„Ich bin fast jeden Tag in Aktion“

Vor einem Jahr wählte der Landtag erstmals einen Pflegebeauftragten des Landes. Die Einrichtung dieses Ehrenamtes war eine Folge des Pflegeskandals in einem Awo-Heim in Elversberg. Mit SZ-Redakteur Daniel Kirch sprach Amtsinhaber Jürgen Bender vor dem „Tag der Pflege“ am kommenden Sonntag über seine Aufgabe und die Beschwerden, die ihn erreichen.

 Jürgen Bender ist unter anderem Ansprechpartner für Angehörige von Pflegebedürftigen, wenn sie Beschwerden haben. Foto: Dietze

Jürgen Bender ist unter anderem Ansprechpartner für Angehörige von Pflegebedürftigen, wenn sie Beschwerden haben. Foto: Dietze

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Herr Bender, das Amt des Pflegebeauftragten ist ein Ehrenamt. Wie groß ist Ihr Arbeitsaufwand?

Bender: Ich bin so gut wie jeden Tag in Aktion, auch am Wochenende. Nach den Ereignissen in Elversberg ist im Sozialministerium ein Sorgentelefon eingerichtet worden, das es immer noch gibt. Es gab eine Welle von Anrufen, die dann abgeebbt ist. Die Überlegungen gingen dahin: Wenn jetzt ein neues Amt, das des Pflegebeauftragten, kommt, gibt es wieder so eine Welle, die dann wieder abflaut. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Die Zahl der Anrufe nimmt eher zu. Was Sie hier sehen, sind die Eingänge eines Tages (zeigt auf seinen voll belegten Schreibtisch).

Um wie viele Fälle kümmern Sie sich pro Woche?

Bender: Eine Befassung mit 20 Fällen in der Woche ist normal. Es sind Sachen dabei, die mit einem Telefonat erledigt sind, aber auch Fälle, die viel Zeit in Anspruch nehmen.

Wird Ihnen jede Beschwerde vorgelegt?

Bender: Ja. Manchmal sind es dringliche Dinge, die mir sofort nach Hause gefaxt werden.

Worum geht es in einer typischen Beschwerde, die Sie erreicht?

Bender: In der Überzahl sind es Fälle, in denen mich Angehörige von Pflegebedürftigen, die im Pflegeheim untergebracht sind, ansprechen. Es kann ums Essen und Trinken gehen, um die Darreichung des Essens oder um die Körperpflege. Oder es wird gesagt, die Medikamente werden nicht richtig gereicht. Ein Thema sind auch die Umgangsformen. Ich pflege das so zu sagen: Mir begegnen viele Perlen in der Pflege, darunter viele ungeschliffene Perlen. Da kann man schon etwas machen. Nicht alles kostet Geld, und solche Schulungen kosten nicht viel.

Was unternehmen Sie, wenn sich ein Angehöriger bei Ihnen beklagt?

Bender: Ich fahre in das Pflegeheim, rede mit den Leuten. Im Gespräch lässt sich vieles klären. Wenn mir aus Heimen desselben Trägers Ähnliches vorgetragen ist, gehe ich zur jeweiligen Verwaltungsspitze und sage: Ihr prüft das nach, in vier Wochen komme ich wieder.

Gibt es Fälle, in denen gravierende Missstände beklagt worden sind?

Bender: Ja, teilweise auch nicht zu Unrecht. Das haben Feststellungen der Heimaufsicht und des Medizinischen Dienstes ergeben, was in solchen Fällen zu Auflagen führt. Ich selbst habe ja keine Exekutivgewalt. Mir bleibt nur das Wort.

Was sind das für Fälle?

Bender: Das sind beispielsweise Fälle der falschen Medikamentengabe. Wenn jemand eine Insulinspritze bekommt, obwohl er gar nicht zuckerkrank ist, ist das gravierend. Oder es wird jemand aus einem Heim in ein Krankenhaus eingeliefert und dort wird festgestellt, der Bewohner ist ausgetrocknet und ausgehungert.

Inwiefern liegen die Defizite, die Ihnen gemeldet werden, an strukturellen Problemen wie dem Personalmangel, den die Pflegekräfte immer wieder beklagen?

Bender: Es liegt schon daran, dass der Personalschüssel besser sein könnte. Es hängt sicher auch damit zusammen, dass man die Leute besser schulen kann, etwa in den Umgangsformen, da stelle ich schon Defizite fest. Ich will eines aber ausdrücklich betonen: Was an mich herangetragen wird, sind Dinge, die nicht funktionieren. Man muss sich davor hüten, einen einseitigen Blick zu gewinnen. Ich sehe bei Heimbesuchen, die ich auch unangemeldet mache, sehr aufopferungsvolle Mitarbeiter. Man sieht das in den Gesichtern der Pflegenden und der zu Pflegenden. Die überwiegende Arbeit verdient hohe Wertschätzung. Man darf nicht das ganze System an den Fällen messen, die nicht klappen.

Am "Tag der Pflege", 18. Mai, öffnen 15 Kliniken und 119 Pflegeeinrichtungen im Land ihre Türen für Besucher. Das Programm steht im Internet.

tagderpflege.saarland.de

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Zur PersonJürgen Bender ist seit 15. Mai 2013 Pflegebeauftragter des Saarlandes. Der 67-jährige parteilose Jurist ist ein ausgewiesener Kenner der Branche. Bis vor zweieinhalb Jahren war er Präsident des Landessozialgerichts. Zudem war Bender 20 Jahre lang ehrenamtlich Vorsitzender (alternierend Stellvertreter) einer Sozialstation.Der Pflegebeauftragte ist Ansprechpartner für pflegebedürftige Menschen im Saarland, ihre Angehörigen sowie die Pflegekräfte. Er geht Hinweisen auf Missstände in Heimen, Krankenhäusern und bei ambulanten Diensten nach. Bender ist nicht in die Hierarchie des Sozialministeriums eingebunden und unterliegt daher auch keinerlei Weisungen. Für das Ehrenamt erhält er eine monatliche Aufwandsentschädigung von 1000 Euro, womit alle Aufwendungen, insbesondere Fahrkosten, abgegolten sind. kirKontakt: Tel. (0681) 501-3297, Telefax (0681) 501-3277, E-Mail: geschaeftsstelle.pflegebeauftragter@soziales.saarland.de

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