Im Wald, da ist der Förster Trockenheit, Windwürfe, Buchdrucker

Türkismühle · Der Sommer ist da, und mit ihm der Borkenkäfer. Die SZ hat Förster Fabian Weiskopf im Nohfelder Revier besucht.

 Förster Fabian Weiskopf untersucht die Rinde eines Baumes, an dem sich der Borkenkäfer schadlos gehalten hat. Zahlreiche Muttergänge hat das Borkenkäferweibchen angelegt.

Förster Fabian Weiskopf untersucht die Rinde eines Baumes, an dem sich der Borkenkäfer schadlos gehalten hat. Zahlreiche Muttergänge hat das Borkenkäferweibchen angelegt.

Foto: Thorsten Grim

Dem ungeübten Blick entgehen sie. Entweder, weil er an geeigneten Stellen wegen Unwissenheit gar nicht zu Boden schweift. Oder, weil er sie als vermuteten Teil des allgegenwärtigen Moos-Teppichs schlicht überfliegt. Das passiert Förster Fabian Weiskopf nicht. Ihm springen die kleinen Sprösslinge direkt ins Auge. „Hier sind einige“, macht er auf winzige Keimlinge aufmerksam, die sich anschicken, irgendwann in vielen Jahren große und mächtige Fichten zu werden. Jetzt, in ihrem ersten Lebensjahr, tragen sie vielleicht gerade mal 15 oder 20 Nädelchen. Ihre Köpfchen überragen das sternenförmige Moos ringsherum nur um wenige Millimeter. Und doch sind sie die Zukunft der Fichten im nördlichen Saarland. Denn aufgeforstet werden diese nicht mehr, wie Förster Weiskopf erzählt. „Wo sie natürlich nachwachsen, ist das gut so, aber selbst mit Fichten aufforsten – das machen wir gar nicht. Aufgrund des Klimawandels hat dieser Baum bei uns keine Zukunft mehr“, lautet sein Urteil.

Es ist ein schöner Sommermorgen im Holzhauser Wald nahe Türkismühle, nur wenige Meter oberhalb der Autobahn 62. Die Waldluft duftet nach frischem Harz und die wenigen schräg einfallenden Sonnenstrahlen, die einen Weg durch das Nadelgehölz gefunden haben, streicheln sanft den moosbewachsenen Waldboden. Hier und da zeigen sich aber auch lichtere Flecken, wo sich mehr Grün der Sonne entgegen reckt. Pionierpflanzen wie junge Vogelbeer- und Weißdornbäumchen stehen dort beispielsweise. Auch Brombeere und Königsfarn. Letztgenannte muss man im Auge behalten, weiß Weiskopf. Sie neigen zum Wuchern. Nehmen sie überhand, haben andere Pflänzchen kaum mehr eine Chance – auch der Fichtennachwuchs zieht gegen sie beim Kampf um Licht, Luft und Nährstoffe den Kürzeren. Apropos Licht und Luft: Davon gibt es im ehemals finsteren Holzhauser Nadelwald inzwischen mehr, als dem Förster lieb ist.

Der Wind, berichtet Weiskopf, habe im Frühjahr einen beträchlichen Teil der hier seit Jahrzehnten wurzelnden Nadelbäume zu Boden geworfen. Abgeknickt wie Streichhölzer. Jetzt liegen sie kreuz und quer. Sehr zur Freude eines kleinen Käfers. Der ist zum Problemkäfer geworden – zumindest aus der Sicht der holzwirtschaftenden Menschheit –, weil er sich massenhaft vermehrt hat. Die Rede ist vom Borkenkäfer. „Fängig“, sagt Weiskopf, seien die umgeschmetterten Bäume im Holzhauser Wald für den Winzling.

Normalerweise stellen Kupferstecher und Buchdrucker, das sind die auf Fichten spezialisierten Borkenkäferarten, für gesunde Bäume keine größere Gefahr dar. „Wenn es nicht zu viele Käfer sind, kann der Baum sich wehren, indem er die Käfer mit Harzfluss bekämpft“, erklärt der Forstmann. Anders bei geschwächten Bäumen. Borkenkäfer bringen diese im Ökosystem Wald zum Absterben und schaffen so Platz für Neubesiedelung – im Idealfall mit Bäumen, die dem Standort besser angepasst sind. Denn ursprünglich gehörten Fichten nicht zum Portfolio des saarländischen Waldes. Die stehen natürlicherweise in höheren Gebirgslagen. Doch mit den monokulturellen Plantagen, die der Mensch mit ausgedehnten Fichten-Reinbeständen geschaffen hat, sind auch optimale Borkenkäfer-Biotope entstandenen. Hier können sich bei Wetterextremen, also in langanhaltenden Hitze- oder Trockenperioden, Buchdrucker und Kupferstecher explosionsartig vermehren. So geschehen beispielsweise 2018. In der Folge schaffen es die massenhaft ausschwärmenden Rüsselkäferchen auch, gesunde Bäume zu töten. Dann entstehen Lücken. „Ist der Wald erst einmal aufgerissen, ist die Stabilität weg. Denn Fichten sind es gewohnt, im Kollektiv zu stehen.“ Jede Lücke im Wald mache die Flachwurzler anfälliger für Windwurf, was wiederum Käfern gute Brutbedingungen gibt und so weiter. Ein Teufelskreis.

