Die Wohnzimmerwände waren vom Ruß geschwärzt

Im Gebiet der heutigen Gemeinde Nonnweiler entstanden zur Mitte des 17. Jahrhunderts zahlreiche Eisenhütten. Die Eisenschmelzen lieferten den Rohstoff und zahlreiche Nagelschmieden entstanden. In Sitzerath wird diese alte Handwerkstradition erhalten.

 Albert Paulus beim Nageln nach alter Tradition. Foto: Ames

Albert Paulus beim Nageln nach alter Tradition. Foto: Ames

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Sitzerath. Albert Paulus legt Eisenstäbe in die heißen Kohlen auf der Esse. So nennt sich die Feuerstelle, in der das Metall zum Glühen gebracht wird, damit der Schmied es formen kann. Ein großer Blasebalg versorgt mit lautem Getöse die Glut mit Sauerstoff. Der Lärm stammt von einer Maschine, die den Balg auf- und abbewegt. In früherer Zeit gab es dieses Hilfsmittel freilich nicht. Hunde rannten in einem Holzrad und trieben die Luftpumpe über eine Welle an. "Die Seiten des Rades waren vergittert, damit der Radstipp nicht ausbüchst", berichtet Paulus. Der 77-jährige ehemalige Hüttenarbeiter ist heimatverbunden und will die Tradition weitervermitteln. Er erlernte das alte Handwerk von Robert Hoffmann aus Bierfeld, von dem auch die meisten historischen Werkzeuge stammen. Heute zeigt er Kindern, Schülern und Interessierten in der 2003 eröffneten historischen Nagelschmiede in Sitzerath, wie sich Menschen bis in die 1930er-Jahre mit der Schmiedearbeit Geld hinzuverdienten.

Nägel zu schmieden war Heimarbeit. In vielen Häusern in Sitzerath und Umgebung wurde das heiße Eisen auf einem Nagelstock aus Holz mit Stabbels - ein um die drei Zentner schweres Gusseisenstück - zu Nägeln gehauen. Die Wände der Wohnungen waren vom Ruß geschwärzt. Zum Leben alleine reichte der Nägelverkauf indes nicht. Mitte des 19. Jahrhunderts arbeiteten zahlreiche Männer im Bergbau und schliefen in Bettenhäusern. Die Frauen und Kinder kümmerten sich zuhause um ihre Landwirtschaft und stellten Nägel her. Diese wurden vornehmlich für die Herstellung und Reparatur von Schuhen benutzt.

An einem Tag schmiedeten sie 3000 einspitzige und bis zu 2000 zweispitzige Nägel. "Kurz vor der Kirmes waren die Kinder besonders fleißig", sagt Paulus schmunzelnd. "Da standen sie bereits um drei Uhr morgens auf, um ihr Kirmesgeld aufzubessern."

Die Nagelschmieden seien aber auch ein Ort der Zusammenkunft gewesen, besonders im Winter, als sich die Menschen an der Hitze der Feuerstelle nach getaner Arbeit aufwärmen konnten.

Da ergab sich laut Paulus auch die Möglichkeit, die ein oder andere Teufelei auszuhecken. Eine Tradition, die sich in Sitzerath offenbar gehalten hat: An der Seite der historischen Nagelschmiede, die an das Kelterhaus angebaut wurde, prangt ein großes Bild. Es zeigt die Arbeit eines Schmiedes; im Hintergrund dreht der Radstipp seine Kreise. Der Künstler nahm sich vor der Eröffnung die Freiheit, Hirsche, Wildschweine oder die örtliche Prominenz ins Rad zu stellen.

Die historische Nagelschmiede in Sitzerath ist Mitglied im St. Wendeler Bildungsnetzwerk. Es wurde von der Kulturlandschaftsinitiative (Kulani) und dem Kultur- und Bildungsnetzwerk (Kubi) initiiert. Ziel ist es, Schulen und Kindergärten mit besonderen Orten im Landkreis zu verbinden, die unsere Geschichte erlebbar machen.

Die Nagelschmiede ist an einem Sonntag im Monat für Besucher geöffnet. Termine: 18. Mai, 15 Juni, 27 Juni, 21. September, 19. Oktober und 23. November. Am Samstag, 23. August, findet das zweijährliche Nagelschmiedefest statt. Individuelle Vorführungen können vereinbart werden; Tel. (0 68 73) 6 60 76.

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