Kitaplätze werden immer teurer

Beckingen · Im Schnitt zahlen Eltern im Grünen Kreis monatlich derzeit rund 262 Euro für die Ganztagskrippe, 134 Euro für den ganztägigen Kindergarten sowie 78 Euro für die halbtägige Betreuung des Kindes.

Nicole und Armin Scholer aus Beckingen verstehen die Welt nicht mehr: Sie sollen immer mehr zahlen, damit sie Zeit zum Geldverdienen haben. Für die Betreuung ihrer zehn Monate alten Tochter Emma in der Kinderkrippe zahlten die Krankenschwester und der Arbeiter auf der Dillinger Hütte bislang 230 Euro im Monat. Hinzu kommen rund 40 Euro für das Mittagessen der Kleinen. Obwohl beide berufstätig sind, war das für das Ehepaar schon viel Geld. Denn neben Emma haben die Scholers noch drei weitere Kinder, die inzwischen schon zur Schule gehen. Jetzt müssen sie für Emmas Betreuung noch tiefer in die Tasche greifen.

Die Gemeinde Beckingen verlangt nun seit Januar für den Krippenplatz 253 Euro. Ab 2015 soll die ganztägige Betreuung gar 278 Euro kosten. Damit erhebt Beckingen nach Zahlen des Kreises Merzig-Wadern derzeit die vierthöchste Krippengebühr im Kreis. Im Losheim am See ist der Krippenbesuch mit 235 Euro am günstigsten, am teuersten ist er mit 300 Euro in Mettlach.

Gemeindehaushalt entlasten "Wir haben in der Gemeinde vor drei Jahren beschlossen, die bis dahin niedrigen Elternbeiträge bis 2015 an das Landniveau anzugleichen. Damit wollen wir den Gemeindehaushalt entlasten. Bislang haben wir die Beiträge freiwillig bezuschusst, um die Kosten unterhalb der gesetzlichen Vorgaben zu halten", erklärt der Bürgermeister von Beckingen, Erhard Seger.

Die steigenden Gebühren für die Krippe machen den Scholers Sorgen: "Unsere Landesregierung verspricht jedem Kind einen Krippenplatz, aber wie sollen wir das auf Dauer bezahlen?", fragt sich die 35-jährige Mutter. Was der Staat übers Kindergeld bezuschusse, reiche bei Weitem nicht, sagt sie.

Die Scholers bedrückt nicht nur die steigende Krippengebühr. Die Familie empfindet es als ungerecht, wie unterschiedlich die Kita-Gesetze in Rheinland-Pfalz und im Saarland verfasst sind: Sobald ein Kind in Rheinland-Pfalz drei Jahre alt wird, ist der Kindergarten dort kostenlos. Auch die Krippenplätze sind im Nachbarland günstiger. Würden die Scholers in Kell am See wohnen, müssten sie in den ersten beiden Lebensjahren von Emma nach einer Berechnung des Jugendamts im Kreis Trier-Saarburg etwa 27 Euro weniger für den Ganztagsplatz als in Beckingen zahlen.

Der Elternbeitrag ergibt sich in Rheinland-Pfalz unter anderem aus Familiengröße und Netto-Einkommen. Im Saarland hingegen zahlen Eltern mittlerweile generell für die Kindertagesbetreuung: "Die Beitragsfreiheit im letzten Kindergartenjahr wurde von der Vorgängerregierung aufgrund der Haushaltsnotlage des Saarlandes abgeschafft", hieß es aus dem Bildungsministerium. Das letzte Jahr im Kindergarten zahlt das Land laut Gesetz nur dann noch, wenn das Netto-Einkommen der Familie unter bestimmte Grenzen fällt. Diese Grenze liegt für eine sechs-köpfige Familie bei 2900 Euro. Zu niedrig für die Scholers: Ein entsprechender Förderantrag wurde abgelehnt, wie Nicole Scholer sagt. Sollten die Krippengebühren nun weiter steigen, sieht sie sich zu einem pragmatischen Schritt gezwungen: "Ab 350 Euro muss ich mir dann überlegen, ob ich meine Halbtagsstelle aufgebe und mit Emma zuhause bleibe. Das können wir uns dann einfach nicht mehr leisten." Im Landkreis Merzig-Wadern sind die Elternbeiträge für Kindertagesstätten (Kitas) in den vergangenen fünf Jahren deutlich gestiegen. Dies zeigen Daten des Kreises und der Gemeinden. Die Gebühr für einen ganztägigen Krippenplatz für Kinder bis drei Jahre stieg demnach im Schnitt um 36 Prozent.

