Mieter sollen ihre Balkone räumen

Neunkirchen · Langjährige Mieter im Neunkircher Corona-Hochhaus gehen auf die Barrikaden. Sie sollen Blumen und wohnliche Accessoires von ihren Balkonen entfernen. Auch die Müllentsorgung wird neu geregelt.

 Blühende Hinterhof-Oasen im Corona-Hochhaus, wie sie eigentlich durch den städtischen Hinterhofwettbewerb angeregt werden, will die Stadt dort künftig nicht mehr sehen. Foto: E. Rothhaar

Blühende Hinterhof-Oasen im Corona-Hochhaus, wie sie eigentlich durch den städtischen Hinterhofwettbewerb angeregt werden, will die Stadt dort künftig nicht mehr sehen. Foto: E. Rothhaar

Foto: E. Rothhaar
 Dutzende Tonnen quer durcheinander gestapelt auf engem Raum, so wird derzeit die Müllentsorgung im Corona-Hochhaus gehandhabt. Foto: H. Kuhn

Dutzende Tonnen quer durcheinander gestapelt auf engem Raum, so wird derzeit die Müllentsorgung im Corona-Hochhaus gehandhabt. Foto: H. Kuhn

Foto: H. Kuhn

Im einzigen "Hochhaus" der Neunkircher City herrschen Empörung und Aufregung unter den Mietern. Sie dürfen ihre Balkone zum Innenhof nicht mehr mit wohnlichen Accessoires und Blumen schmücken. Ferner können sie nicht mehr wie gewohnt ihren Müll wohnungsnah in jene Tonnen entsorgen, die auf den Balkonen und im Treppenhaus jeder Etage standen.

Grund: Hauseigentümer Dr. Peter Ruffing und die Hausverwaltung sehen sich in der Pflicht, gesetzliche Bestimmungen zu Brandschutz und Gefahrenverhütung konsequent umzusetzen. Entsprechenden Druck übt die Stadt Neunkirchen aus. "Wir werden die Umsetzung strengstens überwachen", so Oberbürgermeister Jürgen Fried, der das Thema zur Chefsache gemacht hat, zur SZ. Nicht ausschließlich aus Sicherheitsgründen, sondern auch, um im Zusammenhang mit dem Corona-Hochhaus etwas zu bewegen. Das fast 60 Jahre alte Gebäude mit seinen 76 Wohnungen ist alles andere als in einem ansehnlichen Zustand. Und passt nicht nur nach Ansicht des OB in der jetzigen Verfassung nicht mehr so recht ins aufstrebende Viertel. Angesichts der Superlage wünscht sich Fried, der Eigentümer würde das neunstöckige Haus so sanieren, dass ein interessantes Wohngebäude, auch mit Blick auf Senioren, herauskommt.

Wie dem auch sei, die Mieter bekommen das rigorose Durchgreifen zu spüren. Gar "entmündigt" fühlen sich zwei Mieterinnen, die seit Jahrzehnten dort wohnen. Erster Stein des Anstoßes: Die 60 Balkone zum Innenhof, die ohnehin keinen berauschenden Ausblick auf die Nachbarschaft bieten, waren von vielen Bewohnern individuell gestaltet worden. Sogar Preisträger im städtischen Innenhofwettbewerb war in der Vergangenheit ein mit Blumen und anderen Pflanzen dekorativ hergerichteter Balkon. Nun muss alles, was brennbar sein könnte, verschwinden. "Die Leute müssen Tische, Stühle, Blumenkästen wegräumen", so die beiden Mieterinnen, die sich an die SZ wandten. Selbst die grünen Bodenmatten, die eine gewisse Wohnlichkeit suggerierten, müssen grauer Beton-Tristesse weichen. Auch Wäsche darf nicht mehr aufgehängt werden - dies ist andererseits aber auch in den Wohnräumen verboten. "Ich kann doch nicht alles von heute auf morgen wegschmeißen und mir feuerfeste Möbel kaufen. Zumal wir im Vorfeld nicht informiert wurden", klagt eine der Betroffenen. Auch ein Stahlgestell neben dem Eingang, das kostenlose Werbezeitungen und Ähnliches andiente, fiel der städtischen Revision zum Opfer.

Zweiter Stein des Anstoßes: Das Müllchaos. Die Tonnen, die jeweils einer Wohnung zugeordnet sind, sind nun in zwei Räumen zusammengepfercht, zum Teil unerreichbar. Die alten und teils gehbehinderten Bewohner müssten nun weite Wege in Kauf nehmen, so die protestierenden Mieterinnen. Die bisherige Mülltrennung sei nicht mehr möglich und auch nicht mehr erwünscht. "Das kostet dann das Dreifache an Gebühren", hat eine der Betroffenen recherchiert. Ferner fürchten die Damen eine Rückkehr der Rattenplage, die erst vor zwei Monaten im Corona-Keller bekämpft werden musste. Die Müllproblematik wird wohl etwas entschärft. Hausbesitzer Ruffing war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, doch aus seinem Umfeld hieß es, der Entsorgungsverband bestehe auf getrennter Entsorgung des Biomülls. Ab April würden Container in den Hof gestellt. In diese werde dann täglich eine graue Mülltonne entleert, die auf jedem Stockwerk aufgestellt werde. Dort könnten dann alle Etagenbewohner ihren Restmüll einwerfen - verpackt und nicht in losem Zustand.

Für die Mieter, die bisher ein bequemeres und freundlicheres Wohnen - soweit man bei dem Zustand des Corona-Hochhauses davon sprechen kann - gewohnt waren, ist das wohl ein schwacher Trost. Unsere beiden Mieterinnen haben sich jedenfalls dem Rebellentum verschworen: "Wir werden freiwillig unsere Balkone nicht räumen!"

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