Missbrauch treibt die Zahlen hoch

Kreis Neunkirchen. Die katholische Kirche hat für 2010 in allen Bistümern eine deutlich steigende Zahl von Austritten (die SZ berichtete) verzeichnet. Das gilt auch für die Dekanate Illingen und Neunkirchen, die zum Bistum Trier gehören und den Landkreis Neunkirchen abdecken

 Kirchen kämpfen gegen Mitgliederschwund. Foto: Willi Hiegel

Kirchen kämpfen gegen Mitgliederschwund. Foto: Willi Hiegel

Kreis Neunkirchen. Die katholische Kirche hat für 2010 in allen Bistümern eine deutlich steigende Zahl von Austritten (die SZ berichtete) verzeichnet. Das gilt auch für die Dekanate Illingen und Neunkirchen, die zum Bistum Trier gehören und den Landkreis Neunkirchen abdecken. Laut Bistums-Pressestelle Saarbrücken gab es im Dekanat Illingen (gut 45 000 Katholiken) bis Ende November 217 Austritte - 2009 waren es 118. Für das Dekanat Neunkirchen (gut 43 000 Katholiken) sind demnach bis Ende November 211 Austritte festgehalten - 2009 waren es 123. Den Trend bestätigen die von unserer Zeitung angefragten Zahlen der Standesämter in den sieben Kommunen des Kreises zum 30. November (Neunkirchen zum 16. Dezember) - siehe Grafik, mit Abweichungen im Detail. Die Zahl der Austritte bei den evangelischen Kirchengemeinden kreisweit (als Teil des Kirchenkreises Saar-Ost) ist nach den Zahlen der Standesämter im Vergleich zum Vorjahr relativ konstant geblieben.Die Verteilung der Austritte übers Jahr zeigt, dass die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche der Grund für die deutliche Zunahme sind. Die meisten Austritte gab es in den Monaten März, April, Mai und Juni. Danach gehen die Zahlen zurück. Das gilt auch für das ganze Bistum", erklärte Pressemann Georg Schneider auf Anfrage weiter. Die Ursache für die (vorübergehende) starke Zunahme seien also eindeutig die Missbrauchsfälle. Dazu kämen aber auch weitere Ursachen wie zunehmende Individualisierung und Abnahme der Kirchenbindung und auch finanzielle Gründe.

"Die Zahl der Kirchenaustritte im Bereich unserer evangelischen Kirche ist eher konstant bis rückläufig", vermeldet auf Anfrage Pfarrer Uwe Schmidt von der evangelische Kirchengemeinde Neunkirchen.

Seiten-Wechsel

Dort sind für 2010 nach eigenen Angaben genau 38 Kirchenaustritte registriert: "Bei einer Mitgliederzahl von rund 10 500 liegt der Austritt bei weniger als 0,4 Prozent. Die meisten Austritte - 88 Prozent - stellen wir in der Altersgruppe zwischen 30 und 60 Jahren fest", so Uwe Schmidt weiter. Sicher sei für die meisten, die die evangelische Kirche verlassen, die Kirchensteuer der entscheidende Grund: "Dennoch müssen wir uns kritisch fragen lassen: Was könnte die Kirche der so genannten ,mittleren' Generation noch mehr bieten?"

Den 38 Kirchenaustritten stünden lediglich 15 Aufnahmen gegenüber, so Schmidt. Unter diesen 15 seien mehr als die Hälfte vorher römisch-katholisch gewesen. Schmidt: "Aus Gesprächen weiß ich, dass die negativen Schlagzeilen der katholischen Kirche - Missbrauchsvorwürfe - für manche der letzte Anstoß waren, der katholischen Kirche den Rücken zu kehren. In der Regel aber haben diese Menschen schon früher ihre Kirche sehr kritisch gesehen. Als Kritikpunkte werden meist die konservative Grundhaltung, zum Beispiel beim Umgang mit Geschiedenen, die Stellung des Papstes und der übertriebene Prunk genannt." Es habe übrigens auch "ganz wenige Wechsel" von der evangelischen zur römisch-katholischen Kirche gegeben.

Doch nicht die Austritte, bereiten Pfarrer Schmidt die größten Probleme, sondern die demographische Entwicklung in Deutschland: "Im Durchschnitt stehen einer Taufe inzwischen zwei bis drei Beerdigungen gegenüber."

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