Der Regelplatz ist 25 Prozent teurer geworden. Im Schnitt zahlen Erziehungsberechtigte im Kreis monatlich derzeit rund 262 Euro für die Ganztagskrippe, 134 Euro für den ganztägigen Kindergarten sowie 78 Euro für die halbtägige Betreuung des Kindes. In Losheim am See ist das durchschnittliche Gebührenniveau für alle Kita-Betreuungsformen am niedrigsten, am teuersten ist es in Mettlach.

Grund für die immer höheren Elternbeiträge sind offenbar die deutlich steigenden Kosten für Kita-Mitarbeiter. Allein die Summe, mit der das Land die Gehälter fördert, stieg dem Bildungsministerium zufolge innerhalb von zehn Jahren um 76 Prozent: von 37,6 Millionen auf 66,3 Millionen. Auf Anfrage nannten sowohl der Kreis, die Kommunen als auch die Landesregierung den Ausbau der personalintensiven Kinderkrippen, die Ausweitung der Betreuungszeiten sowie steigende Gehaltstarife als Ursachen.

Freiwillige Bezuschussung

Die im geltenden Betreuungs- und Kinderbildungsgesetz des Landes festgeschriebene Deckelung der Elternbeiträge greift zudem nicht - denn sie ist an die Personalkosten gekoppelt. Sie besagt lediglich, dass die Summe der von den Gemeinden erhobenen Elternbeiträge nicht höher als 25 Prozent dieser Kosten ausfallen darf.

Weil diese spürbar steigen, können die Kommunen folglich immer höhere Elternbeiträge verlangen. Bisher erreicht auch deshalb noch keine Kommune die Obergrenze von 25 Prozent Deckungsgrad. Die meisten Gemeinden bezuschussen den Elternbeitrag zudem freiwillig, um ihn niedrig zu halten. Die Kreis-Kommunen konnten nur unvollständige Angaben zum Deckungsgrad der einzelnen Kita-Typen machen. In Merzig lag die Gebühr 2013 im Schnitt aller Kita-Betreuungsformen bei 17,8 Prozent, in Losheim liegt er zu Jahresbeginn bei 18 Prozent.

In Beckingen liegt er bei den Kindergärten bereits bei 23 Prozent. Wadern erreicht bei den Kindergärten derzeit 21 und bei den Krippen 18 Prozent. Die verbliebenen drei Gemeinden machten auf SZ-Anfrage keine Angaben über die Deckung der Elternbeiträge.

Eine Reform des saarländischen Kita-Gesetzes, um den zunehmenden Belastungen der Eltern entgegenzuwirken, ist derzeit nicht in Sicht: "Eine generelle Abschaffung der Elternbeiträge wäre als Haushalts-Notlage-Land gerade vor dem Hintergrund anstehender Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich nicht darstellbar", erklärte Jürgen Renner, Sprecher des Bildungsministeriums auf Anfrage der Saarbrücker Zeitung.

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Hintergrund Im Saarland werden momentan etwa 470 Kindertagesstätten (Kitas) - also Krippen, Kindergärten und Horte - betrieben. Davon sind dem Bildungsministerium zufolge 85 Prozent in öffentlicher oder kirchlicher und zehn Prozent in privater Trägerschaft. Rund fünf Prozent befinden sich unter dem Dach der Arbeiterwohlfahrt. Im Kreis Merzig-Wadern sind es derzeit 64 Kitas. Davon sind sechs nach Angaben der Verwaltung reine Krippen. 36 von ihnen bieten neben dem Kindergarten auch Krippenplätze an. Im Saarland teilen sich Land, Kreis und Gemeinden die Finanzierung der Kitas. Das meiste Geld fließt dabei in die Gehälter der Mitarbeiter. Die laufenden Sachkosten machen nur einen Bruchteil der Aufwendungen aus. Das Land zahlt den Kita-Trägern derzeit 29 Prozent der Personalkosten. Der Kreis bezuschusst 36 Prozent. Die Träger müssen laut Gesetz zehn Prozent selbst finanzieren. Bis zu 25 Prozent der Personalaufwendungen dürfen über die Elternbeiträge gedeckt werden. Deren Höhe schwankt von Gemeinde zu Gemeinde, weil die Kommunen selbst festlegen, wie viel die Eltern zahlen müssen. Die Sachkosten übernimmt der Träger selbst, die Sitzgemeinde fördert sie mit 60 Prozent. krt

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