„Keine Ehre für einen, dem keine Ehre gebührt“

Merzig · In die Diskussion um die mögliche Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Adolfs Hitlers in Merzig hat sich am Samstag auch Bürgermeister Marcus Hoffeld eingeschaltet. Er willdem Stadtrat vorschlagen, „ein eindeutiges politisches und moralisches Zeichen der Distanzierung zu setzen“. Was wohl heißen wird: Symbolische Aberkennung der Ehrenbürgerschaft, wie es viele andere Städte bereits getan haben.

 Leitete im Jahr 1935 die Sitzung, in der Hitler zum Ehrenbürger von Merzig ernannt wurde: Bürgermeister Hans Scheuren. Foto: Müller/Archiv Porz

Leitete im Jahr 1935 die Sitzung, in der Hitler zum Ehrenbürger von Merzig ernannt wurde: Bürgermeister Hans Scheuren. Foto: Müller/Archiv Porz

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"Merzig ist eine offene und tolerante Stadt, in der sich viele Bürger um eine verantwortungsvolle Bewältigung der NS-Vergangenheit verdient gemacht haben", schreibt Bürgermeister Marcus Hoffeld am Samstag der SZ. Deshalb werde er es "nicht zulassen, dass unsere Stadt über die Frage einer vermeintlichen Ehrenbürgerschaft Hitlers in ein schlechtes Licht gerückt wird". Die SZ hatte nach 1998 am vergangenen Freitag geschrieben, de facto sei Adolf Hitler noch Ehrenbürger von Merzig, basierend auf einem Stadtratsbeschluss aus dem Jahre 1935. Dem hat die Stadt am Freitag wiedersprochen (siehe SZ vom Wochenende).

Nun reagiert der Verwaltungschef: "Ich werde dem Stadtrat umgehend vorschlagen, ein eindeutiges politisches und moralisches Zeichen der Distanzierung zu setzen und einen Beschluss im Stadtrat zu fassen." Rechtlich stehe nach Auffassung der Stadtverwaltung zwar fest, dass - wie die Pressestelle der Stadt richtigerweise erklärt habe - eine Ehrenbürgerschaft mit dem Tod ende. Allerdings habe eine Diskussion selbst um eine vermeintliche Ehrenbürgerschaft Hitlers erhebliche negative öffentliche Nachwirkungen. "Diese Frage muss deshalb auch politisch-moralisch aufgearbeitet werden. Nur so kann ein Schlusspunkt gesetzt werden", findet der Verwaltungschef.

Hoffeld weiter: "Eine Aberkennung der Ehrenbürgerschaft - auch dessen sollte man sich bewusst sein - macht das Geschehene nicht unwirksam. Der Makel, dass Merzig dem NS-Diktator, dem keine Ehre gebührt, die Ehrenbürgerschaft angetragen hat, bleibt. Das ist auch durch eine formelle Aberkennung rückwirkend nicht ungeschehen zu machen." Aber es gelte, den von der Stadt und ihren Bürgern offensiv beschrittenen Weg fortzusetzen, dass sich Merzig wie viele andere Städte zu seinen jüdischen Mitbürgern und vielen anderen Opfern bekennt und an deren durch die NS-Diktatur verantwortete Leidensgeschichte mahnend erinnert. Hoffeld: "Die Botschaft, wie unsere Stadt mit der Aufarbeitung düsterer Zeiten der Geschichte verantwortungsvoll umgeht, soll durch die aktuelle Diskussion nicht gefährdet werden." Die eindeutige moralische Distanzierung sei für ihn auch Grundlage für die wichtige Zukunftsaufgabe der Integration ausländischer Mitbürger: "Sie sollen wissen, dass Merzig eine offene und tolerante Heimat ist. Die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Hitlers ist somit gerade auch für sie ein Zeichen."

