„Deutsche neoliberale Politik kein Rezept für Europa und Frankreich“

Saarbrücken · Der französische Wirtschaftsexperte Arnaud Lechevalier war am Donnerstagabend in Saarbrücken zu Gast. Er referierte über die Erfolgsfaktoren und Risiken des deutschen Modells.

In seinem Vortrag im Saarbrücker Rathaus ist Arnaud Lechevalier, Wirtschaftsprofessor aus Paris und Forscher am Marc-Bloch-Zentrum in Berlin, der Frage auf den Grund gegangen, inwiefern das deutsche Wirtschaftsmodell als Vorbild für die Europäische Union (EU) fungieren könnte.

Zuerst lobte Lechevalier das Modell der sozialen Marktwirtschaft. "Die berufsspezifische Ausbildung und Qualifizierung der Arbeitnehmer sowie das Lohnverhandlungssystem basierend auf interner Flexibilität innerhalb der Betriebe sind die Erfolgsschlüssel, die zur heutigen Lage Deutschlands geführt haben", so die These Lechevaliers. Doch der durch die Wiedervereinigung und die europäische Integration bedingte neoliberale Kurswechsel mit der Agenda 2010 habe für ihn keine Vorbildfunktion. "Der durch Angela Merkel vertretene Ordoliberalismus bewirkt extreme gesellschaftliche Ungleichheiten", führte der Referent weiter aus und sagte: "Ich bedauere, dass nicht das Modell der deutschen sozialen Marktwirtschaft, sondern das neoliberale Modell auf die EU übertragen wird."

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion fragte Moderator Reiner Marcowitz, Geschichts-professor an der Uni Metz, inwiefern das aktuelle deutsche Modell auf das Nachbarland Frankreich anwendbar wäre. "Natürlich stehen wegen der schlechten Wirtschaftslage auch in Frankreich Kürzungen der Sozialleistungen an", so Lechevalier. Mit Blick auf die Europawahl und den drohenden Stimmenzuwachs des rechtsextremen Front National warnte er: "Wenn die EU für die Franzosen nur noch die Infragestellung sozialer Errungenschaften bedeutet, wird sie immer mehr auf Ablehnung stoßen".

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