Musizieren mit Hang zur Lyrik

Neunkirchen. Kennen Sie Hans Gustav Bötticher? Er schrieb die unsterblichen Zeilen: "Wenn du einen Schneck behauchst, schrumpft er ins Gehäuse, wenn du ihn in Cognac tauchst, sieht er weiße Mäuse" - und wurde später als Joachim Ringelnatz bekannt

 Die Musiker Amby Schillo, Nino Deda und Michael Marx. (v.l.) Foto: SZ

Die Musiker Amby Schillo, Nino Deda und Michael Marx. (v.l.) Foto: SZ

Neunkirchen. Kennen Sie Hans Gustav Bötticher? Er schrieb die unsterblichen Zeilen: "Wenn du einen Schneck behauchst, schrumpft er ins Gehäuse, wenn du ihn in Cognac tauchst, sieht er weiße Mäuse" - und wurde später als Joachim Ringelnatz bekannt. Die Verse stammen aus seinem Gedicht "Überall (ist Wunderland)" - eines von insgesamt zwölf Werken auf der neuen CD "Lieder der Poesie 2" von Michael Marx, Nino Deda und Amby Schillo. Am Freitag und Samstag war Premiere und CD-Präsentation in der Stummschen Reithalle, zwei Mal vor ausverkauftem Saal. Nach dem großen Erfolg seines ersten Programms hat das Trio erneut im Schatzkästlein der deutschen Lyrik gegraben und einiges zu Tage gefördert: Kurioses und Nachdenkliches, Heiteres und Melancholisches, Philosophisches und "Nonsens". "Wir haben wirklich viel gelesen, und es war schwer, eine Auswahl zu treffen", erzählt Nino Deda, "die Poesie ist ja wie ein Meer, ein Ozean." - "Heinrich Heine zum Beispiel hat mit seinen Gedichten, dem Versmaß und der Rhythmik, den Komponisten die Musik fast in die Feder geschrieben", ergänzt Michael Marx. Die beiden Musiker nahmen die literarische Vorlage dankend an. Neben dem bewährten Instrumentarium mit Solo- und Chor-Gesang, Gitarre, Bass, Akkordeon und Cello setzen das Duduk - ein armenisches Doppelrohrblattinstrument mit samtig-weichem, recht tiefem Klang - und die Udu - eine afrikanische Trommel aus gebranntem Ton, die aussieht wie eine Vase - klangliche Akzente.Mit viel Applaus belohnt wurde die Version von Rainer Maria Rilkes "Karussell", das das ewige Kreisen eines Karussells im Jardin de Luxembourg in Paris beschreibt, die aufgeregten Kinder, die sich vorbeidrehenden Karusselltiere, Pferde, "ein roter Löwe und ein weißer Elefant". Manche übermütige Kapriole erlaubten sich da auch Schillo, Deda und Marx, bei denen man den Schalk aus jedem Ton hörte. Versiert, virtuos und vielseitig zeigten sich die Herren: Marx singt mit dramatischem Pathos Heines Ballade "Belsazar", Amby Schillo treibt mit einem saftigen Marschrhythmus Erich Kästners "Die andere Möglichkeit" (was wäre wohl gewesen, wenn Deutschland den Krieg gewonnen hätte?) auf die Spitze, süffisant philosophiert die feine Gesellschaft über die Liebe: "Sie saßen und tranken am Teetisch" (Heine). Und auch ein richtiger Gute-Laune-Groove war dabei: "Dunkel war's, der Mond schien helle ..." Lohn der Mühen: ein begeistertes Publikum und eine umjubelte Premiere. jen

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