„Ein dreckiges 1:0 ist doch auch schön“

Tholey · Bundestrainer sind wir derzeit ja alle ein bisschen. Soll Miroslav Klose von Beginn an stürmen? Sollte Philipp Lahm besser ins Mittelfeld? Und kann man auf Bastian Schweinsteiger verzichten? Wie sehen wirkliche Trainer die Auftritte der deutschen Mannschaft? Um das herauszufinden, schaut ihnen die SZ beim Zugucken über die Schulter. Dieses Mal: Heiko Wilhelm aus Tholey, der gerade vom SV Hasborn zum FC Wiesbach gewechselt ist.

 Jubel im Hause Wilhelm in Tholey: Nach dem 1:0-Sieg gegen Frankreich im WM-Achtelfinale wurde mit Flammkuchen gefeiert. Foto: Faber

Jubel im Hause Wilhelm in Tholey: Nach dem 1:0-Sieg gegen Frankreich im WM-Achtelfinale wurde mit Flammkuchen gefeiert. Foto: Faber

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Im Hause Wilhelm in Tholey wurde am Freitagabend gejubelt - und die französische Spezialität Flammkuchen verspeist, als die deutsche Nationalmannschaft durch den 1:0 (1:0)-Sieg die Franzosen im Viertelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien ausgeschaltet hatte. "Es ist ein Willenssieg. Ein dreckiges 1:0 ist doch auch schön", sagte Heiko Wilhelm, neuer Trainer des Oberligisten FC Hertha Wiesbach . Besonders von der Einstellung der deutschen Elf war der Ex-Trainer des Saarlandligisten SV Hasborn angetan: "Jeder Spieler wollte unbedingt."

Der 43-Jährige lobte besonders die Viererkette in der Abwehr: "Das war das Prunkstück, auch Benedikt Höwedes hat als Linksverteidiger einen tollen Defensivjob gemacht." Und Philipp Lahm , den Bundestrainer Joachim Löw erstmals von Beginn an auf der rechten Seite verteidigen ließ? "Wenn Philipp Lahm hinten rechts spielt, hat man einfach ein gutes Gefühl", erklärte Wilhelm. Die Maßnahme, Per Mertesacker für Mats Hummels rauszunehmen, sei nicht nur wegen der Topleistung von Siegtorschütze Hummels aufgegangen. "Jerome Boateng ist der schnellste Abwehrspieler, ihn innen spielen zu lassen, ist vollkommen richtig." Dahinter spreche die Leistung von Torwart Manuel Neuer für sich. "Dass der französische Angriff nicht viel Durchschlagskraft hatte, darf man natürlich nicht vergessen."

Schwäche bei langen Bällen

Eine Schwäche war für Wilhelm, dass die Defensive bei langen Bällen der Franzosen zu oft in Bedrängnis gekommen war. "Entweder muss sich die Viererkette tiefer in den Raum fallen lassen, oder der lange Pass muss im Halbfeld verhindert werden." Nach dem 1:0 forderte er beim Foul an Miroslav Klose vehement einen Elfmeter: "Der war eindeutig!" Zwingende Offensivaktionen vermisste er danach. "Es ist zu wenig Zug drin, im letzten Drittel vor dem Tor wird das Spiel zu unpräzise, der finale Pass bleibt immer hängen." Sein Plan für die zweite Halbzeit: Die Franzosen mehr kommen lassen. "Sie sind gezwungen, mehr Aufwand zu betreiben, bei Ballgewinn sind dann die Räume größer."

Als sich die Partie dahinschleppte, forderte Wilhelm Löw auf, den mit zu wenig Tempo agierenden Mesut Özil vom Feld holen, dafür André Schürrle einzuwechseln. Löws Maßnahme, acht Minuten später Schürrle für Klose zu bringen, kommentierte er mit einem Kopfschütteln. "Klose kann doch die Bälle klemmen und zieht immer einen Abwehrspieler auf sich. Den würde ich so lange spielen lassen, wie er kann." Nachdem Schürrle es verpasst hatte, bei einer Großchance den Ball in der 81. Minute im Tor unterzubringen, befürchtete Wilhelm: "So etwas rächt sich." Und fast traf die Trainer-Binsenweisheit auch zu. Karim Benzema hatte in der Nachspielzeit das 1:1 auf dem Fuß, doch die Hand von Neuer verhinderte den Ausgleich. "Ging der Ball an die Latte, oder war Neuer da noch dran?", fragte Wilhelm nach der atemberaubenden Szene. Die Zeitlupe löste auf: Es war die Hand.

Mit dem Abpfiff sprang die Fußball-Familie Wilhelm auf und jubelte. Deutschland steht im WM-Halbfinale. "Da ist alles drin, auch wenn es gegen Gastgeber Brasilien geht", blickte der Tholeyer voraus. Optimistisch mache ihn, dass sich die Mannschaft gegenüber dem 2:1 nach Verlängerung im Achtelfinale gegen Algerien gehörig gesteigert habe.

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