Schulbesuch ist für sie ein Privileg

Neunkirchen · Seit Beginn dieses Schuljahres besuchen drei Jugendliche aus Afghanistan die Ganztagsgemeinschaftsschule, um sich auf ihren Hauptschulabschluss vorzubereiten. Seit Herbst 2012 sind sie in Deutschland.

 Farshad Mohammadi, Arasch Nazari und Arman Amiri (v.l.) zeigen auf dem Globus der GGS Neunkirchen, auf welchem Weg ihnen die Flucht aus Afghanistan geglückt ist. Foto: Thomas Seeber

Farshad Mohammadi, Arasch Nazari und Arman Amiri (v.l.) zeigen auf dem Globus der GGS Neunkirchen, auf welchem Weg ihnen die Flucht aus Afghanistan geglückt ist. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

. Wie groß muss die Angst um das eigene Leben sein, wenn ein 13-jähriger Junge seine Familie verlässt mit der Gewissheit, sie nie mehr wiederzusehen? Welche Überlebenskraft steckt dahinter, eine abenteuerliche Flucht durch fünf Länder Asiens und Europas zu meistern und nun in einer deutschen Schule zu sitzen mit einem scheuen Lächeln im Gesicht? Fragen, die Arasch Nazari, Arman Amiri und Farshad Mohammadi durch ihre Geschichte beantworten. Es sind "bemerkenswerte Biographien", sagt der Schulleiter der GGS Neunkirchen, Clemens Wilhelm. Diese Schule gibt den drei jungen Flüchtlingen seit diesem Schuljahr die Chance, einen Hauptschulabschluss zu machen. Der 18-jährige Arasch und der 17-jährige Arman versuchen dies in der Klasse 8d, der 18-jährige Farshad in der Klasse 9e. Die drei tun ihr Bestes, doch die Voraussetzungen sind mehr als schwierig. Dank des Sprachkurses an der Schule sprechen sie bereits erstaunlich gut deutsch, das Fachwissen lässt sich allerdings nicht in der kurzen Zeit nachholen. "Die Jungs sind unglaublich lernwillig, weil sie wissen, dass Bildung in ihrer Heimat ein Privileg ist, keine Selbstverständlichkeit", verdeutlicht Wilhelm. An der Schule seien auch alle sehr nett, betonen die drei. "Ehrlich! In Deutschland ist es super", sagt Arasch mit Überzeugung in der Stimme. Und wenn er erzählt, wie er als elternloser Junge mit 13 in den Iran geflohen ist und ein Jahr Kinderarbeit verrichtet hat, um schließlich über die Türkei, Griechenland, Italien und schließlich Frankreich nach Deutschland zu kommen, glaubt man ihm das auch. Sein Freund Arman, den er erst hier im Saarland kennen gelernt hat, möchte seine Geschichte nicht selbst erzählen. Zu viele Emotionen. Roland Kraushaar vom Diakonischen Werk, das die drei Jungs in einer Wohngruppe in Ottweiler betreut, übernimmt es für ihn. Arman stammt aus dem Norden Kabuls. Er hat früh seine Mutter verloren, von der Stiefmutter bekam er nur Schläge. Der damals 13-Jährige suchte sein Heil in der Flucht, lebte zwei Jahre illegal in Teheran und arbeitete auf dem Bau. Dann fand er mit etwas Glück einen Job in einer Autowerkstatt und verdiente sich Geld mit dem Ziel, nach Deutschland zu fliehen. Bekannte hatten ihm erzählt, dass es ein gutes Land sei. Kaum vorstellbar, dass ein 15-jähriger ohne Eltern zu Fuß, per Lkw, Fähre und der Bahn rund 7000 Kilometer zurücklegt. Auch Farshad nahm dieses Wagnis auf sich, er stammt aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Kabul. Als Jugendlicher geriet er zwischen die Fronten eines Stammeskonflikts. "Er musste um sein Leben fürchten", berichtet Roland Kraushaar. Um ihn aus der Gefahrenzone zu bringen, brachte seine Familie viel Geld auf für die professionellen Schlepper. "Wir waren zirka 40 Flüchtlinge, verbrachten auch vier Stunden auf See", erzählt Farshad. "Wir alle hatten sehr Angst."

Die drei Jungs haben eine Aufenthaltserlaubnis bis 2016. Diese Zeit wollen sie nutzen. Arasch macht jetzt ein Schulpraktikum in einem Maler- und Lackiererbetrieb, Arman in einer Kfz-Werkstatt. Auch Farshads Traumberuf ist Kfz-Mechaniker. Doch was nach der Schule wird, ist erst mal ungewiss, sagt Kraushaar. Farshad spricht seinen Freunden aus der Seele: "Ich kann nicht nach Afghanistan zurück. Hier bin ich sicher, hier will ich bleiben."

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