Radfahren wie ein Rentier

In Finnland gibt's jedes Jahr 3000 bis 5000 Unfälle, an denen ein Rentier beteiligt ist. Deshalb besprühen finnische Züchter ihre Tiere mit reflektierender Farbe.

Was das mit Merzig zu tun hat? Ich bin hier das Rentier. Nur dass es bisher keinen Unfall gebaut hat, wenn es mit dem Fahrrad fährt. Und weder reflektiert noch laut brüllt oder seiner Umwelt Vorsicht abnötigt, wenn es auftaucht. Meine Reflexe in den Fingern haben sich heftig verbessert, so oft bremse ich für Merziger. Ist aber nicht ihre Schuld. Sie sind Fahrradfahrer eben nicht so gewöhnt. Es gibt hier ja wenig Radwege und noch weniger Radler. Also pendeln sie von einer Seite des Bürgersteigs auf die andere, bleiben plötzlich stehen, gucken vor dem Abbiegen nicht hinter sich oder ignorieren die Fahrradklingel. Was mögen sie dann wohl denken? "Oh, super, mein Unterbewusstsein hat 'ne neue Idee!" Oder: "Lecker, irgendwo ist der Kuchen fertig." Oder: "Welcher unentspannte Volldepp stellt sich so einen lauten Wecker?" Damit ich nicht irgendwann den Kopf senke und auf die unschuldigen Ureinwohner zupresche, werde ich mir einen Lautsprecher ans Rad basteln. Brünftiges Elchröhren aufnehmen. Und das dann abspielen, statt zu klingeln. In den Sekunden, die der Merziger zum Staunen braucht, kann ich wenigstens vorbeischlüpfen. Und spare Leuchtfarbe, Zeit und Nerven.

Elsa Middeke stammt aus Oldenburg, lebte in Berlin und kommt im Rahmen ihres Volontariats zurzeit täglich nach Merzig.

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