Die deutschen Tugenden seiner kaiserlichen Hoheit

Saarbrücken · Der Handkuss, den die kaiserliche Hoheit noch vor Beginn der Veranstaltung einer Dame aus dem Publikum gibt, passt natürlich wunderschön ins Bild: „Deutsche Tugenden“ heißt das neue Buch des deutsch-äthiopischen Autors Asfa-Wossen Asserate, das er am Donnerstagabend in der Saarbrücker Union-Stiftung rund 140 Zuhörern vorstellt. Der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie weiß darum – wie er ausführt –, dass die Tugenden, die den Deutschen nachgesagt werden, nicht immer charmant sind: preußische Pünktlichkeit und Gehorsam etwa sowie Fleiß, Sparsamkeit und Ordnungsliebe.



Vielleicht gerade deshalb widmet sich der 64-Jährige denn in seinem Vortrag vor allem positiv geltenden Tugenden. Von Anmut spricht er, von Zivilcourage und vom Humor der Deutschen. Die "Grande Dame der FDP", Hildegard Hamm-Brücher, oder den Schauspieler Curd Jürgens führt er als Beispiele für deutschen Anmut ins Feld - obwohl Letzterer im Volksmund als "normannischer Kleiderschrank" bekannt war. Es ist bei aller Eloquenz, mit der Asserate beeindruckt, nicht die einzige Unstimmigkeit, mit der man als Zuhörer hadert. Die Zivilcourage, für die er Graf von Stauffenberg anführt, die Geschwister Scholl oder auch Menschen, die im Nachkriegsdeutschland Angriffe auf Minderheiten abwehrten, ist zweifelsohne eine hervorragende Tugend. Weshalb diese aber ebenso wie ein vermeintlich durch Ironie und Schlagfertigkeit gekennzeichneter Humor typisch deutsch sein soll, erschließt sich nicht. Es wird zig Länder geben, die dies mit Fug und Recht ebenso für sich beanspruchen. Ungeachtet dessen hat Asserate jedoch recht, wenn er sagt: Um (deutsche) Tugenden jungen Generationen zu vermitteln, muss man sie vorleben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort