Nachdenklicher Kontrapunkt
Bosen. Ein für die Jahreszeit untypisches Gedicht erhält im Dezember 2010 die Auszeichnung "Mundarttext des Monats", der Text "brün" des elsässischen Autors Ronald Euler. Darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe verständigt
Bosen. Ein für die Jahreszeit untypisches Gedicht erhält im Dezember 2010 die Auszeichnung "Mundarttext des Monats", der Text "brün" des elsässischen Autors Ronald Euler. Darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe verständigt. Das Gedicht wurde ausgewählt, weil es kurz vor den letzten großen Feiertagen des Jahres und im glitzernden Trubel vorweihnachtlichen Treibens einen nachdenklichen, aber keinesfalls farblosen Kontrapunkt zu setzt. Zu dem ausgezeichneten Text schreibt Karin Klee: "Eine Farbe für sich genommen ist neutrales Attribut einer Sache oder eines Lebewesens. Wir Menschen aber sind in der Lage, jeder Farbe auch eine positive oder negative Assoziation, eine Art Gefühlsstempel zu verpassen. So habe ich beim ersten Lesen des Gedichtes "brün" von Ronald Euler zunächst ein wertfreies Braun vor Augen und bin gespannt, wie es sich entwickeln wird. In der ersten Strophe erscheinen drei Verwandte mit braunem Fell, die sich Augen, Ohren und Mund zuhalten. Ja, ein bekanntes Bild, aber so will doch kein Mensch eingeschätzt werden. In der zweiten Strophe wird Ronald Euler eindringlicher: Hier ist kein Primat, da sitzt, steht, liegt ein Mensch, ein angepasster Duckmäuser, der sich selbst jede Kritik untersagt. Die letzte Strophe bringt es auf den Punkt und wieder jene Farbe ins Spiel, die dem Titel ihren Namen gab, und es wird klar: Es ist weder Wort noch Farbe, was hier stinkt!"Die Bosener Gruppe ist ein Zusammenschluss von Sprach-Künstlern, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die hohe literarische Wertigkeit und Ausdruckskraft der regionalen Dialektsprache ins allgemeine Bewusstsein zu rufen. red
BrünBraun
Von Ronald EulerVon Ronald Eulernix gesinn
nix heere
nix sawe
nitt meckere
nitt ufffàlle
nitt mückse
un dànn
sich wunnere
dàss àlles so verschiss isch nichts sehen
nichts hören
nichts sagen
nicht meckern
nicht auffallen
nicht mucksen
und dann
sich wundern
dass alles so beschissen ist