Mundart-Theater in der Bosener Mühle Freundschaft im Wandel der Zeit
Bosen · Schauspieler-Duo aus Brasilien zeigt ein Stück im Hunsrücker Platt in der Bosener Mühle.
Volles Haus im Kunstzentrum Bosener Mühle. Dort trat die brasilianische Theatergruppe „Curto Arte“ aus Dois Irmãos, einer Stadt in der südlichen Provinz Rio Grande do Sul auf. Etwa 70 Besucher kamen zu diesem ungewöhnlichen Theaternachmittag. Ungewöhnlich, weil die beiden brasilianischen Schauspieler Carlos Alberto Klein und Cristiano Schenkel ihre Rollen im Hunsrücker Platt sprachen. Mit ihren Theateraufführungen – das Duo ist schon mehrfach in Deutschland aufgetreten – wollen die Künstler Geschichte und Brauchtum ihrer Vorfahren am Leben erhalten. Ihre Vorfahren, das waren die ersten deutschen Auswanderer, die sich 1824 mit dem Schiff auf den Weg nach Brasilien machten auf der Suche nach einem besseren Leben. Mit ihrem Stück „O retrato“ (übersetzt: das Porträt) präsentierte die Theatergruppe Ausschnitte aus der deutschen Theaterszene in Südbrasilien.
Das Theaterstück thematisiert die Freundschaft von zwei Jungen, die durch die Ansiedlung der ersten Schuhgeschäfte in der Region auf eine Belastungsprobe gestellt wird. Dabei mimt Carlos Alberto Klein den Pedrinho und Cristiano Luis Schenkel seinen etwas unbeholfenen Freund Toninho. Bis dahin verbrachten beide Freunde Schulzeit und die Nachmittage gemeinsam. Der neue Schuhmarkt lässt sie unterschiedliche Wege gehen.
Die Kulisse bestand aus einer aus Baumstämmen gebildeten Hauswand, davor lagen einige Handwerksgeräte. In der Eingangsszene werkelten die Freunde Seite an Seite an einem Holzgefährt vor sich hin und unterhielten sich im Hunsrücker Platt. Das Publikum war schnell in dem Stück, denn der Hunsrücker Dialekt scheint der hierzulande gesprochenen saarländischen Mundart verwandt. Immer wieder erklangen typisch deutsche Volkslieder wie „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ oder „Bergvagabunden sind wir“.
Mit der Ansiedlung der Schuhgeschäfte änderte sich alles. Während Toninho einfältig und völlig euphorisch die Schule abbrechen und eine Arbeit auf dem Schuhmarkt aufnehmen will, ist Pedrinho entschlossen, die Schule zu beenden und flüchtet dafür sogar in die Stadt, da der Vater ihn auch schon im neuen Geschäft wähnt. Der Abschied fällt den Freunden schwer. Ein Zeitsprung lässt beide Freunde später reifer an Jahren wieder aufeinandertreffen. Auch die vertraute Heimat ist eine andere geworden. Die bäuerlichen Plantagen sind gänzlich der modernen Industrie gewichen. Geblieben sind die Kindheitserinnerungen und vertrauten Spielgeräte vergangener Zeiten und die Vertrautheit ihrer Freundschaft, die sie schnell wieder gemeinsame Pläne schmieden lässt.
Nach dem anerkennenden Applaus richteten einige Zuschauer neugierig ihre Fragen an die Schauspieler. „Ich bin mit neun Brüdern auf einer Plantage aufgewachsen. Wir sprechen nur Dialekt. Mein Vater konnte hochdeutsch lesen. Das hörte sich für uns immer spaßig an“, berichtete Carlos Alberto Klein. In den Schulen auf dem Land sei zu seiner Zeit nur Deutsch gesprochen worden. Vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges hätten jedoch um die 1940er-Jahre Soldaten darüber gewacht, dass kein Deutsch mehr gesprochen würde. „Wir Kinder haben lange darunter gelitten. Die Alten wollten uns aus Angst nicht mehr die deutsche Sprache lehren und Portugiesisch konnten wir auch nicht sprechen. Heute sagen wir, dass wir Hunsrückisch sprechen“, so der Schauspieler. „Auf dem Land sprechen wir immer noch den Hunsrücker Dialekt. Wenn ich im Saarland bin, stelle ich immer fest, dass die saarländische Mundart sehr unserem Dialekt ähnelt“, ergänzte Solange Kamphorst. Mit ihrem Schauspiel will die Gruppe die Traditionen ihrer Vorfahren pflegen.