„Ein Pfarrer muss auch schauspielern“

Saarbrücken · Am Anfang bestand der Gospelchor Saarbrücken bloß aus einem Dutzend Sängern. Doch unter der Leitung von Otto Deutsch wuchs und gedieh der Chor und sang 2003 sogar vor 4000 Zuhörern in Berlin. Jetzt gibt Deutsch die Leitung nach 28 Jahren an Ulrich Seibert ab.

 Wilhelm Otto Deutsch im evangelischen Gemeindezentrum Klarenthal. Foto: Kerstin Krämer

Wilhelm Otto Deutsch im evangelischen Gemeindezentrum Klarenthal. Foto: Kerstin Krämer

Foto: Kerstin Krämer

"Ich habe immer gesagt, mit 70 höre ich auf. Irgendwann muss man ja aufhören." Und das tut er lieber zu einem Zeitpunkt, wo er und seine Sanges-Schäfchen sich "noch gut miteinander fühlen": Nach 28 Jahren gibt Wilhelm Otto Deutsch die Leitung des Gospelchors Saarbrücken in jüngere Hände ab. "Ich liebe meinen Chor", sagt der promovierte Theologe und Pfarrer im Ruhestand. "Aber es ist wie mit Kindern: Man muss sie irgendwann gehen lassen." Sein Nachfolger wird nun Ulrich Seibert, der Kantor der Ludwigskirche.

Der Gospelchor ist quasi das Lebenswerk von Otto Deutsch, der zwischen 1984 und 2004 einige wichtige Funktionen innerhalb der Evangelischen Kirche im Rheinland schulterte. Gegründet hat er den Chor eher zufällig als Pfarrer der Evangelischen Studentengemeinde: 1986 probte ein Dutzend Vokalisten aus den Reihen der Kantorei Christuskirche und der Studentenschaft ein Repertoire aus afroamerikanischen Gospels und Spirituals - 1991, als der Chor erstmals zum Evangelischen Kirchentag fuhr, war das Ensemble bereits auf 70 Sänger angewachsen. Zu den Höhepunkten der Chorgeschichte zählen die Uraufführung der "Missa Gaia" des amerikanischen Komponisten Paul Winter, der den Chor daraufhin 1998 nach New York einlud, sowie die Aufführung von Duke Ellingtons "Sacred Concert" vor 4000 Zuhörern beim Kirchentag in Berlin im Jahr 2003 .

Das musikalische Wissen sowie das profunde Verständnis der Tradition afroamerikanischer Musik hat Deutsch sich im Laufe seines bewegten Lebens als Kosmopolit erworben. Geboren 1944 in Bielefeld, studierte er Theologie in Tübingen, Göttingen, Münster und in den USA. Nach dem ersten theologischen Examen und dem Doctor of Ministry in Washington begann er ein Vikariat und arbeitete bis 1972 in der Berufsschule Bielefeld. 1975 schloss er eine Doktorarbeit über Schwarze Theologie in den USA ab und war in Folge wissenschaftlicher Assistent an der Pädagogischen Hochschule in Dortmund. Danach lehrte er vier Jahre an der Universität in Swaziland und studierte parallel im Fernstudium Musikwissenschaft, Schwerpunkt Komposition und Harmonielehre. Von 1982 bis 1993 war er dann Studentenpfarrer in Saarbrücken und anschließend bis zu seiner Pensionierung 2009 Gemeindepfarrer in Klarenthal. "Eine gewaltige Umstellung", wie Deutsch meint.

Er vermisst bei jungen Kollegen oft das Gespür für die Macht von Ritualen: "Ein Pfarrer darf nicht nur authentisch sein. Ein Pfarrer muss auch Schauspieler sein, er muss zelebrieren können." Deutschs beträchtliches schauspielerisches Potenzial kann man etwa bei den Aufführungen der Klarenthaler Theatergruppe "TheKla" bewundern. Nun will sich der mit einer Amerikanerin verheiratete Vater von drei Söhnen und Großvater von drei Enkeln wieder mehr der klassischen Chormusik widmen und ein großes Oratorium singen. Außerdem erteilt er weiterhin Migrantenkindern ehrenamtlich Deutschunterricht, leitet einen alternativen Gottesdienstkreis, hält Andachten als stellvertretender Rundfunkpfarrer und engagiert sich in der Altenpflegeschule der AWO. Überzeugter Vegetarier ist er außerdem, angewidert von den Zuständen in der Massentierhaltung. Deutsch: "Tiere zu essen, ist falsch!"

Wilhelm Otto Deutschs Abschiedskonzert "Celebrate" mit dem Saarbrücker Gospelchor findet am Samstag, 19. Juli, 19 Uhr, in der Evangelischen Kirche Klarenthal statt. Vorverkauf in den Klarenthaler Apotheken und in der Poststelle Hauptstraße.

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