Nach Kritik an Jux-Video: Jetzt reden Darsteller

St Wendel · Es war eine Selbstverständlichkeit für den St. Wendeler Löschbezirk Kernstadt, als Ziel des Wettbewerbs Cold-Water-Challenge 112 Euro an den Brandopfer-Verein Paulinchen zu stiften. Damit verteidigen Teilnehmer ihr umstrittene Film-Aktion.

Über Ästhetik lässt sich trefflich philosophieren. Doch ist solch ein Streit legitimer Grund, persönlich unliebsame Darstellungen zu verbieten? Sicher nicht. Geschmäcker zum Mittel gesetzlich fundierter Entscheidungen zu machen, ist mehr als fragwürdig. Kritik indes muss durchaus erlaubt sein.

Trotzdem hatte die Feuerwehr in St. Wendel-Kernstadt diese Woche in einer Debatte damit zu kämpfen, ob ihr Spaßvideo mit halbnackten Tatsachen das Auge des Betrachters beleidigt und deshalb aus dem Netz verbannt werden muss. Es entbrannte zudem ein Streit darüber, was ehrenamtlichen Helfern außerhalb ihrer originären Tätigkeit - Leben zu retten - in Uniform erlaubt ist.

Ein Verteidiger dieser darüber hinaus noch karitativen Aktion brachte es auf den Punkt: Man muss Fünfe auch mal gerade sein lassen. Recht hat er. Denn sehr wohl tragen die witzigen Filmchen im Netz zur Image-Kampagne bei, die den Nachwuchs Gefallen an dem alles andere als leichten Ehrenamtsdienst finden lässt. Diese Gaudi sagt nicht mehr als: Ja, wir sind ein Freundschaftsteam, das auch außerhalb unserer wichtigen Pflicht zusammenhält und Spaß hat. Eine überwältigende Mehrheit der SZ-Internet-Leser sieht das ähnlich und steht den Kritisierten bei. So wichtig es ist, langjährig Tätige für ihren Dienst öffentlichkeitswirksam auszuzeichnen: Ehrungsbilder von am Revers mit Orden behängten Ehrenamtler locken kein Interesse an diesem Job hervor. Deshalb: Die teils harsche Kritik an dem Video hat die Feuerwehr nicht verdient. Die Vorwürfe, Feuerwehrleute aus St. Wendel hätten gegen Sicherheitsbestimmungen verstoßen und zudem damit eine karitative Aktion im weltweiten Computernetz ad absurdum geführt, trifft sie hart. Die Betroffenen wollen dies nicht unwidersprochen stehen lassen. So wehren sich die Darsteller des in diesem Zusammenhang beanstandeten Kurzfilms, der mittlerweile aus dem Internet verbannt wurde, in einem Schreiben an die SZ gleich gegen mehrere Vorwürfe. Unter den Absendern: Rudolf Drehmer, der selbst im Slapstick-Dreh auftritt. {rahkv} Spende: Demnach beklagen er und die anderen Laienschauspieler, dass öffentlich dargestellt wurde, es sei ihnen nur um ein Grillfest gegangen. Hintergrund: Am Ende jedes Videos fordert die jeweilige Gruppe mindestens eine weitere örtliche Hilfsorganisation auf, innerhalb von 24 oder 48 Stunden einen Kurzfilm zum selben Thema zu produzieren. Sollte den Adressaten dies nicht gelingen, sollen sie 112 Euro für junge Brandopfer stiften. So die Grundidee. Am Ende des St. Wendeler Streifens allerdings verlangte ein Sprecher eine Grillparty im Fall, dass der Videodreh nicht pünktlich im Netz steht. Keine Rede von einer karitativen Spende.

In dem offenen Brief heißt es nun, dass "unmittelbar nach Abschluss der Dreharbeiten eine Zahlung von 112 Euro an den Verein Paulinchen getätigt" worden sei. Der Löschbezirk verteidigt des Weiteren: "Für uns war diese Spende eine Selbstverständlichkeit, weshalb wir es so im Video nicht explizit erwähnt haben." Es handle sich schließlich "um eine stillschweigende Vereinbarung" aller Teilnehmer an dem Wettstreit - deutschlandweit. {rahkv} Blaulicht: Zudem treffe es auch nicht zu, dass Feuerwehrleute für den Streifen unerlaubt mit Blaulicht und Martinshorn von der Wache bis zur Waschstraße am Tholeyer Berg durch den Ort gefahren seien. Hier intervenierte St. Wendels Bürgermeister Klaus Bouillon (CDU ) als oberster Feuerwehr-Dienstherr in der Kreisstadt wegen des Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung. Es habe weder Genehmigung noch triftiger Grund dafür vorgelegen. Drehmer präzisiert nun: Nur als das Feuerwehrgerätehaus verlassen und das Gelände der Waschstraße erreicht wurde, habe das Team die Signale angeschaltet. Lediglich "durch den Zusammenschnitt der Filmaufnahmen entstand ein anderer Eindruck, der jedoch stilistisch gewollt war". {rahkv} Versicherung: Außerdem sollen Unfallvorschriften während der Aktion vernachlässigt worden sein, so dass Teilnehmer in Gefahr gerieten. Hier reagieren Drehmer und die übrigen ebenso mit einem heftigen Dementi: Die Unfallverhütungsvorschriften - so wie sie auch bei tatsächlichen Einsätzen gelten - seien während der gesamten Dreharbeiten eingehalten worden. "Weder die Teilnehmer noch Fahrzeuge und Gerät waren Gefahren ausgesetzt." Dennoch warnte die Unfallkasse des Saarlandes diese Woche Feuerwehren vor der Teilnahme, da bei etwaigen Unfällen in diesem Zusammenhang kein Versicherungsschutz bestehe. Das sei indes der Wehr sehr wohl bewusst gewesen. Drehmer schreibt: "Die Akteure waren sich (…) im Klaren, dass die Teilnahme unter Umständen nicht vom Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallkasse gedeckt sein könnte und in diesem Falle die private Unfallversicherung zur Schadensübernahme herangezogen werden müsste."

Kurz nach Bouillons öffentlicher Schelte war der Vorstand des Löschbezirks Kernstadt zu Wochenanfang zurückgetreten. Diesem Schritt seien laut dem jetzt nur noch bis zur Wahl kommissarisch tätigen Vorsitzenden Oliver Grimm weitere Querelen zwischen Stadtverwaltung und seiner Truppe vorausgegangen, auf die er bislang nicht weiter einging. Diese seien für den jetzigen Schritt mit ausschlaggebend gewesen (wir berichteten).

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Auf einen BlickCold-Water-Challenge (Kalt-Wasser-Herausforderung): Dabei spornen sich Hilfsorganisationen bundesweit an, binnen 24 oder 48 Stunden einen Film zu drehen und ihn ins Internet zu stellen. Alles dreht sich ums Thema kaltes Wasser, das interpretiert werden soll.Der Verein Paulinchen soll mit dieser karitativen Aktion unterstützt werden. Er kümmert sich um Kinder, die zu Brandopfern wurden. Wer es nicht schafft, in der zeitlich gesetzten Frist den Videodreh abzuschließen, soll 112 Euro an den Verein spenden. Die meisten Teilnehmer zahlen, ob Ziel erreicht oder nicht. Einige erhöhen sogar den Betrag.Kritik an dem Wettstreit kommt unter anderem von den Unfallkassen, da kein Versicherungsschutz gelte. hgn

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