Die Grenze vor der letzten Ruhe

Saarbrücken · Vor zwei Wochen stirbt Hannelore Spreier im französischen Spicheren. Das deutsche Sozialamt will nun nicht für die Bestattung der mittellosen Frau aufkommen. Bis die Geldfrage geklärt ist und die Tochter die Urne nach Saarbrücken holen kann, dürfte es noch dauern.

 Im grenznahen Restaurant Woll in Spicheren starb Hannelore Spreier. Foto: Becker&Bredel

Im grenznahen Restaurant Woll in Spicheren starb Hannelore Spreier. Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel

Hannelore Spreier ist guter Dinge, als sie am 30. April mit Freunden zum Tanz in den Mai aufbricht. Die Gruppe kehrt im Restaurant Woll im grenznahen französischen Spicheren ein. Doch in den frühen Morgenstunden des 1. Mai erleidet die 60-jährige Saarbrückerin unerwartet einen Herzinfarkt und stirbt noch im Lokal. "Ich möchte ihren Wunsch erfüllen und sie auf dem Saarbrücker Hauptfriedhof unter einem Baum beerdigen lassen", sagt ihre Tochter Isabelle Roden. Doch auch fast zwei Wochen später steht die Urne mit der Asche der Toten noch in Frankreich. Wann sie ihre Mutter nach Saarbrücken überführen kann, ist offen. Denn bisher ist nicht geklärt, wer die Kosten übernimmt.

"Obwohl meine Mutter sich für ihren Lebenstraum, ihr eigenes Café, fast kaputt gearbeitet hat, war sie mittellos und auf die Hilfe der Arbeitsagentur angewiesen", sagt Roden. Sie selbst sei seit einem Monat Hartz IV-Empfängerin, kann die Kosten ebenfalls nicht zahlen. Zuvor war sie in der Pflege tätig, sucht auch wieder nach einer Beschäftigung dort. "Ich möchte kein Sozialschmarotzer sein", stellt die 38-Jährige klar. Aber wäre ihre Mutter nur wenige hundert Meter weiter in Deutschland gestorben, würde das Amt zahlen. "Ich dachte, wir leben in einem Europa ohne Grenzen. Dass so etwas möglich ist, hätte ich nie gedacht."

Zunächst wurde die Tote aus dem Restaurant von einem französischen Bestatter in eine Leichenhalle nach Behren gebracht. "Ich habe einen Saarbrücker Bestatter beauftragt, sich um die Überführung zu kümmern", erzählt die Tochter. Doch dort habe sie sich nicht gut betreut gefühlt, auch nach fünf Tagen keine Auskünfte erhalten. Hinzu kommt, dass pro Tag, den die Verstorbene in Behren lag, Kosten von rund 100 Euro anfallen. "In Frankreich ist das Gesetz so, dass Menschen spätestens sieben Tage nach ihrem Tod bestattet werden müssen. Wäre nichts passiert, wäre meine Mutter wie eine Obdachlose in einem anonymen Grab in Frankreich bestattet worden", erzählt Roden. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an den Bürgermeister von Spicheren, Jean-Charles Giovanelli, und dessen Frau. Diese stellen den Kontakt zu einem französischen Bestatter her, der sich darum kümmert, dass am 11. Mai die Einäscherung in St. Avold stattfinden kann. Seitdem steht die Urne bei dem Bestatter in Forbach, der sie verwahrt, bis geklärt ist, was passiert. 1800 Euro hat Isabelle Roden an den Bestatter zahlen müssen. "1000 Euro habe ich in der Wohnung meiner Mutter gefunden, die waren eigentlich für die Umsatzsteuer ihres Cafés gedacht. 800 Euro hat der Freundeskreis gespendet."

Roden steht in Kontakt mit dem Sozialamt des Regionalverbands. "Die rechtliche Lage ist so, dass die Sozialbehörden des Landes zuständig sind, in dem die Person gestorben ist", sagt der Sprecher des Regionalverbandes Stefan Kiefer. Für die Überführung nach Deutschland und die Beisetzung müsse Frankreich zahlen. "Das gilt auch umgekehrt, wenn ein Franzose in Deutschland stirbt." Er bestätigt Rodens Aussage: "Wäre Frau Spreier in Deutschland gestorben und anspruchsberechtigt, wäre die Lage eine andere und die Sozialbehörde müsste zahlen." Die Tochter habe nun die Option, sich an das deutsche Generalkonsulat in Straßburg zu wenden oder direkt an die französischen Sozialbehörden. "Wir haben bei uns eine Kollegin, die Französin ist, die Frau Roden bei diesen Behördengängen unterstützt", sagt Kiefer. Wie lange die Bearbeitung eines solchen Antrags in Frankreich dauert, könne er nicht sagen. "Das ist auch für uns neu."

Isabelle Roden möchte die Trauerfeier für ihre Mutter in ihrem Café, dem "Pain de Vie", in Saarbrücken abhalten. Ob die Zeit reicht, weiß sie nicht. Zeit zum Trauern habe sie noch nicht gefunden. "Ich brauche jetzt meine ganze Kraft, um alles zu regeln", sagt die 38-Jährige. In allem Unglück erfährt sie auch viel Hilfe von ihrer Familie und dem Freundeskreis. Sie hofft auf ein baldiges Ende: "Ich bin jetzt schon am Limit. Es wird Zeit, dass ich und meine Mutter zur Ruhe kommen."

Wer Isabelle Roden unterstützen möchte, kann ihr eine E-Mail schreiben:

isabelleroden@yahoo.de

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