„Diese Teppiche feiern das Leben“

Eppelborn · Drei neue Stücke kann das Jean-Lurçat-Museum Eppelborn jetzt ausstellen. Es handelt sich um Tapisserien, die als Leihgabe aus der Schweiz gekommen sind. Am Montag wurden diese den Besuchern vorgestellt.

 Matthias Marx (links) stellte den Besuchern die Tapisserie-Leihgaben vor. Thematisiert werden die Schöpfung, die Einheit aller Lebewesen und die Untrennbarkeit von Materie und Geist. Foto: ani

Matthias Marx (links) stellte den Besuchern die Tapisserie-Leihgaben vor. Thematisiert werden die Schöpfung, die Einheit aller Lebewesen und die Untrennbarkeit von Materie und Geist. Foto: ani

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. Die Schöpfung, die Einheit aller Lebewesen und die Untrennbarkeit von Materie und Geist sind die zentralen Themen der drei Tapisserien, die das Eppelborner Jean-Lurçat-Museum für unbestimmte Zeit aus Thun in der Schweiz als Leihgaben erhalten hat. "Diese Teppiche feiern das Leben. Und je länger man sucht, desto mehr Hinweise auf dessen innerste Zusammenhänge findet man", erklärte Dechant Matthias Marx, Stifter und Vorsitzender der Paul-Ludwig-Stiftung "Jean Lurçat". Er stellte am Montagabend den zahlreich im Lurçat-Museum erschienenen Besuchern die Schweizer Leihgaben vor. Diese haben noch etwas anderes gemeinsam: das große Format. "Lurçats Tapisserien sind Bilder, in die man glaubt, eintreten zu können. Nicht nur Betrachter, sondern Teilnehmer, Mitspieler sind gefragt", so Marx. Auf perspektivische Kompositionen hat der Künstler verzichtet, in Rückbesinnung auf die mittelalterlichen räumlichen Qualitäten der Tapisserie als Wandvorhang.

Das größte Format unter den drei Tapisserien, die in der Manufaktur Portalegre in Portugal nach Lurçats Kartons gefertigt wurden, hat mit über vier Metern Länge "Apollo": Ein riesiger Erdball füllt die rechte Bildhälfte aus, unter ihm Wasser, über ihm die Sonne. Die Sonne, Apollo, schüttet Licht und Wärme über den Erdball, der von gleißenden, züngelnden Flammen umgeben und erfüllt wird. Das Wasser zieht sich in Bahnen durch ihn hindurch. Wo sich Feuer und Wasser treffen, sprießen belaubte Zweige. Verschiedene Tiere und ein menschliches Gesicht bereichern die Szene. Jeder Bildgegenstand steht mit anderen in Verbindung, ist bewegt, strahlt durch leuchtende Farben, drückt Energie und Lebendigkeit aus. Der schwarze Hintergrund ist mit Sternen übersät. In der linken Bildhälfte: Wiederum verbundene Monde, Blätter, Wassertropfen.

Rätselhaft erscheint der "Schattenfresser". "Einer von Lurçats spätesten Kartons", erklärte Marx. Ein nicht eindeutig zu identifizierendes Gebilde, einer Staffelei ähnelnd, nimmt das Zentrum ein. Es scheint aus dem Rücken eines Löwen zu wachsen, dessen Körper von Erdfarben erfüllt ist, dessen Mähne an züngelnde Flammen erinnert und dessen mehrfache Schwänze sich zu Sternen auswachsen. Sternähnliche Gebilde auch anstelle eines Gesichts: "Es ist kein persönlicher, sondern ein symbolischer Löwe." Sterne, Monde, Blätter verteilen sich über die restliche Bildfläche.

Blätter und Natur, Lorbeer und Weintrauben, auch im kleinsten der drei Bildgewirke, der "Sonate des Orpheus", in deren Mittelpunkt ein Tasteninstrument steht. "Die kosmischen Elemente fehlen hier", erklärte Marx. "Sie werden nicht benötigt, da sie alle in der Musik enthalten sind."

Marx nutzte außerdem die Gelegenheit, um den Kunst-Freunden die kürzlich erschienene Monografie "L'Oeuvre Peint de Jean Lurçat" von Gérard Denizeau vorzustellen. Augenzwinkernd erklärte er: "Der Nachteil: Es ist auf Französisch. Der Vorteil: Es ist reich bebildert."

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Zur PersonJean Lurçat (1892 bis 1966) war französischer Maler und Keramiker. Bekannt ist er für Kartonmalereien, Entwürfe für Wandbehänge, mit denen er andere Künstler zur Beschäftigung mit der Bildwirkerei inspirierte. Heute gilt Lurçat als Wiederbeleber der Tapisserie in der zeitgenössischen Kunst. In den 1960ern fanden auf allen Kontinenten Ausstellungen mit Tapisserien, Gemälden und Keramiken des Künstlers statt. Heute schmücken seine Wandbehänge beispielsweise das Uno-Gebäude in New York und den Landtag von Baden-Württemberg. In Eppelborn hat sich 1999 die Jean-Lurçat-Gesellschaft gegründet, um das etwas in Vergessenheit geratene Erbe des Künstlers zu pflegen. ani

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