Mehr Gefühl als der Freiherr

Neunkirchen. So ganz schafft er es nicht, während seines etwa einstündigen Besuches in derRedaktion die Distanz zur Rolle zu wahren. Immer wieder rutscht Enrico Tinebra in die Ich-Form, wenn er Verhaltensweisen, Charaktereigenschaften, Szenen-Ausschnitte beschreibt. Tinebra ist "Stumm"

 Enrico Tinebra spielt beim Musical-Projekt die Titelrolle, den Freiherrn Stumm. Beim Redaktionsbesuch posierte er vor dem Plakat vom letzten Jahr mit seinem Konterfei. Foto: Willi Hiegel

Enrico Tinebra spielt beim Musical-Projekt die Titelrolle, den Freiherrn Stumm. Beim Redaktionsbesuch posierte er vor dem Plakat vom letzten Jahr mit seinem Konterfei. Foto: Willi Hiegel

Neunkirchen. So ganz schafft er es nicht, während seines etwa einstündigen Besuches in derRedaktion die Distanz zur Rolle zu wahren. Immer wieder rutscht Enrico Tinebra in die Ich-Form, wenn er Verhaltensweisen, Charaktereigenschaften, Szenen-Ausschnitte beschreibt. Tinebra ist "Stumm". Im zweiten Jahr jetzt spielt er den Industriebaron im gleichnamigen Stück des Musical-Projektes Neunkirchen, den Freiherrn, der der Stadt die Industrie brachte, jetzt noch von seinem Denkmal-Sockel auf das, was davon übrig blieb, blickt. Viel gemeinsam haben sie nicht, so glaubt der 41-jährige gebürtige und wieder dorthin zurückgekehrte St. Ingberter. "Der Stumm, der zeigt ja kein Gefühl, der ist eiskalt." Er dagegen mache schon gerne mal einen Scherz, mag Kinder. Gefragt, ob er sein Alter Ego denn mag, muss er erst länger nachdenken, wägt ab. "Nein, ich glaube, genau betrachtet, da mag ich ihn nicht." Nicht von Anfang an aber doch schon seit "Merlin", dem zweiten Stück, ist Tinebra beim Projekt dabei, kam damals ganz kurzfristig und ohne Casting über Desirée Becker (die spielt das Kindermädchen im aktuellen Stück) dazu. Beide kannten sich aus Uni-Zeiten, Becker wusste, das Tinebra unter anderem beim Studenten-Theater-Verein Thunis bereits Bühnenerfahrung gesammelt hatte. Im Jahr 2006 hat er dann mal ausgesetzt ("zwei Mal Jahresurlaub fürs Projekt opfern, das war erstmal genug"). Bei "Lysistrate" war er dann wieder dabei, erfuhr im zweiten Aufführungsjahr dieses Musicals, dass der künstlerische Leiter Martin Leutgeb ihn als Stumm vorgesehen hat. "Ich durfte das aber erst niemandem sagen." Eigentlich hätte er auch im nächsten Jahr gerne wieder mal pausiert - auch wenn man noch gar nicht recht weiß, wie es eigentlich mit dem Musical-Projekt weitergeht, da die Zukunft der Gebläsehalle noch in den Sternen steht. Aber Tenebra denkt: "Dann glauben alle: jetzt hatte er eine Hauptrolle, jetzt reicht's ihm." Deshalb würde er dann schon nochmal spielen. So was Mittelgroßes. "So ganz zurück ins letzte Glied, das könnte ich vermutlich nicht", bewundert er nach eigener Aussage diejenigen, die "ohne auch nur einen Satz sagen zu dürfen", mit allem Eifer "so richtig dabei sind und spielen". Aber so ein Song und ein bisschen was zu sagen - das sollte es bei ihm dann schon sein. "Es gibt mittlerweile einen Stamm von wirklich guten Leuten. Natürlich sollen alle mal eine Chance bekommen. Aber wenn man wirklich gute Leute hat, dann wäre es ja ungeschickt, die nicht auch einzusetzen." Was ihn, der "im Gegensatz zu einigen jungen Kollegen" den Traum von einer Profi-Karriere nicht (mehr) träumt, freut, ist das Feedback von außen. Lob von Mitspielern, das freue ihn da ganz besonders. Und auch er gibt Anerkennung weiter. Nicht nur für die, die am Rande des Rampenlichts ihr Bestes geben, auch für diejenigen, die's für kurze Zeit mal genießen dürfen. "Die beiden jungen Kollegen, die die Rolle von Mirko Buljan übernommen haben, die haben das superschnell gelernt." Und Tinebra weiß, wovon er spricht: "Ich habe Mühe mit dem Textlernen, das ist kein Geheimnis." Geändert hat sich bei der Aufführung im Vergleich zum letzten Jahr wenig. "Da wurden hier und da mal ein paar Sekunden gestrichen, das ganze Stück gestrafft. Was aber", darauf legt er Wert, "kein Zuschauerwunsch war." Auf etwas weniger als drei Stunden komme man jetzt noch. Seine Lieblingsszene ist die letzte Szene, das Duett mit Dieter Meier, der seinen Vater spielt. "Da kann ich endlich mal richtig Gefühl zeigen. Schade nur, dass dan weitergespielt wird, da kriege ich gar keinen Applaus. Aber ich weiß, dass viele zu Tränen gerührt waren, das entschädigt etwas dafür." Was wünscht er sich sagen zu können, wenn das Publikum am 22. August, dem Derniere-Tag, zum letzten Mal geweint hat? "Ich hoffe, dass es das Projekt weiter gibt, dass es weiter Sponsoren gibt, dass viele Leute dabeibleiben und lieber in Neunkirchen statt auf den Malediven Urlaub verbringen." Eigentlich, so findet er, sollte jeder Neunkircher sich "Stumm" mal angesehen haben - oder Enrico Tinebra.

Zur PersonEnrico Tinebra ist 41 Jahre alt. Der gebürtige St. Ingberter ist nach einem Zwischenaufenthalt in Lebach wieder in seine Geburtstadt zurückgekehrt. Er ist Mitinhaber einer Firma für Sprachdienste, unterrichtet selbst Englisch und Spanisch, was er auch als Lehramt studiert, aber nie als Schullehrer unterrichtet hat. Er hat an der Uni in einer englischsprachigen Theatergruppe dann bei Thunis gespielt. Beim Projekt ist er seit 2004, spielte zwei Jahre in "Merlin - wir können auch anders", nach einem Jahr Pause dann in "Lysistrate". jiAuf einen BlickTermine für "Stumm. Das Musical " sind am 13., 14., 15., 17., 18., 20., 21. 22. August, jeweils um 20.30 Uhr in der Gebläsehalle im Alten Hütten-Areal in Neunkirchen. Karten : Telefon (06 81) 58 82 22 22, oder im Internet: www. eventim.de. red

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