Unterrichtsstoff liegt auf der Straße

Ottweiler. "Wer aus dem Rathaus kommt, ist immer klüger als zuvor" besagt ein deutsches Sprichwort. Das dürfte die Klasse 9 des Ottweiler Gymnasiums seit Dienstag unterstreichen, erhielt sie im Sitzungssaal des Ottweiler Rathauses doch tiefe Einblicke in die Diskussion um die Alternativ-Planungen zur B 41, der Hauptverkerkehrsader durch die Stadt

 Anschauungsunterricht in Sachen Stadtentwicklung und Bürgerbeteiligung holten sich die jungen Damen und Herren der Klasse 9 im Ottweiler Rathaus. Foto: Stadt/Hoffmann

Anschauungsunterricht in Sachen Stadtentwicklung und Bürgerbeteiligung holten sich die jungen Damen und Herren der Klasse 9 im Ottweiler Rathaus. Foto: Stadt/Hoffmann

Ottweiler. "Wer aus dem Rathaus kommt, ist immer klüger als zuvor" besagt ein deutsches Sprichwort. Das dürfte die Klasse 9 des Ottweiler Gymnasiums seit Dienstag unterstreichen, erhielt sie im Sitzungssaal des Ottweiler Rathauses doch tiefe Einblicke in die Diskussion um die Alternativ-Planungen zur B 41, der Hauptverkerkehrsader durch die Stadt.Gut zwei Stunden lang ließen sich die zwei Dutzend Schülerinnen und Schüler von den Argumenten der Verwaltungsspitze für eine Stadtkerntangente auf der Bahngleis-Trasse und den Gegenargumenten der Interessengemeinschaft "B 41 so nicht" berieseln. Und hatten dann ihrerseits Gelegenheit, die Vortragenden zu löchern. Dafür standen städtischerseits Bürgermeister Hans-Heinrich-Rödle und Bauamtsleiter Gerhard Schmidt sowie von der Bürgerinitiative Dr. Paul Distler und Harald Schneider zur Verfügung. Moderiert wurden diese Rathausrunde im Rahmen des Politikunterrichts von Fachlehrer Hans-Joachim Hoffmann.Unbequeme FragenUnter dem Thema "politische Mitgestaltung in der Gemeinde" stand diese Schulstunde auf dem Lehrplan. Eine "Schulstunde" wäre die unbefangene Auseinandersetzung der 15- bis 16-Jährigen mit kommunalpolitischen Zwängen auch für viele Mandatsträger gewesen. Wie etwa ist dem Unverständnis der Heranwachsenden darüber zu begegnen, dass beim Bau von neuen Straßen Lärmschutzwände vorgeschrieben sind, für Lärmschutz an bestehenden Straßen aber kein Geld da ist? Wie kann die Skepsis eines Schüler ausgeräumt werden, dass eine eventuelle Umgehungsstraße um Ottweiler von den Lkw-Fahrern nicht angenommen würde, weil "die immer die kürzeste Strecke wählen"? Und wie begründet man überzeugend, dass bei der Ökologie immer die Interessen des Menschen Vorrang vor der übrigen Natur haben? Einwände, bei denen sich die "Streithähne" in Sachen "B 41 neu" meist formelhaft auf die bestehende Rechtslage oder einfach eigene Überzeugung zurückzogen.Zunächst hatten Bürgermeister Rödle und Bauamtschef Schmidt den Gymnasiasten per Wort, Plan, Computer-Simulation und Film die vom Rathaus favorisierte Verlegung der B-41-Trasse auf den nicht genutzten Gleiskörper der Bahn vorgestellt. Sie machten zugleich deutlich, dass man sich noch im Stadium der Vorplanung und der Machbarkeitsstudien befindet. Immerhin sei es "wie ein Lottogewinn" (Rödle), dass der Geldgeber Bundesregierung das Ottweiler Vorhaben in die höchste Prioritätsstufe des Bundesverkehrswegeplans aufgenommen hat.Vergleich mit "Stuttgart 21"Die Vertreter der Bürgerinitiative - sie haben nach eigenen Angaben mehr als 1000 Mitstreiter - bezeichneten das Vorhaben mit eifriger Eloquenz als Angriff auf die Lebensqualität der Ottweiler Bürger. Für sie kommt einzig eine westliche Umgehung in Frage. Paul Distler wagte sogar den Vergleich mit der Situation um "Stuttgart 21" und befand, es müsse eine Bürgerbefragung her, der Stadtrat sei nicht kompetent, dies zu entscheiden.Am Schluss der Unterrichtseinheit, bei der die Positionen - trotz aller bekundeten Bereitschaft zum fairen Meinungaustausch - militant verfochten wurden, stand für die Klasse 9 die Erkenntnis, dass ein Kompromiss in Sachen B 41 ausgeschlossen scheint. Schon zuvor fühlte sich eine Schülerin zum erstaunten Statement veranlasst: "Sie haben am Anfang gesagt, dass Sie sich nicht streiten wollen, aber Sie streiten sich die ganze Zeit, und Sie lachen noch dabei!" Etwas eleganter drückte es Pädagoge Hoffmann in seinem Resümee aus: "Es wurde deutlich, dass solche Diskussionen auch emotional belastet sind!"

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