Nach der SZ-Veröffentlichung von Freitag hatte der lokale Radiosender "Radio Merzig" via Facebook seinen Hörern die Frage gestellt, ob man Hitler die Ehrenbürgerschaft aberkennen solle oder nicht. Bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe haben sich laut Mitteilung von Radio-Chef Tom Becker mehr als 500 Hörer an der Umfrage beteiligt. Das Ergebnis ist eindeutig: 91 Prozent ja, neun Prozent nein. Am 30. Januar 1935 fand im Sitzungssaal des Stadthauses, auf Wunsch der städtischen Finanzkommission, eine Festsitzung des Merziger Stadtrates statt. Tagesordnung: 1. Verleihung des Ehrenbürgerrechtes an den Führer und Reichskanzler; 2. Umbenennung einer Straße. Bürgermeister Scheuren eröffnete die Sitzung mit dem deutschen Gruß. Dies konnte er tun, ohne Protest von der Opposition erwarten zu müssen.

Die Vertreter der Einheitsfront Michel Schettle von den Sozialdemokraten und Karl Brand, Ludwig Peters sowie Johann Rech von der Kommunistischen Partei wurden, wie das Protokoll der Festsitzung vermerkt, zu dieser Festsitzung gar nicht eingeladen. Die übrigen im Stadtrat vertretenen Parteien wie Zentrum, Freie Bürgervereinigung Merzig, Nationaler Block und Freie katholische Vereinigung hatten sich schon Ende 1933 zur Deutschen Front zusammengeschlossen.

In seiner Festrede führte Bürgermeister Scheuren aus, dass er den 30. Januar 1935 für diese Festsitzung gewählt habe, weil dies der Tag der nationalen Erhebung sei. Das Saarvolk habe Anlass zu einer Stunde der Besinnlichkeit und zum Danke für die neue Auferstehung des deutschen Volkes. Es stehe "nach diesen ersten zwei Jahren bereits fest", sagte Bürgermeister Scheuren, "dass Deutschland unter Gottes Beistand, durch die Gerechtigkeit und weise Staatsführung seines Führers und Kanzlers Adolf Hitler und durch das Nationalbewusstsein und den Opferwillen seines geeinten Volkes einer glücklichen Zukunft entgegen geht".

Der Sprecher der Stadtverordneten der Deutschen Front, Beigeordneter Willi Jäger, gab bekannt, dass "die Fraktion der Deutschen Front wünscht, dem Führer und Reichskanzler Adolf Hitler die Ehrenbürgerschaft der Stadt Merzig anzutragen, und beauftragt Bürgermeister Scheuren und den Kreisleiter der ,Deutschen Front', den Volksgenossen Schaub, die entsprechenden Schritte einzuleiten".

Dieser Antrag wurde einstimmig zum Beschluss erhoben von den Ratsmitgliedern Nikolaus Seiwert, Gustav Becker, August Gleser, Matthias Leistenschneider, Anton Baltes, Jakob Meyers, Theo Kranz, Karl Hartfuß, Wilhelm Britten, Johann Anton, Willi Jäger, Dr. Emil Weidner, Richard Hermann, Peter Daum. Es fehlen Paul Barthel, Alois Kantner, Josef Hoffmann, Nikl. Wilh. Wittling, Josef Gläsner. Als Gäste ware anwesend: Landrat Roth, Kreisleiter Schaub und Ortsgruppenleiter Nelles.

Als Vertreter der städtischen Verwaltung waren erschienen: Stadtbaumeister Baltzer, Schlachthofdirektor Dr. Menneking, Rentmeister Kessler und Amtmann Bock. Willi Jaeger konnte stolz die Einstimmigkeit feststellen und "dem Wunsche Ausdruck geben, dass die Ehrenbürgerschaft der Stadt Merzig vom Führer huldvoll angenommen wird". In gleicher Sitzung wurde beschlossen, die Poststraße als bedeutenste und Hauptgeschäftsstraße der Stadt in "Adolf-Hitler-Straße" umzubenennen.

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