Böse Falle bei der Krankmeldung

Merzig/Saarlouis · Bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse, AOK, ist fast ein Drittel der Deutschen versichert. Eine große Familie, die umfassend umsorgt wird – Birgit Alt und Markus Hausacker sehen das jetzt anders. Für beide wurde die so genannte Arbeitsunfähigkeitslücke zur Falle.

Birgit Alt und Markus Hausacker (Namen von der Redaktion geändert) haben Ähnliches erlebt, beide sind sie sehr verärgert, nein: eigentlich fassungslos. Beide sind bei der "AOK Die Gesundheitskasse", wie sich die große deutsche Krankenversicherung selbst nennt, versichert. Jetzt haben die beiden Merziger mit der AOK Probleme.

Die Fälle ähneln sich, so kompliziert sie für sich genommen sind. Es geht um die Unterbrechung der Krankschreibung - versicherungsdeutsch: Arbeitsunfähigkeit - im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit. Eine Rechtsmaterie für Spezialisten. "Obwohl ich selbst beruflich in diesem Bereich tätig war, hatte ich überhaupt keine Ahnung von dieser Falle", sagt Alt. Hausacker fügt hinzu: "Als Patient hat man keine Ahnung, was da passieren kann."

Fast alle Arbeitnehmer kennen es: Anfang der Woche beginnt eine Krankheit, der Arzt schreibt einen krank, es gibt einen gelben Schein zur Vorlage beim Arbeitgeber und bei der Krankenkasse - die so genannte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, kurz: AU, zum Beispiel bis Ende der Woche. Am Montag geht der Genesene wieder zur Arbeit, oder es ist noch nicht besser geworden, und beim Arztbesuch gibt es eine Folgebescheinigung.

Kein Problem. Es sei denn, mit Ende der sechsten Woche der Krankheit endet die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, oder in die Zeit der Erkrankung fallen das Ende einer Beschäftigung und so der Beginn einer Arbeitslosigkeit. Jetzt kommt es nämlich darauf an, dass keine Lücke entsteht. Die gab es aber bei Alt und Hausacker, als sie nach AU bis einschließlich Sonntag erst montags für eine Folgebescheinigung wieder zum Arzt gingen. Zu zwei unterschiedlichen Ärzten in Merzig, die später ebenfalls sagen würden, dass ihnen die mögliche Konsequenz der AU-Lücke nicht bekannt war.

Die AOK - die Krankengeld-Stelle für Merzig sitzt in Saarlouis - teilt beiden mit, dass ihr Anspruch auf Krankengeld verwirkt sei, weil sie nicht für eine lückenlose AU gesorgt hätten. Auch sei der Versicherungsschutz erloschen.

Es beginnen Auseinandersetzungen. "Was mich aufregt", sagt Alt, "ist die Tatsache, dass es hier insbesondere gegen Arbeitslose geht." Kulanzhalber, teilt die Kasse mit, werde an Hausacker noch einige Zeit Krankengeld weitergezahlt. Alt bekommt nichts. Die "juristische Sekunde" Unterbrechung der AU reiche für die Sanktion aus, teilt ihr die AOK mit.

Das bestätigt Norbert Benz, Pressesprecher der AOK in Saarbrücken. "Bei der Meldung der AU handelt es sich um eine Obliegenheit des Versicherten. Die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung sind grundsätzlich von ihm zu tragen", lässt er wissen. Er zitiert ein Urteil des Bundessozialgerichts, wonach die Krankenkassen nicht gehalten seien, "Hinweise auf den gesetzlich geregelten Zeitpunkt einer erneut erforderlichen AU-Feststellung in den Formularen (AU-Bescheinigung) vorzusehen". Auch zu einer vorsorglichen Information der Versicherten seien die Kassen "nicht gehalten". Das fehlerhafte Verhalten des Arztes in dieser Angelegenheit schließlich sei ebenfalls nicht der Kasse anzulasten. Benz: "Ein rechtlicher Fehler ist in den beiden Fällen nicht feststellbar. Wir sehen diese Regelung der Arbeitsunfähigkeitslücke selbst als sehr kritisch, müssen aber vor dem Hintergrund der bereits gefestigten Rechtsprechung hierzu dies umsetzen."

Fehlerhaftes Verhalten der Ärzte? "Die Unkenntnis der Ärzte ist ein Problem", bestätigt Tobias Gohrbandt, Sozialreferent beim Sozialverband VdK Saarland. Dass die Kassen ihre Versicherten nicht darauf hinweisen, prangert der VdK jedoch an. "Das verträgt sich nicht mit der Beratungs- und Aufklärungspflicht der Kassen", sagt Gohrbandt.

Also müssen Ärzte und Patienten selbst juristische Sekunden vermeiden: Immer die AU bis zu einem Werktag verlängern, an dem der Arztbesuch möglich ist - vor allem bei Erkrankungen über sechs Wochen und erst recht wenn Arbeitslosigkeit droht oder besteht.

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