„Wir haben versucht und sind noch dabei, alle Windwürfe im Revier zu schälen“, berichtet der Forstwirt, der seinen Arbeitgeber Saarforst auch in Sachen Arbeitssicherheit berät. 200 Festmeter Holz haben die drei Mitarbeiter Weiskopfs in den vergangenen Tagen und Wochen von Rinde befreit. „Aber ich weiß nicht, ob wir das Problem dieses Jahr überhaupt in den Griff bekommen.“ Geschält werden die Bäume, um dem Käfer-Nachwuchs die Nahrungsgrundlage zu entziehen. Denn die Larven der Rindenbrüter ernähren sich von den wasserführenden Schichten in der Rinde, das sogenannte Bastgewebe, die Lebensader eines jeden Baumes. Und warum wurden die Bäume im Wald liegen gelassen und geschält, statt sie rauszuziehen und abzutransportieren? Weil erstens die „Harvester- beziehungsweise Rücke-Unternehmen voll ausgelastet und somit nicht jederzeit verfügbar sind. Sobald Kapazitäten frei sind, wird das Holz schnellstmöglich aufgearbeitet und gerückt.“ An den Wegesrand. Dort werden die Stämme in Poltern abgelegt – und wohl einige Zeit liegen bleiben. „Weil die verarbeitenden Werke derzeit übervoll mit Holz sind. Die wissen gar nicht mehr wohin mit dem ganzen Holz.“ Denn auch wenn der Borkenkäfer Weiskopf in gewissem Maße Kopfzerbrechen bereitet, in den 1252 Hektar seines Reviers hält sich das Problemfeld Borkenkäfer-Windwurf noch in Grenzen – vergleichsweise. In anderen Revieren sehe es ganz anders aus. Das hat auch damit zu tun, dass nur etwa 50 Prozent der Bäume in Weiskopfs Revier Nadelgehölze sind, der Rest sind Laubbäume.

Das Nadelholz aus seinem Revier, erzählt Weiskopf, geht nahezu komplett in holzverarbeitende Betriebe in der Region. „Daraus werden beispielsweise die Hölzer gemacht, die man im Baumarkt kaufen kann“, berichtet der Forstmann. Buche – so sie nicht zu Brennholz für heimische Öfen wird – und Eiche gehen fast vollständig in den Export, werden zu Möbeln oder Furnierholz. China ist laut Weiskopf einer der Hauptabnehmer für saarländische Laubhölzer.

 Förster Fabian Weiskopf in seinem Revier: Zahlreiche Bäume hat der Wind im Frühjahr im Holzhauser Wald umgeworfen. Da die Bäume bislang nicht abtransportiert werden konnten, mussten sie geschält werden – um eine massenhafte Ausbreitung des Borkenkäfers zu verhindern.

Förster Fabian Weiskopf in seinem Revier: Zahlreiche Bäume hat der Wind im Frühjahr im Holzhauser Wald umgeworfen. Da die Bäume bislang nicht abtransportiert werden konnten, mussten sie geschält werden – um eine massenhafte Ausbreitung des Borkenkäfers zu verhindern.

Foto: Thorsten Grim
 So sieht er aus, der Problemkäfer.

So sieht er aus, der Problemkäfer.

Foto: Thorsten Grim
 Bei einem flüchtigen Blick könnte man meinen, der Baumstamm hat Pocken. Doch es sind Bohrlöcher des Borkenkäfers.

Bei einem flüchtigen Blick könnte man meinen, der Baumstamm hat Pocken. Doch es sind Bohrlöcher des Borkenkäfers.

Foto: Thorsten Grim
 Nachdem sein Kollege den Stamm von Ästen befreit hat, schält Forstwirt Egbert Schug ihn in Handarbeit.

Nachdem sein Kollege den Stamm von Ästen befreit hat, schält Forstwirt Egbert Schug ihn in Handarbeit.

Foto: Thorsten Grim
 Forstwirt Karsten Schug entatstet den Stamm einer Fichte, die vom Borkenkäfer befallen ist, mit einer Motorsäge. Danach wird er entrindet. 200 Festmeter Holz haben er und seine Kollegen bislang so bearbeitet.

Forstwirt Karsten Schug entatstet den Stamm einer Fichte, die vom Borkenkäfer befallen ist, mit einer Motorsäge. Danach wird er entrindet. 200 Festmeter Holz haben er und seine Kollegen bislang so bearbeitet.

Foto: Thorsten Grim

Das Überangebot an Nadelholz lässt hierzulande die Preise purzeln. Das macht es dem Saarforst aktuell schwer, die selbst gesteckten Verkaufserlöse zu erzielen. Auch deshalb ist die Fichte ein Auslaufmodell. Doch auf Nadelholz als Brotbaum kann und will der Saarforst nicht verzichten. Darum setzte er  nun verstärkt auf die Weißtanne. Die bildet eine Pfahlwurzel aus, wodurch sie standfester ist und bei Trockenheit tiefere Schichten anzapfen kann. Auch Douglasien kommen mit höheren Temperaturen und damit verbundener Trockenheit besser klar als Fichten. Grundsätzlich gilt jedoch, dass Waldgesellschaften mit fünf bis sechs Baumarten deutlich stabiler sind als solche mit ein oder zwei Sorten – da will der Saarforst hin. Doch das alles geschieht nicht von heute auf morgen. Denn Holz braucht Zeit zum Wachsen. Zumal der Saarforst weniger auf Aufforstung setzt als auf natürliche Verjüngung. „Dann wurzeln die Bäume deutlich besser. Wenn Bäumchen künstlich aufgezogen und dann versetzt werden, wird nicht selten die Wurzel beschädigt.“ Das mache sich Jahrzehnte später bemerkbar, wenn den Bäumen die Stadtsicherheit fehlt und der Wind angreift.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort