Diskussionsrunde Bilder und Gedanken zum Leben in Armut

Bosen · Um Armut in Deutschland ging es dieser Tage bei einer Lesung im Kunstzentrum Bosener Mühle. Sie war Teil der Literaturtage im Saarland.

 In einer Diskussionsrunde sprachen Kreative, aber auch Betroffene über das Thema Armut.

In einer Diskussionsrunde sprachen Kreative, aber auch Betroffene über das Thema Armut.

Foto: Marion Schmidt

Viel Stoff zum Lesen, Schmökern, Lauschen und Entdecken steht noch bis kommenden Samstag bei der zweiten Auflage des Festivals „erLESEN – Literaturtage im Saarland“ auf dem Programm. Eine Lesung im Kunstzentrum Bosener Mühle mit Pasquale D’Angiolillo, Helga Koster und Johannes Kühn stellte das Thema „Armut in Deutschland“ in den Mittelpunkt.

„Wir wollen zeigen, wie schwierig es ist, sich mit dem Thema Armut auseinanderzusetzen“, so Verleger Tom Störmer in seiner Begrüßung. Gelungen war die Choreografie der Veranstaltung, die wie ein literarisches Drei-Gänge-Menü inszeniert war. Zum Auftakt stieg die saarländische Lyrikerin Helga Koster sanft in die Thematik ein. In ihren Gedichten und Aphorismen geht es um den Sinn des Lebens, über das Zwischenmenschliche in der Welt, aber auch um Frieden, Hoffnung und Dankbarkeit. „Manchmal machen wir uns auf den Weg ohne zu wissen, wo wir ankommen, manchmal wagen wir den Sprung ins Nichts, manchmal gibt es ein Bleiben, obwohl der Abschied schon vor der Tür steht, manchmal ist es fürs Bleiben zu spät“, mit sanfter Stimme liest Helga Koster bedächtig aus ihrem Buch „Wenn das Schaf dem Wolf den Weg zeigt“.

Nicht Worte, sondern Bilder sind das Metier von Pasquale D’Angiolillo.  Der Friedrichsthaler Fotograf hat in seinem Bildband „Auf Augenhöhe – Gesichter der Armut“. Menschen fotografiert, die von Armut betroffen sind. Im Mittelpunkt der von Susanne Wachs moderierten Diskussionsrunde standen drei porträtierte Betroffene. Eindringlich, unverblümt und sehr emotional schilderten sie ihre Lebenswirklichkeit, die sich am Rande der Gesellschaft abspielt. „Mir hat das Fotoprojekt sehr geholfen für meine persönliche Entwicklung vom Wechsel von der Straße in eine Wohnung. Es half mir, aus der Isolation zu kommen“, berichtet Jürgen Thiele. Der 62-Jährige lebte 14 Jahre lang auf der Straße. „Ich habe die Zeit genutzt, mich zu bilden. Oft verbrachte ich den ganzen Tag in der Bibliothek und habe gelesen“, berichtet Thiele. Bewegt berichten auch Beate Philippi und Stephan Klein von ihrem Weg raus aus  der Obdachlosigkeit. Beate ist heute in einer Wärmestube fest angestellt und engagiert sich im Vorstand der Armutskonferenz. „Mir hat das Fotoprojekt über drei Jahre eine konsequente Beschäftigung gegeben“, erzählt Stephan Klein. „In den Städten gibt es keine Nachbarschaftshilfe mehr. Wir müssen uns wieder mehr miteinander auseinandersetzen“, fordert Verleger Thomas Störmer. Für Wolfgang Edlinger, den Leiter der Armutskonferenz des Saarlandes, ist es wichtig, dass mit den Betroffenen auf Augenhöhe geredet wird. Für Fotograf Pasquale D’Angiolillo wird der Bildband immer das wichtigste Projekt bleiben. Der Hasborner Lyriker Johannes Kühn rundete die Lesung ab mit „Gedichten zur Armut“ und las unter anderem aus seinem 2018 erschienen Band „Besitzlos, den Schmetterling feiern“. Mit einfühlsamen zum Thema passenden Texten gestaltete auch der Marpinger Musiker Jürgen Brill, vielen bekannt vom Duo Langhals und Dickkopp, mit Tochter Laura die Lesung mit.

Nach der Lesung nutze der eine oder andere Besucher die Gelegenheit, zu einem persönlichen Gedankenaustausch mit den Podiumsteilnehmern. „Die Diskussion mit Stephan, Jürgen und Beate hat mich sehr bewegt“, äußert sich Erwin Gisch aus St. Wendel. Selbst der Dichtkunst verschrieben, hat er noch in derselben Nacht ein Gedicht mit dem Titel „Augenhöhe“ geschrieben. „Die Gedanken an die Lesung haben mich nachts um halb vier aufgeweckt und ich brachte die Zeilen zu Blatt“, berichtet Erwin Gisch einen Tag nach der Lesung.

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