Umwelt-Campus Birkenfeld Wie mit Mint Klimafolgen vorhersagbar werden

Nohfelden · Der Umwelt-Campus setzt gemeinsam mit Schülern aus dem Kreis St. Wendel auf digitale Hochwasservorhersagen.

 So sieht der erste Prototyp mit dem IoT-Octopus aus. 

So sieht der erste Prototyp mit dem IoT-Octopus aus. 

Foto: Guido Burger

 Schüler im Landkreis St. Wendel nutzen die digitale Selbstbauinnovation des Umwelt-Campus Birkenfeld (UCB) der Hochschule Trier und beteiligen sich so an der Bewältigung der Klimakrise. Das teilt ein Sprecher des Campus mit.

UCB-Forscher und ein Maker aus Stuttgart entwickeln ein quelloffenes System zur Messung von Pegelständen an Gewässern. Und das Beste: Alles im Rahmen der IoT2-Werkstatt auch zum Selbstbau geeignet. Ein erstes Pilotprojekt startete jetzt an der Gemeinschaftsschule Türkismühle im Landkreis St. Wendel. Zur Planung und Umsetzung haben sich dort ortsansässige Handwerksbetriebe, engagierte Lehrkräfte und der Katastrophenschutz des Landkreises zusammengefunden, um Nachwuchskräfte für Mint-Berufe zu werben und digitale Lösungen anfassbar zu machen, heißt es weiter.

Erst kürzlich präsentierte der Umwelt-Campus seine Ideen auf der Woche der Umwelt beim Bundespräsidenten in Berlin. Neben der CO2-Ampel, die mittlerweile bundesweit tausende Mitstreiter gefunden hat, rückt jetzt ein weiteres Exponat in den Fokus, denn die Hochwasserkatastrophe hat ein zentrales Defizit deutlich gemacht: Wir verfügen bisher kaum über das notwendige Wissen, wie sich kleine Gewässer bei Starkregen verhalten und können deshalb auch KI-Prognosen über den Pegelverlauf nur sehr ungenau erstellen. Die großen Flüsse werden von professionellen und entsprechend kostspieligen Pegelstationen überwacht. Aber was ist mit dem kleinen Bach, der durchs Dorf geht?

Auch hierfür haben die Forscher eine Vorstellung, wie Bürgerwissenschaften (Citizen Science) und Kommunen eine schnelle Lösung unterstützen können: Von einer Brücke oder einem überhängenden Baum aus lässt sich der Abstand zur Wasseroberfläche einfach per Ultraschall messen und über ein IoT-Netzwerk in die Zentrale melden. Dort dienen die Daten zum Beispiel als Entscheidungsgrundlage für den Katastrophenschutz, aber auch  Bürger können die Daten einsehen. Grundlagen bilden das Internet der Dinge (IoT) und ein Open-Source Werkzeugkasten zur Programmierung, den der Umwelt-Campus gemeinsam mit der Expertengruppe IoT im nationalen Digitalgipfel und Makern aus der ganzen Welt entwickelt hat.

„Gemeinwohlorientierte Digitalisierung ist das Stichwort unserer Initiative. Wir wollen das Internet der Dinge und KI so für jedermann anfassbar machen, Gesellschaft und Schulen mitnehmen auf den Weg einer gestaltenden Nutzung der digitalen Möglichkeiten. Gerade die Klimakrise und die Pandemie zeigen uns die dringende Notwendigkeit, engagierte Nachwuchskräfte für Mint-Berufe zu begeistern“, meint Professor Klaus-Uwe Gollmer, einer der Entwickler vom Campus.

Als Teil einer Initiative zur Ausbildung im Handwerk haben Schüler im Landkreis St. Wendel im März 2021 bereits 600 IoT-CO2-Ampeln für ihre Klassenzimmer selbst realisiert. Dabei konnten sie ihre Kennnisse in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (Mint) praktisch anwenden und den Mehrwert dieser Kenntnisse besonders beim Lüften in der Pandemie selbst erfahren, heißt es weiter. Pegelmessung und die Übernahme von Gewässerpatenschaften durch die Schulen ist jetzt der nächste  Schritt, den die Wirtschaftsförderung, ortsansässige Handwerksbetriebe und der Katastrophenschutz des Landkreises gemeinsam mit dem Umwelt-Campus und der Gemeinschaftsschule Türkismühle gehen. „Vielleicht könnte unsere Initiative einmal dazu führen, dass Bildungspolitik und kommunale Träger bundesweit erkennen, dass Schulen nicht nur Geld kosten, sondern auch Kristallisationskern neuer gesellschaftlicher Entwicklungen sein können“, sagt Professur Gollmer anlässlich der Online- Übergabeveranstaltung der ersten Pegelsensoren an den Landrat durch die Klasse 8a/8b.

So könnte langfristig ein flächendeckendes Monitoring-System entstehen, das vor Ort die Daten für die zukünftig zu entwickelnden KI-Vorhersagemodelle liefert und gleichzeitig  eine redundante Netzstruktur schafft, die auch von anderen Teilnehmern genutzt werden könnte. Die potenziellen Anwendungsgebiete, insbesondere im Umwelt- und Klimaschutz, sind vielfältig. Und: Bei allen Themen könnten sich neben den Kommunen auch die Bürger aktiv beteiligen.

„IoT, Mint und Makeing sind die Schlüssel zur Bewältigung vieler Probleme unserer Zukunft. Wir brauchen unbedingt mehr Macher-Mentalität und Mint-Fachkräfte in der Gesellschaft um die Resilienz zu erhöhen“, so Guido Burger, Mitinitiator der IoT2-Werkstatt und begeisterter Maker aus Baden-Württemberg.

 Schüler der Gemeinschaftsschule Türkismühle beim Löten  Foto: Sabrina Brixius

Schüler der Gemeinschaftsschule Türkismühle beim Löten Foto: Sabrina Brixius

Foto: Sabrina Brixius
 Selbstgebaute einsatzbereite Citizen Science Box im Outdoor-Gehäuse der Klasse 8a/b der Gemeinschaftsschule Türkismühle Foto: Sabrina Brixius

Selbstgebaute einsatzbereite Citizen Science Box im Outdoor-Gehäuse der Klasse 8a/b der Gemeinschaftsschule Türkismühle Foto: Sabrina Brixius

Foto: Sabrina Brixius

An vielen Orten in Deutschland entstehen bereits öffentliche Makerspaces und Innovationslabore, die eine fächerübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen und Akteure fördern. Der Umwelt-Campus bietet  einen neuen Bachelorstudiengang zur Angewandten Informatik und Künstlichen Intelligenz. Die Vorhersage von Wasserpegeln ist nur eines der spannenden Themen im breiten Portfolio der angewandten Forschungsprojekte am Campus, heißt es abschließend.

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