Geschichte in Erinnerung rufen

Bosen · In Gedenken an das einst blühende jüdische Leben im Landkreis St. Wendel wurden sieben Orte gegen das Vergessen errichtet. Sie geben der Geschichte Gesichter, laden zum Nachdenken und Verweilen ein. Zur Abschlussveranstaltung wurde ein Film des Adolf-Bender-Zentrums im Kunstzentrum Bosener Mühle gezeigt, in dem Zeitzeugen und Hinterbliebene zu Wort kommen.

 Kulani-Vorsitzender Werner Feldkamp, Justizminister Reinhold Jost, Udo Recktenwald und ABZ-Geschäftsführer Willi Portz engagieren sich gegen das Vergessen. Foto: Ames

Kulani-Vorsitzender Werner Feldkamp, Justizminister Reinhold Jost, Udo Recktenwald und ABZ-Geschäftsführer Willi Portz engagieren sich gegen das Vergessen. Foto: Ames

Foto: Ames

"Ich habe höchsten Respekt vor Menschen, die sich mit der Geschichte auseinandersetzen", sagte Reinhold Jost, Minister für Umwelt und Verbraucherschutz. Er selbst, Jahrgang 1966, sei in einer Zeit aufgewachsen, in der es nicht schicklich gewesen sei, sich mit der NS-Vergangenheit und der deutschen Schuld auseinanderzusetzen. Die Gräueltaten hätten nicht nur in großen Zentren stattgefunden, sondern auch auf dem Land. Jost: "Menschen wurden von jenen verraten, mit denen sie zusammen lebten und arbeiteten, Vereine besuchten oder sogar gemeinsam in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges lagen."

Um der Opfer zu gedenken, wurden sieben Orte gegen das Vergessen errichtet (wir berichteten). "Sie dienen der Bewusstseinsbildung. Sie bieten die Möglichkeit, sich Gedanken zu machen und diese weiterzutragen", sagte Thomas Döring, pädagogischer Leiter des Adolf-Bender-Zentrums (ABZ). Auf den jeweils vier mal vier Meter großen Plätzen stehen zwei Parkbänke, die zur Rast einladen sowie eine Gedenktafel mit Informationen über die Personen, denen der Ort gewidmet ist. Sie erzählen die Geschichte von Bürgern, die vor der Zeit des Nationalsozialismus wichtiger Teil des sozialen Lebens waren, die sich in Vereinen und der Politik engagiert haben, wie Eugen Berl oder Walter Sender. Junge Menschen, die sich nichts zu Schulde kommen ließen, wie Lotte Koschelnik und Harry Schu, deren Leben vernichtet wurde, weil sie jüdische Wurzeln hatten. Auch der wenigen, die sich der Unmenschlichkeit widersetzten, wird stellvertretend durch Änne Meier gedacht.

Mitarbeiter des ABZ zeigten im Kunstzentrum Bosener Mühle eine 20-minütige Dokumentation über die sieben Orte gegen das Vergessen, in der zwölf Zeitzeugen und Hinterbliebene zu Wort kommen. Unter ihnen die Nichte Änne Meiers und die Nachkommen Eugen Berls, die von Israel anreisten um der Eröffnung des Eugen-Berl-Platzes beizuwohnen. Der Film dient als Dokument für die Zukunft, in der das Gespräch mit den Zeugen nicht mehr möglich sein wird.

Das Projekt "Sieben Orte gegen das Vergessen" wurde gemeinsam vom Landkreis, der Kulturlandschaftsinitiative und dem ABZ initiiert. Reinhold Jost überreichte den Vertretern auf der Abschlussveranstaltung einen Zuwendungsbescheid über 82 000 Euro. Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 100 000 Euro. Willi Portz, Geschäftsführer des ABZ, das für die Ausgestaltung der sieben Orte gegen das Vergessen verantwortlich ist, lobte die Offenheit der beteiligten Kommunen bei der Verwirklichung des Projekts. "Die anfängliche Skepsis war nicht begründet. Alle Gemeinden halfen aktiv mit und brachten eigene Vorschläge bei der Suche nach passenden Plätzen ein." Er hob das Engagement von Schülern der Baltersweiler Änne-Meier-Schule, der Gemeinschaftsschule Türkismühle und des St. Wendeler Gymnasiums Wendalinum hervor, die sich in Arbeitsgemeinschaften mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinandersetzen.

Eine persönliche Beziehung zu den Geschehnissen aufzubauen sei laut Landrat Udo Recktenwald Ziel der Orte gegen das Vergessen, "damit sich die Geschichte nicht wiederholen kann." Er stellte zusätzliche Projekte der Erinnerungskultur in Aussicht, wie weitere Verlegungen von Stolpersteinen im Landkreis und eine zentrale Veranstaltung am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus .

Zum Thema:

Auf einen BlickSieben Orte gegen das Vergessen im Landkreis: Baltersweiler: Änne-Meier-Platz; Gonnesweiler: Raimund-Hirsch-Platz; Oberthal: Harry-Schu-Platz; Sötern: Lotte-Koschelnik-Platz; St. Wendel: Eugen-Berl-Platz und St. Wendel: Ort gegen des Vergessen am Panoramaweg; Tholey: Walter-Sender-Platz. ame

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort