Sehnsuchtsort Saarland

Neunkirchen · Das Team der Schreinerei Kaspar ist begeistert von seinem neuen Mitarbeiter: Der 18-jährige Samuel aus Eritrea arbeitet als Praktikant bei dem Unternehmen. Gerne würden die Kaspars den jungen Mann, der hofft, hier bleiben zu dürfen, später zum Schreiner ausbilden.

 Praktikant Samuel (links) ist für seine Chefin Susann Kaspar ein echter Muster-Schüler in der Schreinerei. Foto: Andreas Engel

Praktikant Samuel (links) ist für seine Chefin Susann Kaspar ein echter Muster-Schüler in der Schreinerei. Foto: Andreas Engel

Foto: Andreas Engel

Nennen wir ihn einfach nur Samuel. Denn seinen vollen Namen möchte der Flüchtling aus Eritrea nicht in der Zeitung sehen; zu groß ist die Angst, die Familie zu Hause könnte Repressalien erleiden, wenn bekannt würde, wo der Sohn sich aufhält. Angst, das ist eine Vokabel, die man im Gespräch mit dem 18-Jährigen oft hört. Angst, dass die bis November dauernde Aufenthalts-Genehmigung nicht verlängert wird, Angst vor Wasser seit der Flucht übers Mittelmeer, Angst, dass das mühsam zusammengezimmerte neue Leben wieder zerbricht.

Angst war auch der Auslöser für die Flucht des damals knapp 16 Jahre alten Eritreers Ende März 2013. Er wollte dem als äußerst brutal geltendem Militärdienst und den unsicheren Verhältnissen in seiner Heimat entgehen. "Meinen Eltern habe ich nicht davon gesagt", erzählt Samuel.

Wir haben ihn in der Ottweiler Schreinerei Kaspar getroffen, wo er vor dem Start des Berufsgrundbildungs-Jahres (BGJ) ein Praktikum auf Vermittlung des Diakonischen Werkes absolviert. Samuels Chefs, Firmeninhaber Christian Kaspar und seine ebenfalls im Betrieb arbeitende Ehefrau Susann, und die anderen Mitarbeiter des Ottweiler Traditionsbetriebs, schätzen ihn sehr. "Er rechnet super, hat einen schnelle Auffassungsgabe, ist wissbegierig und fleißig", sagt Susann Kaspar. Und vergisst nicht zu erwähnen, dass ihr Schützling vor wenigen Wochen seinen regulären deutschen Hauptschulabschluss trotz einiger Sprachprobleme mit einem Einser-Schnitt absolviert hat. Nach den Sommerferien soll sich das duale BGJ (zwei Tage Schule, drei Tage im Betrieb Kaspar) anschließen. Und dann möchte Samuel eine Schreiner-Lehre ("mein Wunschberuf schon in Eritrea") in Ottweiler beginnen. Eine Möglichkeit, die ihm die Kaspars angesichts seiner Einsatzfreude gerne bieten möchten. Alle hoffen, dass er weiter im Saarland bleiben kann.

Über seine Flucht spricht der gertenschlanke, groß gewachsene junge Mann nicht gerne. Am 29. März 2013 machte er sich von Dekemhare, einer 30 000-Einwohner-Stadt unweit der eritreischen Hauptstadt Asmara, auf den Weg in die Freiheit. Über den Sudan gelangte er nach Libyen, lebte zwischendurch monatelang in Lagern, Massen-Unterkünften, kam in Polizei-Gewahrsam, befreite sich aus einem polizeilich bewachten Transport, entging Gewehrkugeln und landete schließlich auf einem Boot, dass ihn nach gefährlicher Fahrt übers Mittelmeer nach Sizilien brachte. "Immer wieder musste ich viel Geld zahlen, um weiterzukommen", erinnert er sich. Geld bekam er von Familien-Mitgliedern. Eine Geschichte, wie sie viele andere Flüchtlinge auch erlebt haben. Samuels Ziel war von Anfang an Deutschland. Nach einer Zwischenetappe in Frankreich kaufte er dort von seinem letzten Geld ein Zugticket nach Saarbrücken, wo er am 9. Mai 2014 ankam. Das Saarland als Sehnsuchtsort also. Hier ging er zur Polizei .

Als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling wurde er zuerst für einige Monate in der Clearingstelle des Diakonischen Werkes in Völklingen untergebracht. Seit einiger Zeit lebt er mit fünf anderen jungen Flüchtlingen in einer Wohngruppe der Diakonie in Ottweiler. Schon in Völklingen bemühte er sich sehr um das Erlernen der deutschen Sprache. In seiner Heimat sprach er Tigrinya und ein wenig Englisch.

Bei der Frage nach seiner Religionszugehörigkeit greift Samuel in seinen Hemd-Ausschnitt und zeigt ein kleines Kreuz. Er ist orthodoxer Christ.

Vor allem ist er aber ein junger Mensch mit Wünschen und Zielen: Lehre und der Führerschein stehen ganz oben auf der Liste, dann kommt der Sport. In Wiebelskirchen spielt er mittlerweile Fußball, Basketball macht ihm auch Spaß. Da kann er seine Angst vergessen.

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