefusionsfest in der Christuskirche aus. Bereits eingeplant sind 2010 zudem zwei deutsch-türkische Lesungen im Komm, so Hrasky. Weiter geführt wird laut Schulleiter Dieter Schön auch das Modellprojekt Reformklasse der ERS Neunkirchen.

Unter dem Motto "Wir lernen uns kennen" besuchen Siebtklässler unter anderem die Moschee. Da ihm am Abbau von Vorurteilen liegt, freut Kilic gerade das besonders: "Was man selbst erlebt, vergisst man nie."

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