Mehrgenerationendorf setzt auf gegenseitige Hilfe

Harlingen · Von der Hilfe auf Gegenseitigkeit, mit der der Verein „Miteinander – Füreinander“ Alt und Jung verbinden will, ist Sozialminister Andreas Storm begeistert. Auch in Städten kann er sich dieses Projekt vorstellen – wenn auch abgewandelt.

Für die Ständchen zu Ehren von Andreas Storm lässt Jürgen Horf die Würste auf dem Grill im Stich. Ob Männergesangverein, die Soli von Saxofonist Tassilo Welsch oder der Obst- und Gartenbauverein, der Viez, veredelt mit Hagebutten: Bei der zweiten Visite des Ministers für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie zum Thema Mehrgenerationendorf lassen sich die Leute vom Bietzerberg nicht lumpen.

Wie bei der Kirmes in Menningen im April, so nutzen die Verantwortlichen des Vereins "Miteinander - Füreinander" das Kirchweihfest in Harlingen, um für den Generationenverbund zu werben, für den man sich in den drei Merziger Stadtteilen entschieden hat - die Hilfe auf Gegenseitigkeit. Von der Idee ist Storm begeistert, wie er Moderator SZ-Redakteur Wolf Porz verrät. In einer abgeänderten Variante könne er sich dieses Projekt für die Kernstadt Merzig vorstellen - ebenso wie in der Großstadt. "Vorstellbar ist dort eine Arbeit in Quartieren." Als Beispiel nennt der Landespolitiker "Brebach versorgt sich selbst". Das Projekt habe das Ziel, in dem Saarbrücker Stadtteil Netzwerke zu bilden und unter anderem die Lebensbedingungen für Senioren zu verbessern. "Was wir brauchen, sind passgenaue Lösungen." Auf die Frage von Wolf Porz, welche Fortschritte im Laufe der vergangenen vier Monate erreicht worden sind, sprudelt es aus Manfred Klein nur so raus: "Wir sind im Baubereich sehr aktiv", verrät der Bietzer Ortsvorsteher und Vorsitzende des Vereins "Miteinander - Füreinander". "Wir sind dabei, in der alten Scheune das erste saarländische Flick-Café einzurichten. Zunächst wollten wir es Repair-Café nennen. Mit dem Namen konnten die wenigsten was anfangen."

Attraktiv für junge Familien Die Idee ist einfach: Jeder darf nach Kleins Worten kommen und mitbringen, was kaputt, aber möglicherweise noch zu retten ist. Von einem alten Stuhl, der defekt ist, bis zum Reißverschluss, der ausgetauscht werden muss. "Wer kann heute noch Reißverschlüsse einnähen?" Der Besucherdienst ist nach seiner Darstellung aktiviert worden, das Notruftelefon geschaltet. "Wir zählen mittlerweile 75 Menschen, die helfen wollen", sagt er stolz. Dass es noch an Leuten mangelt, die sich helfen lassen wollen, macht ihm nicht Bange. Wir brauchen halt einen langen Atem. Das Bewusstsein dafür muss erst geschaffen werden." Oft seien es auch Angehörige, die ausgemachte Termine absagen würden: "Ich kann meine Mutter doch selbst zum Arzt fahren." Jetzt sollen Nachbarschafts-Botschafter durch persönliche Ansprache für mehr Nachfrage sorgen. Eines steht aber auch für Klein fest: "Einen künstlichen Bedarf herbeizureden, ist der verkehrte Weg. Die Leute wissen, was sie wollen." Das beweise die Fitnessgruppe. "Interessierte aus allen Generationen sind vor einem Jahr zusammenkommen und treffen sich immer montags zu Touren durch die Natur - ein Angebot von vielen", wie er sagt. Viele Vorteile verspricht sich Harlingens Ortsvorsteherin Christa Berg von dem Generationenvertrag, wie sie Wolf Porz gesteht. "Bis zuletzt zu Hause bleiben, bedeutet für die Senioren eine längere Eigenständigkeit, wodurch geistiger Verarmung vorgebeugt wird." Das bekannte soziale Umfeld von Freunden und Nachbarn biete Sicherheit. "Zudem können Menschen, die in ihren eigenen vier Wänden leben, tun und lassen, was sie wollen." Gegenseitige Besuche in der Nachbarschaft zählt Berg ebenso auf wie spontane Verabredungen mit Bekannten oder die Teilnahme an Festen oder anderen Veranstaltungen im Dorf.

Die Frage von Wolf Porz nach dem Aussterben von Orten erteilen Christa Berg und Manfred Klein eine klare Absage - zumindest für den Biezerberg: "Seit der Gebietsreform 1974 sind Bietzen, Menningen und Harlingen sogar gewachsen", sagt Klein. "Durch den Generationenvertrag, den wir mit dem Verein übernehmen, werden unsere Orte auch attraktiv für jungen Familien", ist sich Christa Berg sicher.

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