Ruhe und Bewegung treffen sich

Dagstuhl · Der wissenschaftliche Direktor des Leibniz-Zentrums für Informatik Schloss Dagstuhl, Professor Reinhard Wilhelm, eröffnete kürzlich in seinen Räumen eine Ausstellung. Dort sind bis 24. Juli große und kleinere serielle Zeichnungen von Michael Mahren und zahlreiche Eisenplastiken von Anne Haring zu sehen. Unter dem Titel „komplementär“ zeigen beide ihre Gegensätzlichkeit, auch die sich ergänzenden Gemeinsamkeiten.

 Die großformatige Zeichnung von Michael Mahren mit dem Titel „Nach den Rhythmen des Drummers“. Fotos: Sylvie Rauch

Die großformatige Zeichnung von Michael Mahren mit dem Titel „Nach den Rhythmen des Drummers“. Fotos: Sylvie Rauch

 Eine der Eisenplastiken von Anne Haring.

Eine der Eisenplastiken von Anne Haring.

 Michael Mahren, Anne Haring und Professor Reinhard Wilhelm (von links) eröffneten die Ausstellung „komplementär“.

Michael Mahren, Anne Haring und Professor Reinhard Wilhelm (von links) eröffneten die Ausstellung „komplementär“.

Wer die Arbeiten von Michael Mahren und Anne Haring betrachtet, könnte zu dem Urteil kommen, dass sie gegensätzlicher kaum sein könnten. Während Mahren die Technik des Zeichnens bis an die Grenzen des Möglichen ausreizt, was die Spontanität und Schnelligkeit angeht, nimmt sich Anne Haring Zeit für ihre kleinen und großen Skulpturen, die aus Eisen gegossen wohl statischer kaum sein könnten.

Gerade die Spannung verleiht ihnen ihren Ausdruck, die Festigkeit des Stands ist ihre primäre Eigenschaft. Scheinbar sind in den Arbeiten von Mahren und Haring die Seiten vertauscht. Könnte man in der Zeichnung gerade gut das Ziel im eingefrorenen Bewegungsmoment suchen, so wäre es durchaus denkbar die Bewegung in den Skulpturen zu schaffen. Doch gerade die umgekehrte Herangehensweise macht die gemeinsame Ausstellung von Anne Haring und Michael Mahren so spannend. Komplementär ist der treffende Titel der Ausstellung, Ruhe und Bewegung im Untertitel deuten die beiden Schwerpunkte der Ausstellungsstücke an.

Geht man von der Bedeutung des Wortes komplementär aus, so kommt man nicht umhin, neben der Gegensätzlichkeit der Arbeiten auch die ergänzenden Eigenschaften zu suchen. Die zunächst oberflächlichen Gegensätze sind offensichtlich: Hier die schnellen, fast flüchtigen Zeichenstriche auf dünnem Papier, dort aus Eisen gegossene, starre Figuren. Dennoch ergänzen sie sich auf Basis der Gemeinsamkeit.

Denn allen Arbeiten von Michael Mahren und Anne Haring liegt der Mensch als Basis des Schaffens zu Grunde. Und beide arbeiten in einem offenen, nicht ergebnisorientierten Prozess.

Michael Mahren dreht bei seiner Herangehensweise das klassische Bild des Zeichners um. Er sucht sich keine statischen Motive, die er in Ruhe skizziert. Mahren zeichnet beispielsweise einen Schlagzeuger beim Proben oder Boxer während eines Kampfes. Dabei überträgt er die Dynamik der Bewegung mit schnellen Strichen auf das Papier, setzt immer wieder neu an und vermischt so mehrere Eindrücke in einem Bild.

"Wenn ich den Schlagzeuger zeichne, merke ich schnell, wie ich eher dem Rhythmus mit der Hand folge, als dem, was ich mit den Augen wahrnehme. Ich lasse mich ohne darüber nachzudenken mitreißen und von außen ein Stück weit bestimmen. Das Porträtieren hört in dem Moment auf, in dem der Schlagzeuger zu spielen beginnt", erklärt Michael Mahren seine Arbeitsweise. Die Bewegung, die seine Motive vordergründig bestimmt, sind sein charakteristisches Gestaltungsmerkmal.

Denn auch bei den Zeichnungen eines Boxkampfs bestimmt die Bewegung, die Rhythmik seine Linienführung. Bei einer dritten seriellen Arbeit kommt noch die eigene Bewegung hinzu. Denn Michael Mahren zeichnet auch während des Spazierengehens. Zwar steht dann die Umgebung objektiv still, aber durch Mahrens eigene Fortbewegung, gerät auch sein Motiv in Bewegung. Ständig ändern sich Blickwinkel und somit auch das Motiv.

Und so manches Mal fällt Mahren dabei in eine Art von Trance, so sehr ist er in diese Form des Zeichnens vertieft. Bei Anne Haring steht eher die Ruhe und Einsamkeit im Mittelpunkt ihres kreativen Arbeitens. Sie gestaltet in ihrem Atelier allein und ohne abzubildendes Motiv ihre Figuren.

Dies geschieht ohne genaue Vorstellung, in einem offenen Entstehungsprozess. Die Figuren nehmen zunächst in Form von Draht und Wachs ihre immer unterschiedliche Gestalt an. "Es gibt kein Modell, und es wird nichts kopiert. Es sind durchweg authentische Arbeitsschritte, aus denen heraus immer wieder neue Figuren entstehen", betont Anne Haring.

Damit sich nicht versehentlich kopiert, fordert ihre Arbeit eine große Konzentration. Die Unterschiede ihrer kleinen bis lebensgroßen Figuren liegen im Detail, in der Form und Größe der Nase oder Füße, in der Haltung der Hände oder des Kopfes. Nur eines ist ihnen in der Gestaltung gemein: Sie müssen fest auf beiden Füßen stehen und dürfen nicht umfallen. Die Statik ist hier das entscheidende, von Haring selbst bestimmte Merkmal.

Die Ausstellung "komplementär" von Michael Mahren und Anne Haring ist bis Sonntag, 27. Juli, in den Fluren des Leibniz-Zentrums für Informatik Schloss Dagstuhl/Wadern zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Donnerstag von acht bis 16 Uhr und freitags von acht bis 13 Uhr. Um Voranmeldung unter Telefon (0 68 71) 90 50 wird gebeten.

www.dagstuhl.de/kunst

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